Nahost
Was zur Einigung zwischen Israel und der Hamas bekannt ist

Israel und die Terrorgruppe Hamas haben sich auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung israelischer Geiseln geeinigt. Nach Angaben aus Katar soll sie zunächst 42 Tage dauern. In dieser Zeit sollen 33 Geiseln aus der Gewalt der Hamas freigelassen werden. Im Gegenzug sollen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen.

    Menschen verfolgen die Live-Übertragung einer Pressekonferenz des katarischen Premierministers al Thani in Chan Yunis im südlichen Gazastreifen.
    Pressekonferenz des katarischen Premierministers al Thani (AFP / BASHAR TALEB)
    Eine konkrete Zahl wurde zunächst nicht genannt. Katar hatte gemeinsam mit Ägypten und den USA in dem Konflikt vermittelt. Die drei Staaten werden nach Angaben al Thanis die Waffenruhe im Gazastreifen auch überwachen.

    Details zum Rückzug der israelischen Armee noch unklar

    Israels Ministerpräsident Netanjahu erklärte allerdings, es müssten noch einige Details geklärt werden. Medienberichten zufolge betreffen sie vor allem den Rückzug der israelischen Armee aus Gebieten im Gazastreifen.
    Demnach soll es Israel erlaubt sein, zumindest während der ersten Phase der Waffenruhe eine "Pufferzone" im Gazastreifen aufrechtzuerhalten und ihre Armee weiter dort zu stationieren, um die Sicherheit der israelischen Grenzorte zu gewährleisten. Allerdings werde es der palästinensischen Bevölkerung erlaubt sein, sich zwischen dem Norden und dem Süden des Gebiets zu bewegen, berichtete die israelische Zeitung "Haaretz".

    Zweite Verhandlungsphase nach 16 Tagen

    Weiter wird berichtet, dass zunächst Kinder und Frauen aus der Gewalt der Hamas und ihrer Verbündeten freikommen sollen. Wie die "Times of Israel" schreibt, sollen am 16. Tag nach Inkrafttreten des Abkommens Verhandlungen über eine zweite Phase beginnen. In dieser könnten verschleppte Soldaten und Männer im wehrfähigen Alter sowie die Leichen der toten Geiseln freigegeben werden. Zudem könnte der Abzug der israelischen Truppen beginnen, bevor in der dritten und letzten Phase des Abkommens der Krieg endgültig beendet werden soll.
    Israel hatte betont, Gaza nicht zu verlassen, bis alle Geiseln zu Hause seien. Ziel sei, alle 98 Geiseln zurückzuholen. Allerdings ist unklar, wie viele von ihnen noch am Leben sind. Unter den Verschleppten sind Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter auch Deutsche.

    Hamas will Freilassung von 1.000 Palästinensern

    Aus dem Umfeld der Hamas hieß es in den vergangenen Tagen, dass im Austausch für die 33 israelischen Geiseln rund 1.000 palästinensische Gefangene freigelassen werden sollten, darunter auch Menschen, die langjährige Haftstrafen verbüßten. Ein israelischer Regierungsvertreter erklärte dagegen, "mehrere hundert Terroristen" würden freigelassen. Er könne jedoch keine genauen Zahlen nennen, da dies davon abhänge, wie viele von den 33 Geiseln noch am Leben seien. Israel würde zudem den Vertriebenen im Süden des Gazastreifens erlauben, in den Norden zurückzukehren, allerdings nur zu Fuß über die Küstenstraße, hieß es.

    Israels Regierung vor Belastungsprobe

    Eine Vereinbarung müsste vom israelischen Sicherheitskabinett und der gesamten Regierung gebilligt werden. Präsident Herzog rief die Regierung auf, zuzustimmen. Die rechtsextremen Minister in Netanjahus Kabinett kritisieren das mögliche Abkommen allerdings scharf. "Der Deal ist wirklich katastrophal", sagte Sicherheitsminister Ben-Gvir, der mit seinem Rücktritt drohte. Finanzminister Smotrich hatte zuletzt jegliche Vereinbarung mit der Hamas als "Kapitulationsabkommen" bezeichnet. Dagegen sagte Außenminister Saar bei einem Besuch in Rom, er glaube, dass eine Mehrheit in der Regierung das Abkommen unterstützen werde, wenn es einen Geiseldeal gebe.

    Internationale Erleichterung über Einigung zwischen Israel und Hamas

    Der scheidende amerikanische Präsident Biden erklärte, es sei höchste Zeit, dass die Kämpfe endeten und die Arbeit für Frieden und Sicherheit beginne. Biden betonte, die Einigung sei aufgrund der hartnäckigen und gewissenhaften Arbeit der US-Diplomatie zustande gekommen. Sein Nachfolger Trump reklamierte das Abkommen hingegen als seinen Erfolg.
    Bundeskanzler Scholz sieht darin die Chance für ein dauerhaftes Kriegsende und die Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen. UNO-Generalsekretär Guterres nannte die erwartete Übereinkunft ermutigend. Der türkische Außenminister Fidan sprach von einem wichtigen Schritt für die regionale Stabilität.

    Schwierige Fragen noch offen

    Weitere schwierige Frage wären nach einem Abkommen zu klären: Andreas Reinicke, ehemaliger EU-Sonderbeauftragter für den Friedensprozess im Nahen Osten und heute Direktor des Orient-Instituts, sagte im Deutschlandfunk, die politischen Entscheidungen stünden auf beiden Seiten noch bevor. Dabei gehe es darum, wer künftig den Gazastreifen kontrolliert und ob eine Zwei-Staaten-Lösung befürwortet wird. Eine Waffenruhe könne aber der Einstieg sein auch zur Klärung von Territorialfragen, sagte Reinicke.

    Auslöser des Kriegs war Angriff der Hamas

    Ausgelöst wurde der Krieg im Gazastreifen durch den beispiellosen Terrorangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1.210 Menschen getötet und 251 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 98 Geiseln sollen sich nach wie vor im Gazastreifen befinden, 34 von ihnen sind laut der israelischen Armee bereits tot.
    Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 46.600 Menschen getötet.
    Diese Nachricht wurde am 15.01.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.