"Spiel mit der eigenen Evolution"
"Eingriff ins menschliche Erbe"
"Auf dem Weg zum Mischwesen"
"Wird das Basteln am Erbgut zur Normalität?"
"Die Zukunft unserer Spezies"
"Der unterlegene Mensch"
"Spiel mit den Genen"
"Schönes neues Menschsein"
"Maschinen, die unbekannte Spezies"
"Diskriminiert vom Algorithmus"
"Künstliche Intelligenz – Segen oder Apokalypse?"
"Eingriff ins menschliche Erbe"
"Auf dem Weg zum Mischwesen"
"Wird das Basteln am Erbgut zur Normalität?"
"Die Zukunft unserer Spezies"
"Der unterlegene Mensch"
"Spiel mit den Genen"
"Schönes neues Menschsein"
"Maschinen, die unbekannte Spezies"
"Diskriminiert vom Algorithmus"
"Künstliche Intelligenz – Segen oder Apokalypse?"
"Ja, erstmal willkommen hier. Das Watson IOT Center in München ist das globale Headquarter der IBM zum Thema Künstliche Intelligenz in Verbindung mit IOT. Mit Sensoren, die Daten liefern, die eine Künstliche Intelligenz verarbeiten soll."
Ein gläserner Büroturm im Münchner Norden, 23. Stock. Von hier oben sieht Heike Kammerer alles in Spielzeug-Größe: Häuser, Autos, Menschen, die zur Arbeit eilen. Spielerisch-kreativ geht es auch an ihrem Arbeitsplatz zu: Die Elektroningenieurin und ihr Team forschen an Technologien, die das Leben da unten bequemer, sicherer, besser machen sollen.
IOT steht für Internet of Things: das Internet der Dinge, in dem verschiedenste Gegenstände vernetzt sind – Autos, Kühlschränke oder Straßenlaternen etwa.
Seine Ideen probiert das Team von Heike Kammerer auch im eigenen Büro aus – deshalb ist die 23. Etage voller Sensoren:
"Wir messen den CO2-Gehalt. Und wir haben eine Künstliche Intelligenz trainiert zu lernen, wie ein CO2-Gehalt sich verändert mit der Anzahl der Menschen, auch mit der Uhrzeit über den Tag. Und so wissen wir, wie viele Menschen im Büro sind", sagt Heike Kammerer.
Künstliche Intelligenz, das bedeutet vereinfacht gesagt: Technische Systeme greifen auf immer größere Datenmengen zu und versuchen, daraus Schlüsse zu ziehen, um die eigene Funktionsweise beständig zu verbessern. Deshalb spricht man auch von "selbstlernenden Maschinen".
Im Zukunftslabor von IBM
Im Zukunftslabor des IT-Konzerns IBM stehen Schaufensterpuppen und ein Fahrrad, eine Mülltonne und Spielzeugautos. Außerdem unzählige Notebooks, angeschlossen an große Monitore. Heike Kammerer tippt auf einen der Bildschirme und es öffnet sich eine Karte mit dem Münchner Straßennetz. Manche Straßen sind grün markiert, andere rot.
"Die Polizei München hat uns mit Genehmigung der Stadt historische Unfalldaten zur Verfügung gestellt. Wir wissen auch, welche Tageszeit es war, wie das Wetter war, wie der Verkehr zu diesem Zeitpunkt, als der Unfall passiert ist, war. Und damit können wir ein Modell trainieren. Wir können eine Künstliche Intelligenz drauf ansetzen zu erkennen, wie muss die Kombination verschiedener Einflussfaktoren sein, damit es auf einem bestimmten Streckenabschnitt zu einem Unfall kommt."
Wenn das Programm recht hat, besteht auf den roten Abschnitten in der nächsten Stunde ein höheres Unfallrisiko. Die Künstliche Intelligenz versucht also, mit Hilfe von Daten aus der Vergangenheit die Zukunft vorauszusagen.
"Ich könnte als Polizei zum Beispiel sagen, wenn ich sehe, ich habe eine Ballung von roten Streckenabschnitten, dann könnte ich da ja schon prophylaktisch einen Einsatzwagen hinschicken. Eine andere Idee ist, solche Daten zu benutzen, um als Versicherer meinen Versicherungsnehmern zu sagen: Meidet doch bitte die roten Abschnitte."
