"Bei der Weser soll eine Ausbaumaßnahme stattfinden, die ist beklagt worden. Der Rechtsstreit landete beim Bundesverwaltungsgericht und das dem Europäischen Gerichtshof eine Frage vorgelegt. Und zwar findet sich eine Norm, die sagt, dass der Zustand der Gewässer sich nicht verschlechtern darf. Und wie so oft bei Rechtsfragen ist völlig unklar, was die Norm eigentlich bedeutet."
Wolfgang Durner ist Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn und Direktor des Instituts für das Recht der Wasser und Entsorgungswirtschaft. Er beschreibt den derzeit viel diskutierten Fall der Vertiefung der Weser. Beispielhaft ließe sich daran erkennen, wie sich deutsches auf europäisches Recht einstellen müsse. In diesem Fall bei der Frage: Was bedeutet Wasserverschlechterung.
"In Deutschland hat man das bisher so verstanden, dass die Gesamtwirtschaft den Zustand des Wassers nicht verschlechtern dürfe. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, hat nun eine radikale Abweichung davon vorgelegt. Der hat gesagt: Dieses Verschlechterungsgebot ist eine Anforderung an jedes einzelne Projekt, das am Gewässer stattfindet..."
Soziale und ökologische Ansprüche an das Wasser
Außerdem geht es der EU darum, die Industrie an den tatsächlichen Kosten der Wasserbewirtschaftung zu beteiligen. In Deutschland sei das noch viel zu selten der Fall. Aber noch hat der Europäische Gerichtshof kein Urteil gesprochen und Wolfgang Durner glaubt nicht, dass es direkt zu einer Klärung führt. In Bezug auf das Thema Wasser müsse sowieso immer der konkrete, einzelne Fall betrachtet werden, das heißt, "dass sich im Wasser die Anforderungen des Einzelfalls, auch die sozialen und ökologische Ansprüche an das Wasser als so speziell darstellen, dass der Gesetzgeber bei der Normierung abstrakter tatbestandlicher Merkmale an seine Grenzen stößt. Deshalb gibt er im Grunde genommen einer Behörde immer nur ganz viele Abwägungselemente mit auf dem Weg, aber am Ende muss eine Behörde entscheiden."
Hans-Martin Munk arbeitet in einer solchen Behörde, er ist stellvertretender Abteilungsleiter für Wasserwirtschaft im rheinlandpfälzischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium. Egal, ob ein neues Kraftwerk mit Kühlwassereinleitung geplant ist oder ob ein Deich zurückverlegt werden muss, um entlastende Überflutungsflächen zu schaffen - immer müssten Entscheidungen getroffen werden, bei denen gegensätzliche Interessen aufeinander stoßen. Schließlich werden die Flächen entlang der Gewässer schon immer vom Menschen intensiv genutzt würden, sei es durch Landwirtschaft oder durch Städtebau. Damit überhaupt Aussicht auf konsensfähige Lösungen bestehe, sieht Hans-Martin Munk nur einen Weg.
Zustand der Gewässer meist zufriedenstellend
"Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn wir mit allen Beteiligten, die Interesse an der Gewässernutzung haben, Landwirtschaft, Naturschutz, Wasserwirtschaft, die müssen wir vor allem mit holen, sonst haben wir Streitereien und Gerichtsverfahren, wenn wir was erreichen wollen, dann ist die Betroffenenbeteiligung elementar. Das ist ein guter Dialogprozess, der uns weiterbringt."
Zu den Betroffenen zählt inzwischen auch die Natur, vertreten durch verschiedene Verbände, vertreten aber auch durch die Behörden selbst. War das deutsche Wasserrecht bisher vor allem darauf bedacht, die Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, so geht es inzwischen auch darum, eine gesunde Flora und Fauna zu erhalten, bzw. wiederherzustellen. Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg, wie auch jüngste Zahlen belegen. Der chemische Zustand deutscher Gewässer ist zu 90 Prozent zufriedenstellend, dagegen ist es um die Pflanzen und Tierwelt entlang der begradigten Flussläufe nicht gut bestellt, fast 70 Prozent der Auen entlang deutscher Flüsse sind in den letzten Jahrzehnten verschwunden.
Auch deshalb wollen Wasserbehörden und Naturschützer künftig besser zusammenarbeiten. Beim Deutschen Naturschutzrechtstag geht es nun insbesondere darum, die Gemeinsamkeiten von Naturschutz und Gewässerschutz auch aus juristischer Sicht herauszuarbeiten, um zu einer übersichtlichen, aufeinander abgestimmten Rechtsprechung zu kommen.