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Wasserball
Rio 2016 unrealistisch

Die deutsche Wasserball-Nationalmannschaft der Männer hat keine Lobby mehr. Nach der Ablösung des Bundestrainers im Winter ist immer noch kein Nachfolger im Amt - und nach Informationen des Deutschlandfunks gibt es wohl auch kurzfristig keine sportliche Perspektive.

Von Andrea Schültke |
    Wasserball-Szene
    Wasserball-Szene (picture alliance / dpa)
    Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat die Teilnahme der deutschen Wasserball-Männer an den Olympischen Spielen in Rio abgehakt. So das Ergebnis eines Treffens zwischen dem Dachverband und dem Deutschen Schwimmverband vor zehn Tagen. Auf die Frage nach den Inhalten dieses Treffens schrieb der DOSB,
    er habe in dem Gespräch die klare Vorgabe gesetzt, dass die Förderstrukturen im Wasserball unverzüglich auf eine erfolgreiche Teilnahme an Olympischen Spielen Tokio 2020 auszurichten sind, da nach Einschätzung des DOSB eine Qualifikation für Rio unrealistisch erscheint.
    Auf mehrfache Nachfrage haben sich die Vertreter des Schwimmverbands zu den Ergebnissen des Treffens nicht geäußert. Gestern teilte der DSV lediglich schriftlich mit:
    Die Ergebnisse dieses Gesprächs werden von unserer Seite nun zunächst und schnellstmöglich intern in den verschiedenen Gremien kommuniziert und besprochen.
    Gestern hat der Verband Moritz Oeler informiert, den Kapitän der Nationalmannschaft. Er weiß also inzwischen: Deutsche Wasserballer in Rio sind für den DOSB kein Thema mehr:
    "Das ist natürlich erst mal ein Schlag ins Gesicht, auch wenn man sich überlegt, was Viele über die Jahre hinweg aufgegeben haben, wie sie ihre Leben ausgerichtet haben. Das ist schon eine harte Sache."
    Für die Europameisterschaften im Januar in Belgrad und das Olympia-Qualifikationsturnier in Florenz sieht Geldgeber DOSB offenbar keine deutschen Erfolgschancen mehr. Daraus folgt für den Dachverband:
    Eine Veränderung der im Winter 2013 getroffenen Zielvereinbarung für den aktuellen Olympiazyklus. Dem sind alle strategisch-personellen Konsequenzen unterzuordnen, um eine Finanzierung durch den Bund aufrecht zu erhalten.
    Im Klartext: Es gibt weniger Geld. Am 2. Juni 2013 hat der DSV die Zielvereinbarungen mit dem DOSB unterschrieben. Darin festgelegt: Das erwünschte Ergebnis in Rio, die Maßnahmen auf dem Weg dahin und ihre Finanzierung. Neben dem jährlichen Sockelbetrag sehen die Zielvereinbarungen auch Geld für Zusatzprojekte vor. Im Wasserball 110.000 Euro pro Jahr. Unter anderem für die Teilnahme der Nationalmannschaft an der Weltliga und anderen internationalen Wettkämpfen. Ohne das Ziel Rio 2016 könnte dieses Geld nun wegfallen. Moritz Oeler will an eine komplette Streichung der Mittel nicht glauben. Und auch die Hoffnung auf Olympia in Rio will er nicht aufgeben:
    "Letztendlich habe ich kein Problem damit, wenn Kritiker sagen: Ihr schafft das nicht. Das ist eine Aussage, das dürfen die so glauben. Wir sind da ein bisschen anderer Meinung und glauben weiterhin, dass wir das schaffen können. Nur ist uns allen bewusst, dass da mal langsam was passieren muss, damit man da wirklich reelle Chancen hätte."
    Konkret geht es um einen neuen Bundestrainer. Anfang Januar war bekannt geworden, dass die Mannschaft unter ihrem damaligen Coach Novoselac die Olympiaqualifikation gefährdet sah. Die Spieler hätten versucht, das Problem verbandsintern anzusprechen, betont Mannschaftskapitän Moritz Oeler:
    "Wir haben tatsächlich erst mal mit den Funktionären direkt face to face gesprochen und ihnen die Situation erklärt. Was daraufhin passiert ist, war dann, dass wir diese Sache nochmal verschriftlichen sollten. Das haben wir getan. Warum dann dieser Brief weitergegeben wurde, wissen wir selbst nicht. Wir haben den Brief nicht verteilt und nicht als erstes an die Zeitung geschickt, sondern an unsere Präsidentin",
    erzählt Oeler seine Version des Vorgangs. Von einem "Brandbrief" oder gar einer "Spielerrevolte" könne keine Rede sein. Vielmehr sei die Intention gewesen, die Sportart Wasserball zu retten:
    "Wir haben versucht, die Missstände, die wir strukturell in unserer Sportart haben – dass keiner die Übersicht und keiner das Zepter in der Hand hat – zu umgehen, indem wir gesagt haben: Leute passt auf, wir haben ein Problem und wir werden scheitern, ganz sicher, wenn wir hier nichts machen."
    Die Folge: Trainer Novoselac wurde abgesetzt. Bis zum Ende seines Vertrages nach den Olympischen Spielen nimmt er andere Aufgaben wahr. Einen Bundestrainer für die Wasserball-Nationalmannschaft gibt es nach wie vor nicht.
    "Wir warten seit Monaten auf die Entscheider über uns, die diese Frage klären sollen. Sie sehen ja selbst, es passiert nicht so viel."
    Vielleicht kommt jetzt doch Bewegung in die Sache. Rio ist für den DOSB abgehakt und jetzt wird
    die Trainerfrage unter diesen neuen Voraussetzungen intensiviert,
    schrieb der DOSB auf Anfrage des Deutschlandfunks.