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Wasserkrise in Kapstadt
Die Knappheit ist Normalität geworden

Zu Beginn des Jahres drohte Kapstadt das Wasser auszugehen. Mit rigiden Vorgaben ist es der Stadtverwaltung gelungen, das prognostizierte Ende der Wasserreserven abzuwenden. Doch das Leben in der südafrikanischen Hafenstadt hat sich einschneidend verändert.

Von Klaus Betz |
    Die Waterfront in Kapstadt
    Die Waterfront in Kapstadt (Deutschlandradio / Klaus Betz)
    Das Vineyard-Hotel liegt inmitten einer gepflegten Parklandschaft in Newlands - einem der besseren Vororte von Kapstadt. Zu Gast sind dort meist Familien mit Kindern, die ein paar Tage lang die Ruhe in der Natur genießen wollen - mitten in der Stadt. Von der jahrelangen Trockenheit in Kapstadt und von der anhaltenden Wasserkrise ist hier nichts zu spüren. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
    Wasser stets doppelt nutzen
    Dies ändert sich, wenn man in die Tiefgarage des Hotels hinabsteigt. Dort bin ich mit Chris van Zyl verabredet. Der Umwelt-Manager der Hotelgruppe führt mich direkt zu einer von Maschendraht umzäunten Anlage, die im Übrigen, wie ich an den Hersteller-Hinweisen sehen kann, aus Deutschland kommt.
    "Das ist eine Grauwasser-Anlage", erklärt Chris van Zyl. "Ich würde sagen, es war Ende 2016, Anfang 2017 als sich abzeichnete, dass wir in Kapstadt auf eine Dürre zusteuern werden. Es war also klar, dass wir künftig Wasser sparen müssen. Nahe liegend war für uns, auf eine Grauwasser-Anlage zu setzen. Sie können sich ja vorstellen, dass in einem Hotel durch Toilettenspülungen ziemlich viel Wasser verschwendet wird. Der Gebäudeflügel unter dem wir stehen hat vierzig Zimmer. Als dieser Teil des Hotels 2010 gebaut wurde, haben wir von Anfang darauf gesetzt, das Grauwasser aus den Bädern, Duschen und Waschbecken aufzufangen, es aufzubereiten, um es dann für die Toilettenspülungen in allen 190 Zimmern wieder zu verwenden. Sodass man dieses Wasser stets doppelt nutzen kann."
    Alison McKie, Geschäftsführerin der Vinyard-Hotels, ist die treibende Kraft hinter diesen Aktivitäten. Natürlich hofft sie wie alle in Kapstadt darauf, dass es in den verbleibenden südafrikanischen Wintermonaten bis Anfang September noch mehr und ausgiebig regnet.
    Im Krisen-Kollektiv vereint
    Aber sie hat, so scheint es, aus der Wasserkrise in Kapstadt ihre eigenen Schlüsse gezogen: "Energie, Wasser, der Umgang mit Lebensmitteln, dies alle müssen wir global betrachten und darauf dann reagieren. Ich denke nicht, dass wir die Knappheit von elementaren Ressourcen komplett überwinden werden. Mit dieser Knappheit vernünftig umzugehen wird wohl eher zu unserem neuen Normalleben werden. Knappheit als Normalität setzt natürlich voraus, dass wir uns bewusst machen, wie wir unsere wichtigsten Ressourcen verwenden."
    Überall in der Stadt haben inzwischen die Hotels - selbst untereinander konkurrierende - gemeinsam in Wasser-Entsalzungsanlagen investiert. Und innerhalb der Häuser Sparmaßnahmen verwirklicht, die früher undenkbar gewesen wären. In fast allen Hotels kann kein Bad mehr genommen werden, die Duschköpfe sind auf Minimalverbrauch eingestellt und die Bettwäsche wird meist erst am vierten Tag gewechselt. Der Grund: Seit zum 1. Februar die sogenannte "Level 6 B"- Restriktionen eingeführt wurden, ist die Bevölkerung in einem Krisen-Kollektiv vereint: Pro Tag und Person dürfen seitdem nicht mehr als 50 Liter Wasser verbraucht werden.
    Die zahlreichen Hotels und Restaurants der Stadt überbieten sich daher mit Wasserspar-Slogans wie "Choose not to use" - "Wähle den Verzicht" -, "Save like a Local" - "Spare wie ein Einheimischer" - oder eben "Every Drop counts" – "Jeder Tropfen zählt". Der 50-Liter-Lebensstil ist zum Postulat der Stadt geworden. Eine Öko-Dauerwerbesendung könnte kaum besser organisiert sein - flächendeckend. Im Internet gibt es alleine zehn Songs, die exakt zwei Minuten dauern. So lange, wie man maximal duschen sollte. Und dabei ist Tempo angesagt.
