Frankreich
Was im Falle eines Regierungssturzes passiert

Der französische Premierminister Michel Barnier riskiert mit der Verabschiedung des Sozialhaushalts das Überleben seiner Regierung. Rechts- und Linkspopulisten geben sich entschlossen, diese durch ein Misstrauensvotum zu stürzen. Damit droht Frankreich eine neue politische Krise. Ein Überblick.

    Der neue französische Premierminister Michel Barnier sitzt im Parlament. Er hat die Hände vor dem Gesicht gefaltet.
    Für den französischen Premierminister Michel Barnier könnte es bald eng werden. (IMAGO / Jumeau Alexis )
    Seit den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen Juni hat die Regierung in Paris keine Mehrheit mehr in der Nationalversammlung. Das Parlament ist in drei verfeindete Blöcke gespalten.

    Warum steht ein Misstrauensvotum bevor?

    Um das Haushaltsgesetz dennoch zu verabschieden, blieb dem Premierminister nur die Möglichkeit, den Verfassungsparagrafen 49.3 anzuwenden. Dieser ermöglicht eine Verabschiedung ohne Abstimmung im Parlament. Dazu muss die Regierung aber ein anschließendes Misstrauensvotum überstehen. Mit der Abstimmung über das Misstrauensvotum ist nach derzeitigem Stand frühestens am Mittwoch zu rechnen.

    Welche Rolle spielen die Rechtspopulisten?

    Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National hatte zunächst angekündigt, einen Misstrauensantrag der linken Opposition nicht zu unterstützen. In den vergangenen Wochen änderte sie ihre Haltung - obwohl der RN einige Zugeständnisse der Regierung erreichte. Sie willigte ein, die Stromsteuer nicht zu erhöhen, auf höhere Zuzahlungen für Medikament zu verzichten und die medizinische Versorgung von Migranten zu verringern. Dennoch kündigte der RN am Montag an, nicht nur einen Misstrauensantrag der Linken zu unterstützen, sondern auch einen eigenen Misstrauensantrag einzubringen.

    Was passiert anschließend?

    Falls die Regierung das Misstrauensvotum verliert, ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. Präsident Emmanuel Macron muss dann einen neuen Premierminister ernennen. Dafür gibt es jedoch kein Datum. Nach der Auflösung des Parlaments im Juni hatte Macron sich bis September Zeit gelassen. Macron kann theoretisch Regierungschef Barnier erneut ernennen und nur die Ministerriege neu zusammenstellen.
    Im Gespräch ist auch die Ernennung eines linken Regierungschefs, etwa Ex-Innenminister Bernard Cazeneuve. Dies würde dem Ergebnis der Neuwahl im vergangenen Juli Rechnung tragen. Allerdings hätte auch ein linker Premierminister keine Mehrheit im Parlament. Denkbar wäre auch eine Expertenregierung. Eine Neuwahl des Parlaments ist frühestens im Juli 2025 möglich.

    Was geschieht mit den Haushaltsgesetzen?

    Eigentlich müsste die Regierung bis Jahresende drei Haushaltsgesetze durch das Parlament bringen. Der Sozialhaushalt war das erste davon. Es gilt als unwahrscheinlich, dass eine neue Regierung die Verabschiedung der drei Gesetze noch im Dezember durchsetzen könnte. Sie könnte aber ein Sondergesetz auf den Weg bringen, dass es ermöglicht, auf der Basis des Haushalts von 2024 weiterzumachen. Sollte sich dafür keine Mehrheit finden, kann Macron nach Artikel 16 der Verfassung Notmaßnahmen ergreifen. Damit würde der demokratische Normalbetrieb vorübergehend außer Kraft gesetzt.

    Was bedeutet dies für die künftige Präsidentschaft?

    Die nächste Präsidentschaftswahl steht eigentlich erst 2027 an. Mittlerweile gibt es aber erste Stimmen im Regierungslager, die den Rücktritt des Präsidenten und eine vorgezogene Wahl ins Spiel bringen. Das hat Macron bislang ausgeschlossen.
    Macron kann nach zwei Mandaten nicht wieder antreten. Le Pen möchte gerne Präsidentin werden, könnte aber im März in einem Verfahren wegen Veruntreuung von EU-Geldern dazu verurteilt werden, nicht kandidieren zu dürfen. Ob der 29-jährige RN-Parteichef Jordan Bardella dann kandidieren würde, ist offen.
    Im Regierungslager laufen sich unter anderen die Ex-Premierminister Edouard Philippe und Gabriel Attal für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur warm. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon dürfte auch wieder antreten wollen. Es gibt auch Vermutungen, wonach es auch der sozialistische Ex-Präsident François Hollande noch einmal versuchen könnte.
    (Quelle: Material der Nachrichtenagentur AFP)
    Diese Nachricht wurde am 02.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.