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Was Hirnscans verheimlichen

Medizin.- Ein Schlaganfall hat meist direkte Auswirkungen auf das Hirnareal, im dem er aufgetreten ist. So können das Sprechen oder auch motorische Fähigkeiten der Patienten stark beeinträchtigt worden sein. Doch das Bild eines Hirnscanners gibt oftmals nur beschränkte Hinweise darauf, wie groß der verursachte Schaden tatsächlich ausfällt.

Von Kristin Raabe | 12.07.2010
    Wenn wir gehen, sprechen oder einfach nur dasitzen und denken, nutzen wir meistens nur einen relativ kleinen Teil unseres Gehirns. Der Rest ist dabei aber nicht untätig. Hirnzellen feuern nämlich auch dann Impulse ab, wenn sie gar nicht gebraucht werden. Etwa 95 Prozent der Energie, die unser Gehirn benötigt, wird durch diese Ruheaktivität verbraucht. Etwas, in das unser Körper soviel investiert, kann nicht völlig unwichtig sein. Davon ist jedenfalls Maurizio Corbetta von der Washington Universität in St. Louis überzeugt:

    "Diese Ruheaktivität des Gehirns ist kein Hintergrundrauschen. Sie ist nicht chaotisch, sondern findet sehr geordnet in funktionalen Netzwerken statt. Wenn wir bewegungslos sind, bleiben alle Netzwerke, die mit Bewegung zu tun haben, über diese Ruheaktivität miteinander in Verbindung und genauso verhält es sich mit den Netzwerken, die etwa mit Aufmerksamkeit zu tun haben. Die Ruheaktivität sagt also auch dann etwas über die Funktionsfähigkeit eines bestimmten Netzwerkes aus, wenn die betreffende Person gerade keine Aufgabe erfüllt."

    Maurizio Corbetta wollte herausfinden, ob das Muster dieser Ruheaktivität vielleicht auch zeigen kann, was im Gehirn nach einem Schlaganfall eigentlich los ist. Eine solche Untersuchung hätte den Vorteil, dass der Patient lediglich ein paar Minuten ruhig im Kernspin liegen müsste. Er bräuchte nicht - wie sonst bei Messungen der Hirnaktivität - langwierige Aufgaben in der engen Röhre durchführen. Um herauszufinden, ob die Ruheaktivität tatsächlich zeigt, welche Fähigkeiten nach einem Schlaganfall eingeschränkt sind, machte Maurizio Corbetta mit 23 Studienteilnehmern zunächst eine Reihe von Verhaltenstests. Alle hatten innerhalb der letzten zwei Wochen einen Schlaganfall erlitten.

    "Bei einem Bewegungstest etwa muss eine Testperson einen Hebel drücken. Dabei messen wir die Kraft, die jemand dafür aufbringt, wie viele Kilogramm er dabei bewegen könnte. Außerdem können wir Geschicklichkeit messen. Das machen wir, indem wir messen, wie viele Sekunden jemand braucht, um ein paar kleine Bälle in ein Loch zu werfen. Oder wir messen eine alltägliche Funktion. Beispielsweise wie lange jemand braucht, um ein Glas Wasser auf den Tisch zu stellen. Das sind alles standardisierte Tests, die von Leuten entwickelt und geprüft wurden, die mit dem Bewegungssystem arbeiten."

    In weiteren Tests untersuchte Maurizio Corbetta die Konzentrationsfähigkeit seiner Patienten und auch eine Reihe anderer Fähigkeiten. Danach maß er mit dem Kernspintomographen die Ruheaktivität im Gehirn der Patienten. Das Ergebnis überraschte ihn: Die Ruheaktivität war auch in Hirnteilen beeinträchtigt, die nicht in der Schlaganfallregion lagen. Zeigte die Kernspintomographie beispielsweise eine starke Beeinträchtigung der Ruheaktivität in den Netzwerken, die für die Bewegung der rechten Hand zuständig waren, dann hatte der betroffene Patient auch bei den Bewegungstests der Hand schlecht abgeschnitten. War die Ruheaktivität in den Netzwerken für die Konzentrationsfähigkeit nur schwach gestört, dann zeigte sich bei den entsprechenden Verhaltenstests ebenfalls nur eine kleine Schwäche.

    "Wir haben uns auch verschiedene Arten von Verbindungen von Hirnteilen angeschaut. War die Verbindung zwischen den Hirnhälften eingeschränkt, dann zeigte sich das auch deutlich bei den Verhaltenstests. Entscheidend ist also die Balance an Aktivität zwischen der beschädigten und der unbeschädigten Hirnhälfte, die eine Aussage darüber erlaubt, wie jemand bei den Verhaltenstests abschneidet."

    Ob sich die Methode auch dazu eignet, vorherzusagen wie der Heilungsprozess bei einem Patienten in den Monaten nach dem Schlaganfall verläuft, will Maurizio Corbetta nun in einer Studie mit etwa 200 Patienten untersuchen.