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Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen

Frankreichs Innenministers Manuel Valls fährt in Sachen Einwanderungspolitik einen harten Kurs, doch vielen Franzosen geht die Praxis nicht weit genug. Abzulesen ist das auch am wachsenden Erfolg des rechtsextremen Front National.

Von Ursula Welter | 18.10.2013
    "Ein Schüler ist ein Mitbürger. Alle, die zur Schule gehen, müssen Aufenthaltspapiere bekommen."

    Die jungen Demonstranten auf den Straßen von Paris im Norden bis Avignon im Süden sind sich einig: Ausweisung von Familien, deren Kinder zur Schule gehen, das wollen sie nicht mittragen. In mehreren Klassenzimmern waren in den vergangenen Wochen Stühle frei geblieben, weil Mitschüler das Land hatten verlassen müssen.

    Junge Leute gehen also zu Tausenden auf die Straße, weil sie sich für Immigration und Einwanderung stark machen.

    Zu Wochenbeginn hatten die Medien in Frankreich noch andere Jugendliche gezeigt. Solche, die für Marine Le Pen und ihren Front National mit seinen radikalen Thesen in den Wahlkampf zogen. Die Statistiken sehen die Zahl der Anhänger Le Pens bei den unter 25-Jährigen bei zehn Prozent, bei den Schulabbrechern sogar bei 30 Prozent.

    Die Jugend ist gespalten, die Politik ist es auch: Bis hin zur Regierungsbank zieht sich der Riss durch die Gesellschaft. Innenminister Manuel Valls, selbst Einwandererkind und erst seit 1982 französische Staatsbürger, gilt vielen als Kristallisationsfigur in der Auseinandersetzung. Er hatte vor Kurzem gesagt, viele Roma-Familien seien nicht integrationswillig, pocht darauf, dass er geltendes Gesetz "mit Entschlossenheit" umsetzten wird.

    Valls Politik gilt deshalb Vielen auf dem linken Flügel seiner Partei als zu konservativ. Der Parlamentspräsident, Claude Bartolone, klagte gar, die Sozialisten liefen Gefahr "ihre Seele" zu verlieren. Da war der Streit um die Ausweisung der jungen Kosovarin gerade aufgeflammt.

    "Stellen Sie sich vor, was die Linke gesagt hätte, wenn unter Sarkozy ein Roma-Mädchen aus einem Schulbus geholt worden wäre, um es mit der Familie abzuschieben. In welcher Welt leben wir?"

    Rief empört der Generalsekretär der Grünen, Pascal Durand, der, wie andere auch im Regierungsbündnis, verlangte, die Familie müsse zurückkehren dürfen.

    Die zweierlei Positionen im Regierungslager kamen den Rechts-Populisten gerade gelegen.

    "Diese Familie war vier Jahre in Frankreich, sie haben alle Hilfe bekommen, auch öffentliche, was den französischen Staat viel Geld gekostet hat","

    sagt Marine Le Pen, die Chefin des Front National, unbeeindruckt von den öffentlichen Protesten gegen die Abschiebung. Die entscheidende Macht müsse auf Seiten des Gesetzes sein.

    Null Toleranz, Einwanderung stoppen, das gehört zu den Kernforderungen der extremen Rechten.

    Kein Zufall, denn Frankreich steht in Europa mit Deutschland, Schweden, Großbritannien und Belgien an vorderster Stelle für Asylsuchende. Allerdings wurden zuletzt nur 14 Prozent der mehr als 60.000 Anträge positiv beschieden – weit unter EU-Durchschnitt.

    Dennoch wird die Innenpolitik der Sozialisten zwischen zwei Polen zerrieben. Dem linken Parteiflügel, dem grünen Regierungspartner, die mehr Toleranz verlangen, und dem erstarkenden Front National, der sich anschickt, aus dem Zwei-Parteiensystem Frankreichs ein veritables Dreiparteiensystem zu machen.

    " "Sie haben den Zugang zum Arbeitsmarkt für die Roma erleichtert", " streiten ein konservativer Abgeordneter und der Innenminister im Fernsehstudio, ""damit sind Abschiebungen viel schwieriger geworden."

    "5000 haben wir abgeschoben"," verteidigt sich der Sozialist, " "Ja, aber das sind 10.000 weniger als unter Sarkozy", " erwidert der Oppositionsmann. ""Sie haben ja auch das perverse System der Rückkehrprämien für Roma praktiziert, was zu einem wahren Reisezirkus geführt hat", " stellt der Minister wiederum klar.

    Auftritte wie diese spielen den radikalen Kräften in die Karten, meint einer, der seit Monaten durchs ganze Land wandert und den Bürgern zuhört . Der Zentrumspolitiker Jean Lassalle. Voller Entsetzen berichtet er immer Richtung Hauptstadt, was er hört.

    ""Die Abgeordneten im Parlament und die politisch Verantwortlichen werden regelrecht gehasst. In einer Weise, wie ich es nie in meiner langen, politischen Laufbahn erlebt habe."