Wenn Technik dabei hilft, Unfälle zu verhindern oder schnelle Hilfe zu schicken, würden wohl die allermeisten sagen: Das ist gut.
Und wenn die Technik vorgibt, welcher Weg erlaubt und welcher verboten ist? Wenn sie die Einsatzplanung der Polizei übernimmt?
Was ist dann noch der Mensch?
Was ist der Mensch – dem Maschinen sagen, was er zu tun und zu lassen hat?
"Vielleicht wird man irgendwann sagen, das ist eine Zäsur in der Menschheitsgeschichte gewesen: Mit der Künstlichen Intelligenz lernt Technik das Lernen. Was, wie viele sagen, eigentlich das Erfolgsgeheimnis des Menschen ist, zu lernen aus allem Möglichen. Nun kann die Technik auch lernen. Anders als frühere Technik, haben wir Technik heute in die Lage gebracht, sich selbst weiterzuentwickeln. Das ist wirklich auch etwas Neues."
Armin Grunwald, Physiker, Philosoph und Experte für das Verhältnis von Technik und Mensch.
"Wenn ich allein an die Speicherfähigkeit denke: Auf einem kleinen Chip heute den Inhalt ganzer Bibliotheken speichern zu können. Wir haben uns dran gewöhnt und empfinden das als selbstverständlich, aber das war noch vor 50 Jahren eine Utopie. Die weltweite Kommunikation, der Verkehr mit großen Datenmengen, faktisch ohne Zeitverzögerung, das ist atemberaubend. Ich kann mich noch erinnern, als ich jung war und die ersten Liveschaltungen im Fernsehen eingerichtet wurden, wie wackelig das alles war. Das ist erst 30, 40 Jahre her und trotzdem kommt es einem schon vor wie aus einer vergangenen Zeit."
Grunwald ist Professor für Technikphilosophie am Karlsruher Institut für Technologie und leitet das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.
Die Stimme der Vernunft
Wo Technik-Apologeten in hoher Schlagzahl vermeintliche Quantensprünge bejubeln und Apokalyptiker vom Untergang der Menschheit raunen, verkörpert Armin Grunwald die Stimme der Vernunft. Der 59-Jährige berät Politiker, damit diese angesichts des technologischen Wandels gute Entscheidungen treffen können.
Wie umgehen mit dem Fortschritt in Bereichen wie Künstlicher Intelligenz, Robotik oder Gentechnik?
"Technik hat immer schon zum Menschen gehört. Manche Anthropologen sagen sogar, Menschwerdung in der Geschichte hat auch etwas mit Technikeinsatz und dann später auch mit Technikgestaltung, mit Instrumenten, Werkzeugen und so weiter zu tun. Von daher kann ich mir die Menschheitsgeschichte und auch den Menschen ohne Technik gar nicht vorstellen."
Technik kommt dem Menschen immer näher, durchdringt mehr und mehr Lebensbereiche:
Auf dem Smartphone sehen wir, was Eltern, Kinder, Freunde gerade machen. Stadtplan, Zugfahrkarte, Zeitung – alles auf einem Gerät. Wer etwas sucht, fragt Google, Alexa oder Siri. Einkaufen tun wir im Internet. Und dem Pflegenotstand sollen Roboter abhelfen, die alten Menschen das Essen bringen, sie an Medikamente erinnern oder sich mit ihnen unterhalten.
Worauf läuft das hinaus? Wird die Menschheit erst von Künstlicher Intelligenz gesteuert und irgendwann ganz durch technische Wesen ersetzt?
"Ich glaube, diese Angst, dass wir von Algorithmen beherrscht, regiert, kontrolliert werden, die verdankt sich stark der Welt der Sciencefiction. Dort erleben wir das, in Filmen und Romanen, wie das dauernd passiert. Das ist total spannend, da gibt es so ein paar menschliche Helden, die sich dagegen zur Wehr setzen, und wenn es gut ausgeht am Ende auch gewinnen. In der realen Digitalwelt ist sowas ganz, ganz weit weg oder auch vielleicht gar nicht möglich."
