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Wasserknappheit in Deutschland
Bürgermeister: Verbraucher sollten Verhalten hinterfragen

In Lauenau in Niedersachsen drohte die Wasserversorgung zusammenzubrechen. Lauenaus Bürgermeister Georg Hudalla appelliert deshalb an die Bevölkerung, sparsamer mit Wasser umzugehen. Im Dlf forderte er zum Nachdenken über den Wasserverbrauch auf.

Georg Hudalla im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Lauenau zapfen Löschwasser aus dem Tank eines ihrer Einsatzfahrzeuge. In der Gemeinde im Landkreis Schaumburg ist die Wasserversorgung nach warmen Tagen und während der Corona-Pandemie zusammengebrochen. Die Abnahmemenge im privaten Bereich sei drastisch gestiegen.
Der Gemeinde Lauenau geht während der Hitze das Wasser aus, die Feuerwehr muss helfen (dpa / Moritz Frankenberg)
Mitten im trockenen Sommer ist in mehreren Orten Deutschlands die Wasserversorgung bedroht. In einzelnen Gemeinden in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen muss der Verbrauch reduziert werden. Bei starker Hitze ist der Wasserverbrauch in den vergangenen Jahren tagesbezogen oft deutlich angestiegen - etwa um 40 bis 60 Prozent bei 36 Grad Celsius, wenn viele Leute gleichzeitig ihren Garten bewässern und Pools befüllen, teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) aktuell mit.
In Deutschland liegt der tägliche Wasserverbrauch bei 120 bis 123 Litern pro Person. Die Wasserbilanz der Deutschen ist allerdings viel höher als ihre Tagesration. Jeder Deutsche verbraucht demnach im Schnitt täglich 5.288 Liter. Zum direkten Konsum kommt der virtuelle Wasserverbrauch hinzu. Dieser addiert die Wassermenge hinzu, die benötigt wird, um beispielsweise alle Waren herzustellen, die wir täglich benützen und konsumieren.
Einschränkungen könnten helfen, den Bedarf zu senken. Diese sind laut des Verbandes kommunaler Unternehmen teilweise auch schon in Kraft getreten. In der Gemeinde Lauenau, südwestlich von Hannover gelegen, gab es einen extremen Engpass. Dort hatte sich der Wasserverbrauch durch einen enormen Temperatursprung über Nacht verdreifacht, wie Bürgermeister Georg Hudalla im Interview erklärte.
Lauenau: Eine Einsatzkraft der Freiwilligen Feuerwehr Lauenau befüllt einen Wasserbehälter mit Brauchwasser. Nach dem Zusammenbruch der Wasserversorgung in Lauenau im Landkreis Schaumburg hat die Gemeinde die Lage in den Griff bekommen. 
Lauenau hat wieder Wasser. Die Versorgung war wegen der Hitze zusammengebrochen (dpa/ Moritz Frankenberg)
Bitte, "sehr sparsam mit Wasser umzugehen"
Susanne Kuhlmann: Die Gemeinde Lauenau in Niedersachsen hätte am vergangenen Samstag um ein Haar auf dem Trockenen gesessen. Die Trinkwasserversorgung für 4.000 Menschen drohte zusammenzubrechen. Georg Hudalla ist Bürgermeister der Samtgemeinde Rodenberg, zu der Lauenau gehört. Was ist dort passiert?
Georg Hudalla: Wir haben einen sehr hohen Verbrauch in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag festgestellt, den wir uns erst mit einem technischen Problem versucht haben zu erklären, Messfehler oder Ähnliches. Am Donnerstagmorgen zeigte sich, dass dem nicht so ist, das Wasser ist tatsächlich in sehr großen Mengen abgenommen worden. Und auch an diesem Donnerstag sahen wir wieder deutlich starke Verbräuche.
Dort zeigte sich, viele Beregnungsanlagen privater Natur, in Sportvereinen und beim Übungsdienst der Feuerwehr, haben teilweise auf das Wasser zugegriffen, das doch schon eher knapp war. Wir wollten dann verhindern, dass es zu einem Zusammenbruch kommt und haben somit uns am Freitag zusammengesetzt und einen Infostab gegründet und die Bevölkerung gebeten, sehr, sehr sparsam mit Wasser umzugehen. Das haben wir gemacht über Durchsagen mit der Feuerwehr, das haben wir durch Einsatz der Medien gemacht, speziell das Radioprogramm. Das ist uns gerade so gelungen, muss man sagen, dass Netz hatte noch Wasser, die Hochbehälter nicht, sodass es bis auf wenige Ausnahmen, wo kein Wasser aus dem Hahn tröpfelte, eigentlich sichergestellt war, allerdings mit sehr vermindertem Druck.
