Archiv


Was die Zinssenkung für Portugal bedeutet

Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank soll vor allem Südeuropa erreichen. Dort sind die Darlehenszinsen hoch, wenn die Banken überhaupt Kredite vergeben – und die Wirtschaft kommt nicht in Schwung. Portugal steht vor schwierigen Aufgaben.

Von Tilo Wagner |
    Adelino Santos steht auf einer kleinen Baustelle in einem Lissabonner Vorort. Der Bauunternehmer hat sich vor über zwanzig Jahren selbständig gemacht. Und noch nie waren die Perspektiven für seine Firma so schlecht wie heute:

    "Dies ist die schwerste Krise, die ich je erlebt habe. Ich denke dauernd daran, ob ich den Betrieb vielleicht lieber dicht machen soll. Wir haben keinen Zugang zu Krediten. Und wenn die Banken mal doch etwas leihen, dann zu einem sehr hohen Zinssatz."

    Von der Zinssenkung der Europäischen Zentralbank erhoffen sich Wirtschaftsexperten billigere Kredite, steigende Investitionen und damit Wirtschaftswachstum vor allem in den Krisenländern in Südeuropa. Frische Impulse sind dringend notwendig. Portugals Wirtschaft soll in diesem Jahr um 2,3 Prozent schrumpfen, die Arbeitslosigkeit liegt bereits jetzt bei 17,7 Prozent. Allein im Baugewerbe haben im vergangenen Jahr rund 100.000 Beschäftigte ihren Job verloren. Der Unternehmer Santos ist dennoch skeptisch, ob die Zinssenkung der EZB sein Geschäft spürbar beleben wird:

    "Vielleicht bringt das langfristig etwas. Aber ich erwarte nicht, dass sich die Situation dadurch so schnell ändern wird. Die Leute wollen jetzt einfach nicht investieren. Und wenn überhaupt, dann sind es kleine Aufträge, und ich muss genau hinschauen, ob die Auftraggeber am Ende wirklich zahlen."

    Insbesondere mittelständische Unternehmen, die in Portugal rund 90 Prozent der Betriebe ausmachen, klagen seit Monaten über den schlechten Zugang zu Krediten. Die konservative Regierung hat den Druck auf die Privatbanken erhöht, bessere Bedingungen für den Mittelstand zu schaffen, und will gleichzeitig eine Kreditlinie in Höhe von 3,5 Milliarden Euro bereitstellen.

    Unklar ist, ob damit der Plan zur Schaffung einer nationalen Förderbank vom Tisch ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im November in Lissabon angekündigt, dass Deutschland den Portugiesen beim Aufbau einer Finanzinstitution nach dem Vorbild der KfW-Bank helfen würde. Tatsächlich waren Experten der staatlichen Förderbank im Winter in Portugal, um mit Vertretern aus dem Finanzministerium und der portugiesischen Nationalbank über ein Institut nach deutschem Muster zu sprechen.

    Die Bank sollte ursprünglich aus den EU-Regionalfonds finanziert werden, die Portugal jährlich überwiesen bekommt. Dagegen hat sich jedoch bald in Brüssel und in Lissabon Widerstand gebildet. Insbesondere die portugiesischen Ministerien, die die EU-Gelder bisher koordiniert haben, wehrten sich gegen die Pläne. Auch aus Kreisen der staatlichen Sparkasse "Caixa Geral de Depósitos" wurde Kritik an einer Förderbank laut. Mit Erfolg: Die Regierung will die Sparkasse jetzt mit der Abwicklung der neuen Kreditlinie beauftragen.

    Das Geld bleibt so stärker im Einflussbereich der Politik. Die portugiesische Sparkasse, deren Vorstandsvorsitzender direkt vom Premierminister bestimmt wird, wehrt sich gegen Reformpläne, Teile der Bank zu privatisieren. Wenn die Kreditlinie für mittelständische Unternehmen nun unter dem Dach der Sparkasse läuft, dann hat sich die staatliche Bank ein wichtiges neues Aufgabengebiet gesichert.

    Kritiker befürchten jedoch, dass damit das Prinzip einer unabhängigen Förderbank, die nur nach technischen Gesichtspunkten Kredite vergibt oder Haftung übernimmt, untergraben werde. Schließlich sollen jetzt die gleichen privaten und staatlichen Finanzinstitute in Portugal für billigere Kredite sorgen, die in den vergangenen Monaten den Geldhahn immer mehr zugedreht haben.