Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) ist ein Verteidigungsbündnis, dessen Zweck es ist "Freiheit und Sicherheit ihrer Mitglieder zu garantieren" - mit politischen und militärischen Mitteln. Derzeit hat das Staatenbündnis 32 europäische und nordamerikanische Mitgliedstaaten - jüngstes Mitglied seit März 2024 ist Schweden. Seit 2014 ist der Norweger Jens Stoltenberg Generalsekretär. Im Oktober scheidet er aus dem Amt, derzeit wird über seine Nachfolge beraten.
Gründung zum Schutz vor der Sowjetunion
Gegründet wurde der Nordatlantikpakt 1949 von zwölf Staaten, um sich vor allem vor der Sowjetunion zu schützen. Erst 1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland Mitglied des Bündnisses. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) wurde kurz darauf in den sogenannten Warschauer Pakt aufgenommen, des von der Sowjetunion dominierten osteuropäischen Bündnisses.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion und des Warschauer Paktes 1991 streben die meisten Länder Ostmitteleuropas in die NATO. Nach den Erfahrungen als Vasallenstaaten der Sowjetunion suchten sie Sicherheit vor dem Nachfolgerstaat, der Russischen Föderation. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn der NATO bei, 2004 Bulgarien, Estland, Lettland Litauen, Rumänien, die Slowakei sowie Slowenien. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine sind auch Finnland und Schweden dem Bündnis beigetreten.
Putin, die NATO und die Osterweiterung
1990 haben die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratischen Republik sowie Frankreich, die Sowjetunion, Großbritannien und die USA in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen die deutsche Wiedervereinigung verhandelt. Entgegen der Behauptung des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat es im Rahmen dieser Verhandlungen kein Versprechen der NATO an Russland gegeben, sich nicht nach Osten auszudehnen. Es gibt vereinzelte Äußerungen westlicher Diplomaten in diese Richtung, aber eine solche Zusage stand weder auf einer Verhandlungsagenda noch war sie Gegenstand einer Vereinbarung.
Wann greift die NATO militärisch ein?
Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und vor allem präventiv für Frieden und Sicherheit aktiv. In Artikel 5 des Nordatlantikvertrages ist die Beistandspflicht festgehalten. Wenn ein Mitgliedsland angegriffen wird, verpflichten sich die Verbündeten zur Verteidigung des jeweiligen Bündnispartners. Dieser Bündnisfall muss vom NATO-Rat, das heißt von allen Partnerländern, beschlossen werden. Bisher war dies nur einmal der Fall, nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Infolgedessen begann bereits im Oktober die militärische Intervention "Operation Enduring Freedom" in Afghanistan.
Artikel 5 des Nordatlantikvertrages vom 4. April 1949:
Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten. (...)
Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten. (...)
Die NATO selbst hat zwar einen Apparat in Brüssel, das NATO-Hauptquartier, aber kaum eigene Ressourcen (Ausnahme: Das Awacs-Luftüberwachungssystem). Die Mitgliedsländer stellen für gemeinsame Manöver und Einsätze Truppen und Material zur Verfügung. Es gibt außerdem gemeinsame Standards und Alarmpläne.
Wie hat sich die NATO-Präsenz an der Ostflanke verändert?
2014 hatte Russland mit der Annexion der Krim und mit einem von Russland unterstützten Krieg in der Ostukraine bewiesen, dass es willens und in der Lage war, bestehende Grenzen zu verletzen. Dieses Verhalten untergrub die europäische Friedensordnung nach 1990. Die baltischen Staaten und Polen fühlten sich davon bedroht, zumal Russland entlang deren Grenzen Großmanöver mit 100.000 Soldaten abhielt. Die NATO entschloss sich deshalb, 2016 auf einem Gipfel in Warschau eine Beistandsinitiative einzurichten: die Enhanced Forward Presence.
Vier sogenannte Battlegroups sind infolgedessen in Estland, Lettland, Litauen und Polen stationiert worden. Diese multinationalen Truppen sollten die Ostflanke der Alliierten sichern und die konventionelle Abschreckung gegenüber Russland stärken. Insgesamt war die Größe jedoch mit knapp 5.000 Personen überschaubar. Damit sollte an Russland zum einen Abwehrbereitschaft signalisiert werden, aber auch, dass keine Bedrohung in Form von Angriffskapazitäten der NATO bestehe.
Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 änderte sich die sicherheitspolitische Situation grundlegend. Das NATO-Bündnis verurteilte den Angriff Russlands und unterstützte die verhängten Sanktionen gegenüber Russland. Da die Ukraine aber kein Mitglied der NATO ist, greift das Bündnis nicht militärisch auf ukrainischem Boden ein.
