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Was molekulare Maschinen wirklich können

Chemie. - Die Nanotechnologie spielt auf dem ersten Europäischen Chemie-Kongress in Budapest eine wichtige Rolle. Molekulare Maschinen oder Miniatur-Roboter, die im menschlichen Körper jede Krankheit heilen oder im Reagenzglas jede gewünschte chemische Substanz aufbauen - so lauteten die sehr enthusiastischen Zukunftsvisionen der ersten Stunde. Auch wenn davon wenig geblieben ist: Was die Nanokonstrukteure auf der Tagung vorstellen, ist immer noch faszinierend genug.

Von Arndt Reuning |
    Eher über die wissenschaftlichen Tatsachen habe er berichtet, weniger über die wissenschaftlichen Fiktionen, die Science-Fiction, sagt Professor David Leigh von der Universität Edinburgh. Was er dann aber zeigt, scheint doch eher mit Zauberei zu tun zu haben. Einen Videofilm, auf dem ein Wassertropfen zu sehen ist, auf einer schiefen Ebene. Plötzlich, wie von Geisterhand gesteuert, setzt sich der Tropfen in Bewegung und fließt - bergauf, der Schwerkraft entgegen.

    "Ausreichend entwickelte Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden." Mit diesem Zitat des Besteller-Autors Arthur C. Clarke ist Leigh dann doch wieder bei Science-Fiction gelandet. Aber dann erklärt er, wie der Trick funktioniert: Auf der schiefen Ebene befindet sich eine hauchdünne Schicht aus molekularen Maschinen, aus Molekülen mit verschiedenen beweglichen Teilen. In diesem Fall handelt es sich um Rotaxane. Die sehen aus wie sehr kurze Vorhangstangen, auf denen nur ein einziger Gardinenring aufgehängt ist. Molekulare Stopper am Anfang und Ende verhindern, dass er herunterfällt. Gleichzeitig können klebrige Stellen an der Stange den Ring entweder am einen oder anderen Ende von ihr festhalten. An welchem er sich befindet, das kann David Leigh von außen steuern:

    "Es hat sich gezeigt, dass wir da sehr viele Möglichkeiten haben. Man kann den Ring mit Lichtstrahlen verschieben oder mit der Temperatur. Mit Hilfe von Säure oder chemischen Reaktionen."

    In diesem Fall ist es ein Lichtstrahl, der den Ring auf der molekularen Vorhangstange bewegt. Dadurch gibt er einen Teil des Moleküls frei, der sich ähnlich wie Teflon verhält, also Wasser abstößt. Die gesamte Schicht verändert sich zu einer teflonartigen Substanz und treibt damit den Wassertropfen bergauf. Diese einfache Form einer molekularen Maschine könnte zum Beispiel in Miniaturreaktoren auf Siliziumchips die Pumpen ersetzen.

    "In unserer Welt gibt es eine Vielzahl von mechanischen Pumpen. Aber auf einem Silizium-Chip funktionieren diese Konstruktionen nicht, denn da hat man mit einer ganz anderen Physik zu tun. Aber wir denken, dass diese smarten Materialien selbst Flüssigkeiten befördern könnten."

    Überhaupt können die Chemiker nicht einfach Maschinen, wie wir sie kennen, auf der Nanoskala nachbauen. Sie müssen sich ganz neue Konzepte einfallen lassen.

    "Der beste Ansatz ist es unserer Meinung nach, die Natur nachzuahmen, ihre Methode, molekulare Maschinen zu bauen. Wir wissen, dass das funktioniert, denn es gibt so viele fantastische biologische Maschinen."

    Wenn wir unsere Muskeln bewegen, wenn Reize entlang der Nervenfasern wandern, bei der Zellteilung, bei der Photosynthese - für all diese Fälle hat die Natur bestimmte molekulare Maschinen entwickelt. Damit vollbringt sie dann auch ähnliche Kunststücke wie David Leigh mit seinem Wassertropfen, welcher der Schwerkraft entgegen wandert. Wenn beispielsweise Pumpen in der Zellmembran bestimmte Salzbestandteile anreichern, entgegen der Tendenz eines Salzes, sich möglichst gleichmäßig in einer Flüssigkeit zu verteilen. Ohne solche Mechanismen gäbe es kein Leben.

    "Im Gegensatz dazu nutzt die Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts die kontrollierte molekulare Bewegung überhaupt nicht. Aber wenn Wissenschaftler lernen, dieses Phänomen zu beherrschen und Maschinen zu bauen, wie die Natur das tut, dann wird das ohne Zweifel die Art und Weise revolutionieren, wie wir Materialien und Moleküle herstellen."

    Aber bis es soweit ist, werden noch viele Wassertropfen den Berg hoch fließen.