Immer mehr Übergriffe
Wie man Antisemitismus im Sport bekämpfen kann

Vermehrt ist es am Rande von Sportveranstaltungen zu antisemitischen Ausschreitungen gekommen. Wie man Antisemitismus im Sport entgegnen kann, haben Ögür Özvatan vom Berliner Fußballverband und Berater Tal Zamstein im Dlf-Sportgespräch ergründet.

Ögür Özvatan und Tal Zamstein im Gespräch mit Thomas Wheeler |
Spielerinnen der TSG 1899 Hoffenheim und Spielerinnen vom SV Werder Bremen mit einem Spruchband mit der Aufschrift: Nie wieder. Kein Platz für Antisemitismus
Spielerinnen der TSG Hoffenheim und von Werder Bremen halten ein Banner gegen Antisemitismus. (IMAGO / foto2press / IMAGO / Oliver Zimmermann)
Gleich mehrfach ist es in den vergangenen Wochen am Rande von Sportveranstaltungen zu antisemitischen Ausschreitungen gekommen. In Amsterdam haben Täter Jagd auf Fans der israelischen Mannschaft Maccabi Tel Aviv gemacht. In Frankreich kam es während des Nations-League-Spiels zwischen der französischen Fußball-Nationalmannschaft und Israel während des Spiels zu einer Schlägerei.
"Ich hatte Bekannte in Amsterdam. Das war sehr besorgniserregend", sagte Tal Zamstein, selbstständiger Berater für digitale Unternehmen und Fußballfan, im Deutschlandfunk-Sportgespräch. Gewalt im Zusammenhang mit Fußball sei jedoch nicht der Hintergrund der Ausschreitungen gewesen, meinte er. "Wir hatten da ein sehr unschönes Benehmen der Fans von Maccabi Tel Aviv, das für mich nicht akzeptabel ist. Aber das war eine Aktion, die komplett organisiert war. Schon Monate vor diesem Spiel, als man wusste, da kommen Fans aus Tel Aviv nach Amsterdam, hat man Gruppierungen organisiert. Es ging nicht um irgendwas, was Maccabi Tel Aviv anging, sondern es ging ganz spezifisch auf das Thema Konflikt im Nahen Osten und wir müssen hier rächen, was da passiert."

Probleme vor allem in der Prävention

"Wir haben im Spitzensport im Fanbereich ein enormes Problem mit männlicher Gewalt", sagte Ögür Özvatan, Vizepräsident des Berliner Fußballverbandes und Abteilungsleiter des Instituts für Migrationsforschung an der Humboldt-Universität. Er sieht Probleme vor allem in der Prävention: "Wir sind immer danach sehr laut mit 'das hätte nicht passieren dürfen.' Aber wenn es darum geht, vorher präventiv zu arbeiten und in diese Sphären hinein zugehen, sind es ganz wenige. Da sehe ich wenige unter sich, auch zu wenig Ressourcen. Das ist der Bereich, wo wir ansetzen müssen."
Zamstein stellte klar: "In Amsterdam oder Paris waren in beiden Fällen israelische Sportfans auf der einen Seite. Die, die angegriffen haben, waren keine Fußballfans."
Seit dem 7. Oktober und dem Angriff der Hamas auf Israel stünden die Spiele von Makkabi Berlin unter Polizeischutz, sagte Özvatan. "Gleichzeitig ist es viel wichtiger genau dort zu investieren, wo Konflikte entstehen, wo Hassbilder entstehen, wo Antisemitismus und Rassismus entsteht."

Diskriminierungs-Bewusstsein bei Trainer:innen stärken

Hier komme es in der Vereinsarbeit auch auf Trainerinnen und Trainer an. "Das sind Vertrauenspersonen, von denen sich Spielerinnen und Spieler auch etwas sagen lassen. Und diese Autorität so zu schulen, dass sie ein Diskriminierungs-Bewusstein haben, dass sie ein Antisemitismus-Bewusstsein haben und dann eben diese Konflikte auch moderieren, bevor sie dann im Spiel eskalieren. Fußball kann sehr viel gesellschaftliches Konfliktpotenzial abfedern, aber er kann auch sehr viel verstärken, weil es ums Gewinnen und Verlieren geht."
Gerade da komme es auf den Ressourcen-Einsatz an: "Das ist das allergrößte Thema, weil wir können nicht immer Dinge fordern, ohne Ressourcen bereitzustellen. Gerade was den Nahost-Konflikt angeht, müssen wir Ressourcen einsetzen, damit wir das vor der Eskalation, vor dem Polizeischutz moderiert bekommen."

Nachholbedard beim Thema Bildung im Jugendfußball

Auch Zamstein sieht gerade im Jugendfußball Nachholbedarf beim Thema Bildung. "Die Werte, mit denen wir unsere Kinder großziehen wollen, werden auf dem Fußballfeld manchmal vergessen", sagte er. "Der Sport hat, bevor man in den Profibereich kommt, andere wichtige Komponenten wie das Verbinden und nicht das Trennen von Gesellschaften. Und das ist die große Herausforderung. Wir müssen es schaffen, dass kein Kind mehr solche Aussagen wie 'scheiß Jude' oder 'Affe' in den Mund nimmt. Da muss eine harte Kante sein und keine Duldung." Hier würden aber die Konzepte fehlen, meinte er.
Im Jugendfußball sei das Problem jedoch nicht immer auf dem Platz, sagte Özvatan, "sondern diejenigen, die außerhalb des Platzes stehen, die Eltern. Unsere Jugendtrainer:innen sind manchmal überfordert mit den zu lauten Eltern, die sich zu sehr einmischen und auch den gewaltvoll sprechenden Eltern. Das ist eine große Herausforderung. Da müssen wir besser werden."
Eltern, die laut werden, wenn es um sportlichen Erfolg geht, sollten auch laut werden, wenn andere sich antisemitisch oder rassistisch äußern, forderte Özvatan. "Bei diesen Themen sollen sie laut sein und sollten klare Kante zeigen und sich dann auch mit diesen Personen streiten, die so etwas reinrufen."