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Wasser als Spekulationsobjekt

Neue Produkte vom Auf und Ab der Finanzmärkte abhängig zu machen - diese Idee ist in Zeiten von Bank- und Börsenkrise alles andere als attraktiv. Da kommt der Rohstoff Wasser gerade recht: nutzbares Süßwasser ist in vielen Regionen knapp - das macht es für die Märkte attraktiv.

Von Beatrice Uerlings | 01.10.2008
    Kinder toben in den Wellen, die Touristen stehen Schlange für eine Bootsfahrt. Nichts scheint die Urlaubsfreuden zu trüben, hier am Lake Michigan, dem größten Süßwassersee der Vereinigten Staaten. Doch das ist nur Schein. Laut Professor Mark Shannon, der etwas weiter an der University of Chicago unterrichtet, besteht im Mittleren Westen ein ernsthaftes Wasserproblem. Der Nachbar Kanada verbrauche Unmengen des kostbaren Nasses, um die sogenannten Ölsande nutzbar zu machen, und:

    "Auch die Biospritgewinnung stellt einen enormen Bedarf. Unsere Farmer in der Prärie bauen immer mehr Weizen und Mais an, um die Nachfrage nach Ethanol zu sättigen: Die Herstellung von nur einem Liter Biosprit verschlingt 4.560 Liter Wasser!"

    Die Hochfinanz wittert in diesen Szenarien einträgliche Geschäfte. Da das Wasser immer knapper wird, schmiedet die Warenbörse in Chicago jetzt Pläne, es über Futures zu verteilen. Futures sind verbindliche Börsenverträge, die für die Zukunft abgeschlossen werden. Zwei Parteien verpflichten sich dabei, eine Warenmenge zu einem vorher bestimmten Datum zu kaufen oder verkaufen. Die Preise werden vorab festgelegt. Bei Getreide sind Future-Geschäfte gang und gäbe: Den Bauern bieten sie garantierte Abnehmer für ihre Ernte, noch bevor das Saatgut überhaupt auf den Feldern ist. Die Käufer sichern sich so gegen steigende Preise ab. Um Wasser handelbar zu machen, muss allerdings erst einmal die Rechtslage geklärt sein. Darf man es überhaupt privatisieren? Wem gehört es? Als Vorbild dient den Amerikanern Australien, wo Landwirte über die Wasserquellen auf ihrem Eigentum verfügen können und wo bereits ein begrenzter Markt für Wasserrechte besteht, sagt Lester Brown, Gründer des Earth Policy Institute in Washington.

    "Es ist das alte Spiel von Angebot und Nachfrage: Die australischen Bauern haben immer wieder mit schweren Dürren zu kämpfen. Deshalb handeln sie untereinander jedes Jahr bis zu einem Drittel der Bewässerungs-Vorräte, die sie in den eigenen Feldern entweder vorfinden oder vermissen. Die Preise variieren zwischen 100 und 800 Dollar pro Megaliter!"

    Die Spekulationen der Wirtschaft gehen weit über den Future-Markt hinaus. Auch der Handel mit Agrarprodukten erweist sich zunehmend als indirektes Geschäft mit Wasser. Da es einer Million Liter bedarf, um eine Tonne Getreide anzubauen, kommt es vielen Staaten billiger, fertige Erzeugnisse zu importieren, sagt Lester Brown.

    "Ägypten führt mittlerweile die Hälfte seines Getreides ein, Israel nahezu 90 Prozent. Deshalb gilt: Wer heute mit Weizen-Futures handelt, muss sich auch mit dem Wassermarkt genauestens auskennen."

    Neben der Landwirtschaft hat die Industrie einen immensen Wasserbedarf. Zahllose Konzerne wollen sicherstellen, dass sie auch künftig billig an den Rohstoff herankommen. So haben Shell, Coca-Cola und Pepsi jüngst gemeinsam eine Studie gesponsert, um die künftige Verfügbarkeit zu untersuchen. Eine Schlussfolgerung der Studie: Ohne besseres Management werden im Jahr 2050 vier Milliarden Menschen unter chronischem Wassermangel leiden. Professor Mark Shannon rät, schon jetzt in Firmen zu investieren, die die Erschließung zusätzlicher Ressourcen revolutionieren wollen.

    "Ob Meerwasserentsalzung oder Abwasserreinigung: Die bisherigen Methoden sind so energieaufwendig und teuer, dass alternative Ansätze jetzt sogar durch das US-Verteidigungsministerium gefördert werden."

    Dennoch fehlt es weiterhin an einer konzertierten Politik, um das Problem in den Griff zu bekommen. Washington kann nicht auf nationale Richtlinien zurückgreifen. In den USA wird die Wassernutzung nach wie vor eigenhändig durch die zumeist kurzfristig orientierten Gemeinden und Bundesstaaten kontrolliert. Die EU ist einen Schritt weiter. Umweltkommissar Stavros Dimas hat immerhin zu einer länderübergreifenden Wasserversorgungspolitik aufgerufen. Der Nutzer soll zur Verbrauchsmessung verpflichtet und Sparsamkeit gefördert werden.

    Links:
    • Warenbörse Chicago: www.cme.com
    • Mehr zum Wasserhandel der australischen Bauern: http://rivermurray.com/river-management/water-trading/