Nach Wahl im Iran
Was vom künftigen Präsidenten Peseschkian zu erwarten ist

Im Iran hat der reformorientierte Kandidat Peseschkian die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. Peseschkian erreichte laut Innenministerium rund 54 Prozent der Stimmen, sein ultrakonservativer Herausforderer Dschalili knapp zehn Prozentpunkte weniger. Hier ein Überblick darüber, wofür Peseschkian steht und warum ein politischer Wandel im Iran unwahrscheinlich ist.

06.07.2024
    Massud Peseschkian steht lächelnd und winkend auf einer Wahlkampfveranstaltung.
    Eher moderat: Massud Peseschkian hat sich in der Stichwahl um das Präsidentenamt im Iran durchgesetzt. (IMAGO / Xinhua / Shadati)
    Nach seinem Wahlsieg kündigte Peseschkian einen versöhnlichen Politikkurs an. In einer ersten Ansprache sagte er, man werde allen die Hand zur Freundschaft reichen, auch Konkurrenten seien Brüder. Die Bevölkerung bat er um Unterstützung. Vor dem Land liege ein schwerer Weg, betonte der 69-Jährige. Staatsoberhaupt Chamenei gratulierte Peseschkian und rief ebenfalls dazu auf, dass politische Rivalität im Wahlkampf nun in Freundschaft umgewandelt werden solle. Weitere Glückwünsche an den designierten Präsidenten kamen aus Russland, Saudi-Arabien und Kuwait.

    Peseschkian im Wahlkampf mit Reformversprechen

    Der ehemalige Gesundheitsminister und Herzchirurg Peseschkian hatte im Wahlkampf unter anderem Lockerungen der Internetzensur und der Kontrolle der Kopftuchpflicht für Frauen in Aussicht gestellt. Er forderte eine Annäherung an den Westen, beispielsweise durch direkte Gespräche mit den USA, um Sanktionen abzubauen und ausländische Investitionen in den Iran zu fördern.
    Zugleich schwor Peseschkian dem iranischen Regime seine Treue. Er lobte auch den Angriff mit Drohnen und Raketen auf Israel. In TV-Debatten bezeichnete er sich selbst als wertkonservativen Politiker, der jedoch Reformen für notwendig hält.

    "Peseschkian ist kein Zeichen der Öffnung"

    Die Politologin Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagte im Deutschlandfunk, Peseschkian sei kein Zeichen einer Öffnung. Die Chancen für gesellschaftspolitische Reformen seien sehr gering. Der innenpolitische Handlungsspielraum des Präsidenten sei eng abgesteckt, da der Oberste Führer Chamenei viel Macht vereinnahme. Zudem würden die Hardliner im Land alles daran setzen, zu verhindern, dass Peseschkian als Reformer beispielsweise Annäherungen mit dem Westen erreiche und politische Erfolge feiere, so Zamirirad.
    Auch DLF-Korrespondent Uwe Lueb erklärt, Peseschkian werde viele seiner Versprechungen wahrscheinlich nicht durchsetzen können. Er sei letztendlich nur ein ausführendes Organ von Chamenei, in vielen Punkten seien ihm die Hände gebunden.

    Viele Iraner boykottierten Wahl

    Rund 61 Millionen Menschen waren am Freitag dazu aufgerufen, zwischen Peseschkian und Dschalili zu wählen. Die vorgezogene Wahl war nach dem Tod von Amtsinhaber Raisi angesetzt worden, der im Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Die Wahllokale waren nach mehrmaliger Verlängerung durch das Innenministerium noch bis in die späten Abendstunden geöffnet.
    Die Wahlbeteiligung lag den Angaben zufolge bei knapp 50 Prozent. Bei der ersten Runde am 28. Juni war mit 40 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung seit der islamischen Revolution von 1979 verzeichnet worden. Darin spiegelt sich die große Enttäuschung vor allem der jungen Generation, die den Glauben an große innenpolitische Veränderungen verloren hat. Der Tod der jungen Kurdin Jina Masa Amini im Herbst 2022 hatte landesweite Proteste gegen das islamische Herrschaftssystem entfacht.
    Diese Nachricht wurde am 06.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.