Menschenfreundlicher Weg?
Was ist der Mensch – dem Künstliche Intelligenz das Denken und Entscheiden abnimmt? Der von Robotern mit menschenähnlichen Fähigkeiten umgeben ist? Der seine innersten Geheimnisse globalen Tech-Konzernen wie Amazon und Facebook anvertraut?
Armin Grunwald hat ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: ‚Der unterlegene Mensch‘. Im Vorwort schreibt der Physiker und Philosoph:
"Auch einem Optimisten kann der Gedanke kommen, dass Folgenabschätzung und Ethik, dass Verantwortungsdebatten, engagierte Zivilgesellschaft und kluge Regulierungen möglicherweise nicht ausreichen, um die weitere technische Entwicklung auf einem menschenfreundlichen Weg zu halten."
Nach den Vorstellungen der Entwickler sollen wir mit Robotern zusammenleben, die uns immer ähnlicher werden:
Das Modell ‚Pepper‘ verspricht, wie ein persönlicher Begleiter zu sein. Es ist so groß wie ein Kind, sieht aus wie eine Spielfigur und kann mit den Augen rollen. Pepper wird zurzeit vor allem im Verkauf eingesetzt. Künftig soll er auch im Haushalt helfen oder einsame Menschen unterhalten.
Therapie-Roboter ‚Paro‘ – gedacht für die Altenpflege – sieht aus wie ein Seehund, reagiert wenn man ihn berührt und macht Tiergeräusche.
Der humanoide Haushaltsroboter ‚Armar 3‘ kann Getränke aus dem Kühlschrank holen, den Tisch decken und die Spülmaschine ausräumen.
Armin Grunwald fragt in seinem Buch ‚Der unterlegene Mensch‘:
"Warum nun erscheinen Roboter als Gefährten viele so attraktiv? Ich vermute, dass wir in die Roboter Dinge hineinprojizieren, die wir eigentlich von Menschen erwarten. Roboter (…) sollen Eigenschaften haben, die wir an Menschen besonders schätzen – allerdings oft nicht vorfinden. (…) In der Lücke zwischen unserem Ideal von guter menschlicher Begleitung und der Realität nisten sich die Roboter ein."
Roboter als bessere Menschen: Stets zu Diensten, immer zuvorkommend und gut gelaunt.
Wenn wir davon sprechen, dass ein Roboter handelt, dass er lernt, wenn er auf Gefühle seines Gegenübers reagiert, ist er dann noch ein Objekt, eine Sache?
Armin Grunwald sagt:
"Natürlich kann man einem Roboter beibringen, in bestimmten Situationen zu weinen und dadurch Anteilnahme vorzutäuschen. Der Roboter denkt nicht, der handelt nicht. Diese Empathie ist nur eine programmierte, die ist nicht menschlich. Ich habe schon manchmal Sorgen, dass wir die Unterscheidungsfähigkeit verlieren: Was ist jetzt echt menschlich und was ist einem Roboter bloß anprogrammiert worden, damit er sich gut verkaufen lässt."
Was viele überzeugen dürfte, sich einen Roboter zuzulegen, ist das Versprechen, weniger lästige Arbeit im Haushalt zu haben: Staubsaugen, Fenster putzen, rechtzeitig essen nachbestellen, bevor der Kühlschrank leer ist – all das können Maschinen übernehmen.
Anerkennung und Wertschätzung
In seinem Buch macht sich Technikphilosoph Grunwald Gedanken über das Für und Wider:
"Positiv formuliert, hätten wir einfach mehr freie Zeit, um das Leben zu genießen. (…) Aber was ist, wenn dieses Modell zum Dauerzustand wird, wenn wir immer nur genießen? (…) Vielleicht würden wir uns zu großen zufriedenen Babys entwickeln, rundum gepampert, fett und scheinbar glücklich. Aber es würde das Glück der Arbeit fehlen, die Selbstverwirklichung im Tun, der Sinn des Machens, der Erfolg des Handelns. (…) So gesehen wäre eine derartige Welt gar kein Paradies, sondern Horror."