Dystopie über den Klimawandel - Europa trocknet aus
Auch in der Literatur wird man sich zunehmend der Dringlichkeit des Klimaschutzes bewusst. Autor Wolf Harlander hat mit dem Krimi "42 Grad" eine eindringliche Dytopie geschrieben, in der Europa austrocknet. "Es ist längst schon Realität," sagte Harlander im Dlf.
Kuhlmann: Die Bürger sollen nach wie vor mitmachen, das heißt ja, grundsätzlich ist das Problem noch nicht gelöst.
Hudalla: Rein grundsätzlich ist das Problem so auf die Art und Weise auch nicht zu lösen. Bei uns ist es so, dass wir eine ziemlich klar voraussehbare Wassermenge haben über das ganze Jahr verteilt. Im Winter wird Grundwasser gebildet, im Frühjahr wird es ausgeschüttet, das geht bis in den Herbst hinein. Da können wir wenig dran verändern, die Mengen kommen so, wie sie immer kommen. Wir haben in diesem Jahr erstmals eine völlig atypische Situation, dass die Verbrauchswerte, angefangen in dieser von mir geschilderten Nacht von Mittwoch auf Donnerstag durch den extremen Temperatursprung sich verdreifacht haben. Und das können Sie über einen längeren Zeitraum einfach nicht darstellen, weil es keine Möglichkeit gibt, das Wasser zu wasseranfallstarken Zeiten zu speichern.
Alles Wasser, was wir in unseren Behältern haben, muss innerhalb von 48 Stunden verbraucht sein, wenn wir die Trinkwassernormen garantieren wollen. Dann muss man gucken, welcher Verbrauch ist im Moment nicht notwendig. Und nicht notwendig sind im Prinzip die Brauchwasserverbräuche, die kann man nach hinten schieben oder man kann sie durch anderes Wasser ersetzen. Ich nehme die Zisterne, ich nehme das Becken am Regenfallrohr und eben auch die Möglichkeit, die wir dann geboten haben, dass die Feuerwehr zusätzlich versorgt und das Wasser liefert.
Es gibt Dinge, da bräuchte man eigentlich keine Trinkwasserqualität. Die Systeme entwickeln sich, dass auf einem Gebiet gewonnenes Brauchwasser auch in einem zweiten Kreislauf im Haus für Toilettenspülung und für das Wäschewaschen verwendet wird. Dieser Nachdenkprozess, glaube ich, hat jetzt mal ganz intensiv angefangen.
Verbrauch von Trinkwasser in deutschen Haushalten nach Verwendungsart im Jahr 2018
Verbrauch von Trinkwasser in deutschen Haushalten nach Verwendungsart im Jahr 2018 in Litern (statista)
Verbraucherverhalten "dem natürlichen Lauf anpassen"
Kuhlmann: Wird die Trinkwasserversorgung demnächst für immer mehr Kommunen ein Problem? Einige rufen ja gerade jetzt ebenfalls dazu auf, Wasser zu sparen, zum Beispiel das Auto nicht zu waschen, den Garten nicht zu sprengen und private Schwimmbecken nicht zu füllen. Jetzt ist Sommer und ein Teil der Leute, der verreist wäre, ist jetzt zu Hause und verbraucht dort Wasser, aber wir hatten ja einige trockene Jahre, wo sich wenig Grundwasser wieder neu bilden konnte.
Hudalla: Das sind eben die sehr unterschiedlichen Situationen. Und natürlich hilft es, wenn man da im Verbund arbeitet, das Wasser muss auch chemisch zueinander passen. Die Vermutung, man könnte jedes Wasser durcheinander mischen und würde dann trotzdem ein gutes Ergebnis haben, das ist leider falsch. Das ganze Thema Wasser ist ein viel komplexeres Thema als allgemein erwartet.
Kuhlmann: Die Mithilfe und Mitarbeit der Menschen am anderen Ende der Leitung wird ja aber auch gebraucht, nicht nur bei Ihnen.
Hudalla: Die wird überall gebraucht, das sehe ich auch. Vor allem müssen die Menschen mal darüber nachdenken, ob das, was sie jetzt tun, eventuell kontraproduktiv sein könnte, weil es andere auch tun. Es ist selbstverständlich so, man befüllt den Pool nur dann, wenn es warm wird. Aber man muss darüber nachdenken, dass wenn alle an dem warmen Nachmittag des warmen Tages nach Hause kommen, und die Wasserleitungen extrem belasten, dann kann es in den Bereichen, wo auf begrenzte Quellschüttungen zurückgegriffen werden muss, eben zu Problemen führen. Wir brauchen, dass die Menschen anfangen, ein bisschen darüber nachzudenken, wie gehen wir damit um. Es muss tatsächlich jederzeit darüber nachgedacht werden, wie bekommen wir das hin. Der Verbraucher wird von mir und von anderen gebeten, sein Verhalten zu hinterfragen und etwas dem natürlichen Lauf anzupassen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.