Arzt, Islamkritiker und Musk-Fan
Was über den Tatverdächtigen von Magdeburg bekannt ist

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg mit fünf Toten und 200 Verletzten werden immer mehr Details über den Fahrer bekannt, der sein Auto in eine Menschenmenge gesteuert haben soll. Der 50-jährige Arzt präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islam. Die Behörden in seinem Heimatland Saudi-Arabien hatten nach eigener Aussage wiederholt vor ihm gewarnt.

    Das Standbild aus einem Video zeigt Polizisten bei der Festnahme des tatverdächtigen Fahrers am Weihnachtsmarkt in Magdeburg.
    Was ist über Taleb A. bekannt, dem fünffacher Mord und 200-fache gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird? (picture alliance / dpa / TNN / Privat)
    Taleb A. kam nach Angaben von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff bereits 2006 nach Deutschland. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur stellte der Arzt im Februar 2016 einen Asylantrag, über den im Juli desselben Jahres entschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter. Zuletzt lebte er in Bernburg, einer kleinen Stadt knapp 50 Kilometer entfernt von Magdeburg. Er arbeitete dort in einer Klinik mit suchtkranken Straftätern. Seit Ende Oktober 2024 war er urlaubs- und krankheitsbedingt nicht mehr im Dienst, teilte sein Arbeitgeber mit.

    Tatverdächtiger war polizeibekannt

    Der mutmaßliche Angreifer war der Polizei bereits bekannt. Wegen des Missbrauchs des Notrufs sollte er Medienberichten zufolge am Tag vor der Tat vor dem Amtsgericht in Berlin-Tiergarten erscheinen, war dort aber nicht aufgetaucht. Vor einem Jahr sei zudem versucht worden, eine Gefährderansprache durchzuführen, sagte der Direktor der Polizei Magdeburg, Langhans, auf einer Pressekonferenz am Nachmittag. Warum diese Ansprache scheiterte, ist nicht bekannt.
    Im Internet war der 50-Jährige immer wieder durch Gewaltandrohungen aufgefallen. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel verurteilte ihn das Amtsgericht Rostock schon 2013 zu einer Strafe von 90 Tagessätzen. Grund war demnach die "Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten". In sozialen Netzwerken schrieb er, er wolle an Deutschen Rache üben und wünschte etwa der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel den Tod. Er hielt Behörden unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Innenministerin Faeser erklärte, der Täter habe eine "offensichtlich islamophobe" Einstellung.

    Talib A. verbreitete Verschwörungserzählungen im Internet

    Erst vor rund zehn Tagen veröffentlichte die amerikanische Plattform "RAIR", die sich selbst als antimuslimische Organisation beschreibt, ein mehr als 45 Minuten langes Interview mit dem Arzt. Darin wirft er unter anderem der deutschen Polizei vor, "geheime Operationen" durchzuführen und das Leben von saudischen Asylsuchenden, die sich vom Islam losgesagt hätten, gezielt zu zerstören. Zudem äußerte er sich als Fan von X-Inhaber Elon Musk und der AfD, die nach seiner Aussage die gleichen Ziele wie er verfolge. Die AfD betonte, der mutmaßliche Angreifer sei kein Parteimitglied gewesen.
    Jahre zuvor zeigte er sich in der Öffentlichkeit gemäßigter. In den sozialen Netzwerken erklärte der Arzt, er sei Aktivist für die Belange vor allem von Frauen aus Saudi-Arabien. Im sozialen Netzwerk X folgten etwa 40.000 Menschen dem Account, der ihm zugeordnet wird. Außerdem gab er zahlreichen deutschen und internationalen Medien Interviews über seine Arbeit als Oppositioneller zum saudischen Königreich.

    Saudi-Arabien warnte Deutschland offenbar mehrfach

    Saudi-Arabien soll deutsche Sicherheitsbehörden mehrfach vor dem mutmaßlichen Täter von Magdeburg gewarnt haben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gab es vor rund einem Jahr den letzten Warnhinweis aus Riad. Saudi-Arabien habe zudem die Auslieferung des Mannes beantragt. Deutschland habe darauf nicht reagiert.
    Den Sicherheitskreisen zufolge stammte der mutmaßliche Täter aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens und war Schiit. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte von Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land. 

    Tatverdächtiger war unzufrieden über Umgang mit Flüchtlingen aus Saudi-Arabien

    Der Tatverdächtige habe sich im Polizeigewahrsam zum Tatmotiv geäußert, hieß es von der Staatsanwaltschaft Magdeburg. Er sei unzufrieden damit gewesen, wie in Deutschland mit Flüchtlingen aus Saudi-Arabien umgegangen werde. Es brauche jedoch noch Zeit für genaue Ermittlungen zum Motiv, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
    Laut Ermittlerkreisen soll zudem ein Drogentest nach der Festnahme des Mannes positiv ausgefallen sein, berichtet die Bild-Zeitung.

    Weiterführende Informationen

    Zahl der Todesopfer auf fünf gestiegen - Bundeskanzler Scholz ruft zu
    Zusammenhalt auf
    Entsetzen nach Anschlag in Magdeburg (Audio-Beitrag)
    Diese Nachricht wurde am 22.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.