Was ist der Mensch, der sich mehr und mehr auf die Technik verlässt?
Der in einer fremden Stadt aufs Handy guckt, anstatt jemanden zu fragen, der sich auskennt?
Der Urlaubstipps im Internet sucht, während er früher auf die Expertin im Reisebüro vertraute.
Der im Büro lieber googelt, als den erfahrenen Kollegen anzusprechen.
Der Mensch wird zunehmend durch Algorithmen ersetzt, beobachtet Armin Grunwald:
"Wer von anderen um Rat gefragt wird, dem wird etwas zugetraut. (…) Auf diese Weise sind fast alle Menschen Experten für irgendetwas und erfahren dadurch Anerkennung und Wertschätzung. Mit den digitalen Techniken ändert sich hier etwas fundamental: Der Mensch als Ratgeber wird entwertet."
"Was mir in der digitalen Welt auffällt, vor allem bei diesen Visionären: Die Reden über Menschen in einer bestimmten Weise. Menschen sind nicht so gut geraten, Menschen sind irgendwie schlecht. Und auf der anderen Seite werden Algorithmen auch beschrieben, aber die sind dann fair und objektiv. Und an der Stelle merke ich, wie ein eigentlich positives Menschenbild auf die Technik wandert. Und der Mensch wird demgegenüber zum Defizitwesen gemacht. Wir müssen aufpassen, dass wir diesen Erzählungen nicht kritiklos hinterherlaufen."
Theologie und KI
Was ist der Mensch – von Gott geschaffen nach seinem Bild?
"Wenn Gott uns in Gottes Bild geschaffen hat, und wir schaffen Roboter in unserem Bild, dann könnte es ja sein, dass Gott uns geschaffen hat, um Roboter zu bauen."
Anne Foerst ist Professorin für Theologie und Computerwissenschaften an der US-amerikanischen Sankt Bonaventura Universität. Sie versucht, zwei sehr unterschiedliche Menschenbilder zusammenzubringen: Die von Theologen einerseits und Künstliche-Intelligenz-Forschern andererseits.
"Es wird der Künstlichen Intelligenz, gerade den Forschern, die menschenähnliche Roboter bauen immer wieder vorgeworfen, sie spielen Gott. In der praktischen Forschung ist das überhaupt nicht der Fall. Wenn man sich mal vorstellt, dass es immer noch keinen Roboter gibt, der wirklich intelligenter als eine Ameise ist, dann wird man, wenn man menschenähnliche Roboter baut, sehr, sehr bescheiden. Es ist eher eine spirituelle Wanderung, weil man lernt, wie unendlich komplex die Schöpfung ist und vor allen Dingen, wie unendlich komplex der Mensch ist."
Eine Frage, die Anne Foerst beschäftigt: Was können uns Roboter über die Menschheit und über Gott lehren?
Die evangelische Theologin und KI-Expertin sagt: Indem wir versuchen, Maschinen zu bauen, die agieren wie Menschen, wächst unsere Achtung vor der Natur.
Womöglich erledige sich dadurch das Bild vom Menschen als Krone der Schöpfung. Zurückgehend auf die Antike und das Alte Testament, ist es nach wie vor vielen präsent.
"Wenn man sich die naturwissenschaftliche Entwicklung anguckt, dann war der erste Schlag gegen den Menschen als Krone der Schöpfung die Galileische Wende, wo also erkannt wurde, dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist. Dann kam Darwin, der feststellte, dass wir Primaten sind. Und jetzt haben wir die Künstliche Intelligenz, die das, wo wir immer noch dachten, die Menschen sind besonders, wir haben Verstand, wir haben Vernunft, wir haben Selbstbewusstsein, dass das allmählich von der Künstlichen Intelligenz eingeholt wird. Wenn man sich diese Entwicklung anschaut, ist die Richtung eigentlich ganz klar: Wir sind nicht die Krone der Schöpfung."
Was folgt daraus? Womöglich die Überlegung: Wenn wir Menschen selbst zu unvollkommen sind, um an erster Stelle zu stehen, könnten wir stattdessen eine Spezies entwickeln, die diesen Platz einnimmt.
