Nachwuchsförderung
Deutsche Basketball-Talente zieht es ins Ausland

Junge deutsche Basketball-Talente wandern immer öfter ins Ausland ab. Die Entwicklungsmöglichkeiten in Deutschland sind - anders als in Frankreich - begrenzt. Was macht das französische Erfolgsmodell besser?

Von Lara Zugck |
Jack Kayil im Duell mit Courtney Alexander II von den Nürnberg Falcons.
Basketballer Jack Kayil ist von Rasta Vechta nach Belgrad gewechselt. (picture alliance / Alexander Schlirf)
Alan Ibrahimagic ist U18-Basketball-Bundestrainer, er arbeitet seit 2013 im männlichen Nachwuchsbereich für den Deutschen Basketball Bund. Ibrahimagic ist maßgeblich für den aktuellen Erfolg, wie den U18-Europameisterschaftstitel und dafür, was sich in der Nachwuchsarbeit getan hat, verantwortlich:
„Das Interessante ist, dass wir von der Anzahl der Spieler gar nicht so viel besser sind, als wie wir es vor zehn Jahren waren. Aber Bedingungen innerhalb des Landes sind deutlich besser geworden. Es sind mehr Trainer, es gibt mehr gute Trainer. Und, dass immer mehr Programme angefangen haben, Wert auf Jugendarbeit zu legen und auch zu investieren.“
Trotzdem ist ihm bewusst: „Für den Gesamtbasketball in Deutschland gilt es, auch für die Vereine, dass man einfach immer besser werden muss, was Infrastruktur, was das Umfeld angeht, was die Verbindung zur Schule und was am Ende auch die Verbindung zu den Herrenmannschaften, also zu Profimannschaften angeht. Damit diese Jungs auch hier bleiben.“

Große Klubs in Europa und US-Colleges locken junge Talente

Für junge Spieler sind Angebote von großen Ausbildungsvereinen wie Real Madrid oder der Weg ans College in die USA verlockend. Während beispielsweise im Jahr 2022 noch alle Spieler im U20-Kader in Deutschland aktiv gewesen sind, spielen 2024 fünf davon im Ausland. In der U18-Mannschaft sieht es ähnlich aus. Dort hat im Jahr 2022 nur ein Spieler im Ausland gespielt. 2024 sind es fünf.

Nachwuchsspieler Jack Kayil zog es nach Serbien

Einer davon ist der 18-jährige Jack Kayil. Der hat in seiner Jugend für Alba Berlin gespielt, ist erst dort und dann in Vechta Meister in der Nachwuchs-Bundesliga NBBL geworden und hat parallel in Vechta Pro A gespielt - in der zweiten Basketballbundesliga. Diesen Mai hat er sich für den Schritt nach Belgrad in Serbien entschieden.
„Ja, mega, also der Verein hier in Belgrad ist auf jeden Fall auch dafür bekannt, Spieler auszubilden, um dann noch mal auf das allerhöchste Level in die NBA zu kommen. Und das war auf jeden Fall auch ein Grund, hierher zu kommen“, berichtet Kayil.
Möglichkeiten, die aktuell in Deutschland so nicht zu finden sind: „Ich wollte einen neuen Schritt wagen. So richtig im ganz hohen Profibereich habe ich bis jetzt nicht gespielt und hier habe ich die Chance dazu. Ich wollte das auf jeden Fall probieren. Und einfach ein neues Erlebnis, sag ich mal, erleben.“
Wäre das Angebot da gewesen, wäre er vielleicht geblieben. Unbedingt aus Deutschland weg wollte er nicht. „Weil wieso weggehen von etwas, was gut für dich ist. Und auch wenn man seine Freunde und Familie um sich hat, fühlt man sich, glaube ich trotzdem auch immer noch mal wohler, als wenn man weg ist.“

