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Was tut Mr. President?

Trotz der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko ist es US-Präsidenten Barack Obama noch nicht gelungen, seine Landsleute auf einen klimafreundlicheren Kurs einzuschwören. Im Gegenteil: Obama wirkte durch das Desaster eher gelähmt.

Von Silke Hasselmann |
    Am 20. April 2010 explodierte die Bohrinsel Deepwater Horizon. Schon kurz danach gab Präsident Obama ein kurzes Statement vor dem Weißen Haus. Doch erst über einen Monat später, am 27. Mai, gestattete er der Presse, Fragen zum Regierungshandeln im Golf von Mexico zu stellen. Es war höchste Zeit, denn die Amerikaner waren stinksauer auf BP, doch es wuchs auch die Unzufriedenheit mit dem Präsidenten. Denn das Öl floss und floss. Also erklärte Barack Obama:

    "Wer glaubt, wir wären langsam in unserer Reaktion oder es mangele uns an Gespür für die Dringlichkeit, kennt die Fakten nicht. Dies ist von höchster Priorität für meine Regierung, seit die Krise aufgetreten ist."

    Doch so leicht kam der Präsident nicht davon. Ein Reporter hielt ihm entgegen:

    "Mr. President, Sie sagen, aus Regierungssicht sei alles getan worden, was möglich war. Wie können Sie so etwas sagen, wenn doch viele Anwohner, Industrieexperten und Offizielle in der Region sagen, das sei nicht wahr? Die Regierung lehne zum Beispiel viele Vorschläge ab?"

    Darauf Obama: "Lassen Sie mich unterscheiden. Wenn Sie fragen, ob wir alles perfekt gemacht haben: natürlich nicht. Wenn Sie fragen, ob wir die beste Option gewählt haben, aufgrund der jeweils zur Verfügung stehenden Daten und Experten, dann lautet meine Antwort: ja."

    Obama verteidigte damit nicht nur die Küstenwache und den von ihm ernannten Chefkrisenmanager, Admiral Thad Allen, der sich vielen Vorwürfen ausgesetzt sah, er höre nicht auf die Leute am Ort des Geschehens. Er hatte bis dahin auch seinen Innenminister Salazar angewiesen, die nach wie vor korrupte Genehmigungs- und Kontrollbehörde MMS umzukrempeln. Und doch: Es sollte bis Mitte Juli dauern, ehe BP das Leck mit einer provisorischen Kappe schließen konnte. In der Zwischenzeit sank das Vertrauen der Amerikaner in Obamas Krisenmanagement weiter. Seit Wochen geben weniger als Hälfte der befragten Bürger an, sie seine bei der Ölbekämpfung zufrieden mit ihm.

    Dabei erwartet niemand wirklich, dass der Präsident das Öl durch wundersames Handauflegen zu Stoppen bringt. Vielmehr wissen die meisten, dass die Regierung gar nicht über Mittel und Wissen verfügt, um das Leck in 1500 Meter Meerestiefe zu schließen. Doch so mancher vermutete ein zu kuscheliges Verhältnis zwischen dem Weißen Haus und der BP-Führung. Mit einigem Recht, schließlich haben viele amerikanische Pensionsfonds Abermilliarden in BP-Aktien angelegt, und darauf muss ein Präsident auch achten. Dennoch wurde Obama zunehmen kritisiert, weil er ewig nicht den BP-Vorstandschef heranzitiert hatte. Stattdessen ließ er die unsägliche Mediendebatte wabern, die Anfang Juni nur eine Frage kannte: Müsste der Präsident nicht mehr Gefühl zeigen, vor allem seinen Ärger auf BP? Er wisse, "in wessen Arsch er treten" müsse, gab Obama schließlich in einem ABC-Interview zum Besten. Ein kläglicher Ausflugsversuch ins Ordinäre - ohne Popularitätsplus. Denn das Öl floss und floss.

    Immerhin: Eine Entscheidung, die er zur großen Enttäuschung vieler seiner Wähler kurz vor der Explosion getroffen hatte, kassierte der Präsident sehr rasch: um Amerika unabhängig von ausländischem Öl zu machen, verfolge er eine Politik des heimischen Energiemix und gestatte erstmals auch das Bohren nach Öl vor bislang geschützten US-Küsten wie Alaska und an neuen Standorten im Golf von Mexiko. Dagegen protestierte am 11. Mai vor dem Weißen Haus auch Kirsten Cunnings von der Organisation Cheasapeak Wildlife:

    "Wir vertreten den Staat Virginia, dem als erstem Ostküstenstaat das off-Shore-Bohren gestattet wurde. Wir wollen Windmühlen statt einer Ölpest und hoffen, dass Präsident Obama und der Gouverneur die Botschaft verstehen - nun, nach dem Weckruf im Golf von Mexiko."

    Obama hatte verstanden und schon kurz darauf ein sechsmonatiges Moratorium über die neuen Tiefseeprojekte verhängt. Doch bald stieg der Druck aus den betroffenen Küstenstaaten, vor allem Louisiana: als wären ihre Fischer und Hoteliers nicht schon gestraft genug, würden nun auch noch zahlreiche Ölarbeiter ihres Jobs beraubt! Zwei Gerichte in New Orleans haben den Regierungsbann aufgehoben.

    Doch am 16. Juni gab es einen Erfolg: BP habe ihm zugesagt, einen Entschädigungsfonds mit 20 Milliarden Dollar zu befüllen und daraus die Ansprüche der betroffenen Küstenanwohner zu befriedigen.

    Mit den guten öffentlichen Kritiken im Rücken wollte er nun sein Volk von der Dringlichkeit einer modernen Energiepolitik überzeugen. In einer Rede an die Nation erklärte er, warum sich Amerika endlich aus Ölabhängigkeit befreien müsse. Nun war die Einschränkung "ausländisch" nicht mehr zu hören –entsprechend alarmiert waren die amerikanischen Ölmultis.

    Gemeinsam mit der Kohlelobby erhöhten sie den Druck auf die Kongressmitglieder in Washington, was nicht schwer ist: drei Viertel der 600 Öl- und Gaslobbyisten haben zuvor auf der anderen Seite gewirkt: als Senator, Abgeordneter oder Kongressmitarbeiter. Und siehe: vorige Woche trugen die demokratischen Mehrheitsführer einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu Grabe.

    Es wird nun für Präsident Obama nicht leichter: schon ist nach dem Sturm vom Wochenende kaum noch Öl an der Meeresoberfläche zu sehen. Und wenn die Quelle demnächst permanent versiegelt werden kann, gilt vermutlich erst recht: aus den Augen, aus dem Sinn.

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