Der "bessere" Mensch
Auf den Philosophen Friedrich Nietzsche geht die Idee des "Übermenschen" zurück – als Überwindung des bisherigen Menschen.
Die sogenannten Transhumanisten führen diese Überlegung fort: Ihr Ziel ist die Verbesserung des Menschen. Selbst wenn das ein Gedankenspiel ist, eröffnet der technische Fortschritt schon heute neue Möglichkeiten.
Etwa in der Medizin: Wissenschaftler arbeiten an Bein- und Hand-Prothesen, die – verbunden mit dem Nervensystem – möglichst genauso funktionieren sollen wie natürliche Gliedmaßen. Ein anderes Beispiel: Hochtechnische Implantate können Gehörlosen oder Sehbehinderten helfen.
Und humanoide Roboter? Sind sie so etwas wie Nietzsches Übermensch? Der Mensch 2.0, eine verbesserte Version – ohne menschliche Unvollkommenheiten?
"Rein technisch sind wir davon noch weit, weit, weit entfernt. Aber die Frage selbst ist eine ganz aktuelle. Wenn wir Roboter bauen, die ähnlich intelligent sind wie wir, das wäre ja dann die erste intelligente Spezies, mit der wir wirklich kommunizieren können. Dann würde uns das eher bescheiden machen. Weil wir dann sehen, wir sind eben nichts Besonderes."
Anne Foerst arbeitete früher am MIT, dem Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Gemeinsam mit anderen forschte sie an zwei humanoiden Robotern namens Cog und Kismet. An der technischen Elite-Uni galt die Theologie-Professorin als Exotin.
"Ich finde es interessant, wie sich die Rollen vertauscht haben. Früher sprach die Kirche Latein, die Priester waren die einzigen, die lesen konnten, und die hatten die ganze Macht, denn alles was sie taten, wurde eh nicht verstanden. Heute haben die Technologiefirmen die gleiche Rolle. Die machen etwas, was kein Mensch versteht, weil es so kompliziert ist, und sie kontrollieren unser gesamtes Leben. Wir haben dem nichts entgegenzusetzen, und das muss sich ändern."
Zurück im 23. Stock des IBM-Turms in München bei Heike Kammerer, der Expertin für das Internet der Dinge:
"Die Entscheidungen des Menschen werden durch die Unterstützung einer Künstlichen Intelligenz … ähm … besser?"
Am Bildschirm ruft Kammerer eine Karte des Rotterdamer Hafens auf.
Mit 40 Kilometern Länge und zehntausenden Beschäftigten ist er der größte Hafen Europas. Mit dem Ziel, ihn in Sachen Digitalisierung auch zu einem der modernsten Häfen zu machen, kommt ein Team aus Rotterdam alle paar Wochen nach München. Dort arbeitet man gemeinsam am Prototypen für eine Künstliche Intelligenz, die einlaufende Frachter optimal lenken soll.
"Wenn jetzt ein Schiff anfragt, wann und wo es in den Hafen einfahren kann, dann ist die Idee, dass eine Künstliche Intelligenz dem Hafenmeister sagt: Wind ist sehr stark, Sicht ist nicht gut, der Verkehr ist auch sehr hoch. Lass uns doch schauen, ob wir nicht eine optimalere Zeit finden, wo das Risiko geringer ist."
Bei IBM heißt es, Künstliche Intelligenz könne zu besseren Entscheidungen führen. Was aber heißt "besser"?
"Die Maschinen können mehr Daten verarbeiten und auswerten, als es der Mensch kann. Den Schluss, welche Daten gut sind, welche Daten schlecht sind, das kann die Maschine nicht. Weil das beruht auf Ethik, auf Moral. Der Mensch ist auch kreativ, das heißt wir entwickeln vielleicht aus uns heraus neue Dinge, neue Gedanken, die es vorher gar nicht gab. Das kann die Maschine nicht."
Enhancement - im Gentechnik-Labor
Was ist der Mensch – im Gentechnik-Labor verbessert?