Französiches System ist erfolgsversprechend

Ein Land, das es schafft, seine Talente zu Hause bis aufs höchste Niveau zu entwickeln, ist Frankreich. Der Erfolg spricht für sich. Alleine 2024 hat die Tricolore vier von sechs möglichen Europameistertiteln im Jugendbereich gewonnen. Auch bei den NBA-Drafts spielen französische Spieler vorne mit. Doch wie funktioniert das französische System?
Neben den Vereinen hat das Land noch einen Basketball-Stützpunkt in Paris. Angesiedelt an das Institut National du Sport, de l'Expertise et de la Performance.
Schon ab der U13 werden Kinder mit Potenzial in regionale Nachwuchsleistungsstützpunkte aufgenommen. Am Ende der U15 erhalten 24 Spielerinnen und Spieler die Chance, sich über drei Jahre hinweg am Pariser INSEP zu entwickeln. Unter genau den gleichen Bedingungen für Mädchen und Jungen. Das bringt große Vorteile, sagt Bernard Faure. Er ist der Leiter des Basketballstützpunktes in Paris.
Basketball U16 Länderspiel Deutschland vs. Frankreich, Trainer Bernard Faure (FRA).
Bernard Faure ist Leiter des Basketballstützpunktes in Paris. (picture alliance / Julia Rahn)
"Es gibt Forscher am INSEP, es gibt Ärzte am INSEP, es gibt Athletiktrainer am INSEP, also eine ganze Reihe von Fachleuten, die uns unterstützen können. Und zusätzlich haben wir am Stützpunkt vor zwei bis drei Jahren jemanden eingestellt, der sich auf Sportdaten spezialisiert, insbesondere auf Trainingsbelastungen. Dadurch haben wir unsere Programme weiterentwickelt, was wir alles umsetzen können. Ich denke wirklich, dass wir an der Spitze des Fortschritts stehen, wenn es darum geht, junge Sportler auf das höchste Niveau zu bringen. Das ist tatsächlich bei den professionellen Klubs noch nicht der Fall, da nicht alle auf die gleiche Weise organisiert sind."

Alles an einem Ort bedeutet auch mehr Zeit für die Schule

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die schulische Ausbildung - angepasst an das jeweilige Lern-Niveau. Auf dem INSEP-Gelände ist alles an einem Ort. So bleibt mehr Zeit für Regeneration, Verletzungsprävention und eben auch für die Schule. Faure berichtet allerdings auch, dass viele der Jugendlichen das System bereits vorzeitig verlassen wollen.
„Heutzutage wird es immer schwieriger, die besten Jungen und Mädchen während dieser drei Jahre zu halten. Viele Spieler und Spielerinnen, viele Familien möchten die Struktur schon vorher verlassen, weil sie der Meinung sind, dass ihre Kinder bereits ausreichend vorbereitet und bereit sind, sich in der Profi-Welt zu behaupten. Derzeit ist es eines unserer Ziele, Leute anzuwerben und sie wirklich drei Jahre lang zu behalten. Denn wenn sie mit 18 Jahren unsere Einrichtung verlassen, sind nur wenige Spieler und Spielerinnen schon in der Lage, auf höchstem französischem oder sogar europäischem Niveau mitzuhalten.“
Stützpunktleiter Faure sieht im französischen Konzept und der Möglichkeit, zwischen zwei Optionen im Land zu wählen, eine große Stärke. Denn auch in den französischen Vereinen schaffen es junge Spieler, sich auf ein Topniveau zu entwickeln. Wieso orientiert sich Deutschland nicht daran?

Ibrahimagic: Zentralisierung ist der falsche Weg

Jugendbundestrainer Ibrahimagic ist der Meinung, dass die Zentralisierung von Spitzentalenten der falsche Weg in Deutschland ist. Junge Spieler sollten aus seiner Sicht frühzeitig um Spielzeit in ihren Vereinen mit den Profis kämpfen. Anders die, die noch nicht so weit entwickelt sind.
„Ich glaube, dass die Jungs aus der zweiten oder dritten Reihe, dass da noch genügend Potenzial da ist. Die vielleicht nicht in super Situationen sind und nicht super betreut werden und nicht in diesen Top-Klubs stattfinden, wo sie sich maximal entwickeln können. Dass es da schon interessant wäre, denen zu versuchen etwas anzubieten, wo man zusammen ist, unter dem Verbandsdach sozusagen.“

Struktur im deutschen Frauenbasketball deutlich schlechter

Und ganz besonders im Mädchenbasketball wäre ein solches Konzept aus Ibrahimagics Sicht eine große Chance. Denn die Strukturen im deutschen Frauenbasketball sind deutlich schlechter als bei den Männern.
„Also da wäre es, glaube ich, jetzt mit meinen bescheidenen Kenntnissen in dem Bereich extrem sinnvoll, wenn man das zentralisieren könnte. Weil einfach die Strukturen es nicht hergeben, dass die Vereine so gut oder so viel in die Spielerausbildung reinstecken, wie es nötig wäre, um mit den Besten mitzuhalten.“
Klar ist: Der Wettlauf um die besten Talente wird auf der ganzen Welt immer härter.