Die NATO löste aber ihre Verteidigungspläne aus und erhöhte den Schutz der Ostflanke massiv. So wurden Teile der NATO Response Force (NRF) verlegt. Diese Eingreiftruppe besteht aus Boden- und Luftstreitkräften, Marineeinheiten sowie Spezialeinheiten mit 50.000 Soldatinnen und Soldaten, von denen Deutschland 13.700 stellt. Die NRF dient dazu, besonders schnell bei Bedarf zur Abwehr akuter Bedrohung einsatzbereit zu sein. Bisher stehen rund 40.000 Soldaten von Estland im Norden bis nach Rumänien am Schwarzen Meer auf Alliiertengebieten in Bereitschaft.
Aufstockung der NATO-Eingreiftruppe beschlossen
Auf dem NATO-Gipfel in Madrid am 29. Juni 2022 beschlossen die damals 30 Mitgliederstaaten neben einem neuen Streitkräftemodell auch eine deutliche Verstärkung der Ostflanke. An der Ostflanke sollen demnach die existierenden multinationalen Gefechtsverbände auf Brigade-Niveau ausgebaut werden.
Derzeit umfasst beispielsweise der Verband in Litauen 1.600 Soldaten. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3.000 bis 5.000 Soldaten.
Deutschland und Litauen haben in einem Abkommen vereinbart, dass die Bundeswehr eine 5.000 Soldaten starke Kampftruppe dauerhaft in Litauen stationieren wird. Die volle Einsatzbereitschaft soll 2027 erreicht sein, bis dahin sollten die Bedingungen dafür durch die litauische Regierung geschaffen sein - auch die Infrastruktur einer Garnisonsstadt für die Familien der Soldaten und Soldatinnen.
Die Verlegung der Truppen erfolgt aufgrund der Unsicherheiten und der fragilen Lage in der Region. Damit würde Litauen zu dem größten Truppenstandort der Bundeswehr im Ausland. Die Bundeswehr ist seit 2017 in Litauen vertreten, derzeit mit etwa 800 Soldaten. Bis zum Ende des Kalten Krieges war die BRD geografisch selbst die Ostflanke. Deutschland betont nun die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten. Die Stationierung in Litauen wird als wichtiges Symbol an der NATO-Ostflanke betrachtet.
Die NATO will zudem künftig mehr Soldaten und Soldatinnen in hoher Einsatzbereitschaft halten. Dafür soll die bisherige schnelle NATO-Eingreiftruppe NRF durch das neue Streitkräftemodell „New Force Model“ NFM ersetzt werden. In diesem Zusammenhang ist geplant, dass die Zahl der Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe von 40.000 auf mehr als 300.000 erhöht werden soll.
Diese Truppen sollen in Friedenszeiten in der Regel unter nationalem Kommando stehen, könnten dann aber im Ernstfall vom Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa angefordert werden. Für die Truppen würden zudem feste Zeiten für die Einsatzbereitschaft vorgegeben. Im Gespräch ist, dass manche Einheiten innerhalb von höchstens zehn Tagen verlegebereit sein müssten, andere in 30 oder 50 Tagen. Die Bundeswehr will in diesem Modell 30.000 Soldaten und 85 Schiffe bereitstellen.
Deutscher Verteidigungsbeitrag innerhalb der NATO
Auf den NATO-Gipfeln in Prag (2002) und in Warschau (2014) legten sich die NATO-Länder offiziell auf die Höhe der Verteidigungshaushalte fest, die bei zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes liegen sollten. Deutschland hat (neben anderen Mitgliedsländern) dieses Ziel in der Vergangenheit nicht erreicht, obwohl der Verteidigungshaushalt in den letzten Jahren gestiegen ist. Weil die Bundeswehr aber in den 20 Jahren zuvor stark geschrumpft ist und keine nennenswerten Investitionen mehr getätigt wurden, ist der Ausrüstungsstand derzeit desolat. Seit Jahren wird die deutsche Haltung, die Lasten der Verteidigung und Abschreckung innerhalb der NATO anderen aufzubürden, von Bündnispartnern kritisiert.
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich diese Haltung maßgeblich geändert. Der Zustand der Bundeswehr soll verbessert werden. Vereinbart wurde ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Nach Beschluss des Bundestages steigen im Jahr 2024 die Verteidigungsausgaben um 1,8 Milliarden Euro auf einen "Rekordansatz" von 51,9 Milliarden Euro, 19,8 Milliarden Euro kommen aus dem Sondervermögen. Mit diesem Ansatz investiert Deutschland 2,1 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Verteidigung und erfüllt damit die entsprechende NATO-Vorgabe.
Marcus Pindur, NATO.int, AP, dpa, cp, jk