"Man kann zum Beispiel Fehler aus der DNA, die für eine bestimmte Erkrankung zuständig sind, herausschneiden. Man kann theoretisch auch an dieselbe Stelle etwas hinzufügen. Letztlich sind den Veränderungen kaum Grenzen gesetzt die man an der DNA vornehmen kann mit dieser Methode."
Die Medizinethikerin Alena Buyx ist eine der der weltweit führenden Expertinnen zum Thema Eingriffe ins menschliche Erbgut.
Für Aufsehen sorgte vor gut einem Jahr die Geburt der chinesischen Zwillinge Lulu und Nana. Der Wissenschaftler He Jiankui hatte nach eigenen Angaben ihr Erbgut mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas so verändert, dass sie sich nicht mit HIV anstecken können.
"Es ist ein ethischer Super-Gau, der der Forschung sicher geschadet hat. Viel zu früh, eigentlich alle forschungsethischen Regeln, die wir haben und mit denen wir Forschung überwachen, gebrochen. Das hat natürlich zu einem großen Vertrauensverlust geführt. Dass die Forscher, die das ganze verantwortlich bearbeiten, sich nun der Frage ausgesetzt sehen, ob sie auch in Hinterzimmern Menschen auf diese Art und Weise verändern."
Wird der Mensch zum Designer seiner Nachkommen?
Alena Buyx ist Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien an der TU München, außerdem Mitglied im Deutschen Ethikrat und im Komitee der Weltgesundheitsorganisation WHO, das sich mit Veränderungen am menschlichen Genom befasst. Sie sagt: Die Zeit drängt, wenn die Menschheit sich Regeln geben will, was künftig erlaubt und was verboten sein soll.
Denn die Genforschung schreitet rasant voran. Obwohl das Tun des chinesischen Forschers He Jiankui weltweit geächtet wurde und öffentlich nicht bekannt ist, wie es den Zwillingen heute geht, stehen weitere Wissenschaftler in den Startlöchern.
Der russische Genetiker Denis Rebrikow will die DNA von Nachkommen gehörloser Paare so verändern, dass die Gehörlosigkeit nicht vererbt wird.
Bei den Eingriffen in die menschliche Keimbahn geht es darum, Erbkrankheiten zu bekämpfen. Zugleich stehen Möglichkeiten im Raum, bestimmte Eigenschaften des Menschen zu beeinflussen – ihn, so sagen die Forscher, zu verbessern.
"Zunächst muss man sagen, dass die Vorstellung, man kann mit einer Genveränderung auf einmal den Super-Athleten schaffen, nicht zutrifft. Das Ganze ist natürlich in den meisten Fällen sehr viel komplizierter, weil man eben nicht nur diese eine Stelle am Gen hat."
Trotzdem hat sich der Deutsche Ethikrat jüngst mit dem so genannten Enhancement befasst, also genetischen Eingriffen mit dem Ziel, den Menschen zu verbessern.
"Da gibt es eine so große Bandbreite an möglichen Veränderungen, von denen einige durchaus sinnvoll erscheinen können. Also beispielsweise die Anpassung bestimmter Fähigkeiten an Veränderungen unserer Lebenswelt, Stichwort Klimawandel. Während andere in Fantastereien dystopischer Art vordringen und sozusagen das dritte Auge und übermenschliche oder gar tierische Fähigkeiten in den Blick nehmen."
Wie wäre es, mittels das Leben eines Menschen zu verlängern, seine Intelligenz zu optimieren oder ein Musikgenie zu erzeugen? Ethikrats-Mitglied Alena Buyx sagt:
"Wir haben ganz klar eine Reihe von Enhancement-Maßnahmen als unethisch sofort ausgeschlossen. Also solche wo man versucht, den Menschen nach einer bestimmten Vorstellung zu formen. Das würde die Selbstbestimmung dieser zukünftigen Menschen in einer in jeder Hinsicht ethisch problematischen Art und Weise einschränken."
Der Ethikrat sieht Eingriffe in die menschliche Keimbahn als kein dauerhaftes Tabu an. Für den Moment allerdings fordert er ein Moratorium, damit niemand klinische Versuche an Menschen unternimmt – und ist sich darin mit einem Großteil der internationalen Wissenschaft einig.
In einem sind sich die Fachleute einig: Der Markt für gen-editierte Kinder ist da. Kommerzielle Reproduktionskliniken könnten damit viel Geld verdienen. Sich weltweit darüber zu einigen, welche Technologien wann als ethisch unbedenklich bewertet werden, gilt als utopisch. Um wenigstens einige international anerkannte rote Linien zu setzen, will die WHO bis Herbst 2020 ethische Grundlagen zum Genome Editing am Menschen vorlegen:
"Ich glaube, dass die ganz überwiegende Zahl derer, die mit diesen Technologien arbeiten, sich an die roten Linien halten werden. Die wenigen schwarzen Schafe müssen wir versuchen zu erwischen. Bis in jede Hinterhofgarage werden wir nicht schauen können. Aber die Linie zu ziehen, hinter der die schwarzen Schafe sich versammeln, das ist schon einmal sehr viel."
Wenn in diesen Tagen die romantisch verklärte Geschichte von Jesu Geburt im Stall erzählt wird, mag das eine Sehnsucht nach Natürlichkeit hervorrufen.
"Der Mensch hat sich immer selbst weiterentwickelt und danach getrachtet, sich zu optimieren. Genauso ließe sich dann fast alle Form der Medizin aus Natürlichkeitsgründen ablehnen. Aber hinter diesen Natürlichkeitsüberlegungen steckt ein Unbehagen mit einer Technisierung bestimmter Bereiche des Menschen und des Lebens, das man ernstnehmen sollte."
Was ist der Mensch? Angesichts der Fortschritte in der Biomedizin ist das keine abstrakte philosophische Frage.
Seit kurzem können Forscher Embryonen-Modelle aus menschlichen Stammzellen bilden, ganz ohne Ei- und Samenzelle. Diese Organismen nennen sie: "Synthetische menschliche Entitäten mit embryo-gleichen Merkmalen".
Künstliche Embryonen
So wollen Wissenschaftler mehr über die allerersten Entwicklungsschritte menschlichen Lebens herausfinden. Noch gelten die künstlichen Embryonen nicht als lebensfähig. Trotzdem fragen Medizinethiker wie Alena Buyx: Sind sie schutzbedürftig?
"Zu welchem Entwicklungspunkt müsste man die Frage stellen, ob wir es hier eventuell mit Wesen zu tun haben, denen ein spezifischer moralischer Status zukommt. Oder gar: Könnten die einmal so embryo-ähnlich werden, dass wir ihnen sogar den Status des menschlichen Embryos zuweisen würden? Dieser ist, das wissen wir, notorisch umstritten und heiß diskutiert. Aber genau diese Fragen werden wir uns angesichts dieser Forschung stellen müssen."
Synthetische Embryonen, humanoide Roboter, Künstliche Intelligenz:
Unkalkulierbares Risiko, Abhängigkeit von Technik, der Mensch als Defizitwesen.
Weniger Krankheiten, bessere Entscheidungen, ein bequemeres Leben.
"Ich glaube, in Politik und Gesellschaft ist angekommen, dass wir uns mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen müssen. Nicht nur damit, was ist möglich. Und das, was möglich ist, immer weitertreiben, sondern auch im Umgang damit."
– "Die Idee, dass Künstliche Intelligenz uns übertreffen wird und wir dadurch unnötig und ersetzbar werden, halte ich theologisch für ausgeschlossen. Wenn überhaupt, wird die Künstliche Intelligenz ein weiterer intelligenter Partner in der Schöpfung werden. Wir werden nie überflüssig, weil wir als Mensch was ganz Besonderes sind." –
"Jede Technik ist dem Menschen überlegen. Da muss man nur an Werkzeuge denken wie zum Beispiel einen Spaten. Wenn Sie Ihren Garten umgraben wollen, dann geht das mit der Technik Spaten viel besser, als wenn Sie Ihre eigene Hand nehmen. Und daraus beziehen wir üblicherweise keine Minderwertigkeitskomplexe. Wir Menschen haben Fähigkeiten, die nach meiner Kenntnis bisher in keiner Weise durch Technik ersetzt oder übertroffen werden können."