    Kapstadt als Vorreiter
    Tatsächlich ist es binnen weniger Monate gelungen, den Wasserverbrauch der vier Millionen Einwohner zählenden Großstadt um die Hälfte zu senken. Von einer Milliarde Liter auf derzeit knapp unter 500 Millionen Liter pro Tag. Nirgendwo in anderen vergleichbaren Großstädten auf dieser Welt hat man in so kurzer Zeit den Wasserverbrauch pro Kopf derart drastisch verringern können. Zum Vergleich: In Berlin liegt der Pro-Kopf-Verbrauch derzeit bei 115 Liter pro Tag und in den meisten Großstädten der USA bei annähernd 300 Liter.
    Der ausgetrocknete Theewaterskloof-Damm
    Der Theewaterskloof-Damm (Deutschlandradio / Klaus Betz)
    Priya Reddy, die Sprecherin der Stadtverwaltung, sieht in dieser Wasserkrise indes auch eine Chance. Für sie ist Kapstadt auf dem richtigen Weg und sie ist offensichtlich stolz auf ihre Stadt: "Während es vor einem halben Jahr noch so ausgesehen hat, als würden wir die erste Großstadt der Welt sein, der das Wasser ausgeht, so sind wir nun wahrscheinlich die erste, die dieses Desaster gerade noch hat verhindern können. Zum einen, weil wir den Wasserdruck in den Leitungen enorm reduziert haben, zum andern weil sich sowohl die Unternehmen als auch die Einwohner - egal ob reich oder arm - wirklich gemeinsam darum bemüht haben. Für Trinkwasser anstehen zu müssen war eigentlich unvorstellbar. Die meisten Captonians haben ihre Einstellung zum Wasser inzwischen fundamental verändert; sie nehmen es nicht länger als selbstverständlich."
    Worüber offiziell allerdings niemand spricht: Rund 60 Prozent des Wasserbedarfs - so wird unter der Hand eingeräumt -, wird im eigentlichen Zentrum von Kapstadt verbraucht: Im Business- und im Hoteldistrikt, im Shopping- und Vergnügungsviertel an der Waterfront und in den vornehmen Ortsteilen unterhalb des Tafelbergs. In Gardens, Vredehoek, Oranjezicht und Tamboersklof. Kaum jemand dort öffnet freiwillig sein Haus und erlaubt einen Blick auf den ganz persönlichen Umgang mit dem Wasser.
    Eine Ausnahme ist die deutsch-ugandische Arztfamilie von Jürgen Freers, die seit 2014 in Kapstadt lebt und ein geräumiges Haus direkt unter dem Tafelberg bewohnt. Der Fünf-Personen-Haushalt mit Frau und drei Töchtern kommt mittlerweile - "Save like a Local" - mit knapp unter zweihundert Liter Wasser pro Tag über die Runden.
    Freers: "Komm‘se rein. Gehen wir runter, das haben wir überall im Haus so installiert. Also jedes Wasser wird mindestens zwei Mal benutzt. Wird alles recycelt. Fangen wir mal so an: Hier sehen sie die Toilette. Und da steht, neben den Toilettenbecken steht ein Eimer mit Wasser, mit grauem Wasser, das ist Brauchwasser. Das Wasser kommt von hier, hier ist die Waschküche; also die Waschmaschine ist von dem Ablauf abgeklemmt, das Waschwasser wird nach dem Waschen zum Klospülen benutzt."
    Stadtverwaltung greift strikt durch
    Analoges Handeln ist also angesagt. "Dann haben wir natürlich das Gleiche auch mit dem Duschwasser. Hier steht unter der Dusche eine Wanne, da stellen sie sich rein und wenn sie duschen, dann läuft das Wasser in die Duschwanne mit der Seife und mit allem", erläutert Freers. "Auch im Handwaschbecken steht ein kleiner Eimer drin. Das heißt, wenn sie das aufmachen, dann läuft das Wasser, machen die Hände nass, seifen sich ein. Und wenn sie sich dann wieder die Hände abspülen, dann machen sie wieder aus. Und das Wasser, das dabei gebraucht wird ist gar nicht viel, aber es wird aufgehoben - auch in den Eimer. Alles wird zwei Mal benutzt."
    Die meisten seiner Nachbarn, meint Jürgen Freers, verhalten sich ähnlich. Ihm sei nur ein Fall bekannt, wo der Hausbesitzer den Standpunkt vertreten habe, er könne sich seinen hohen Wasserverbrauch auch weiterhin leisten - koste es, was es wolle. "Da ist die Stadtverwaltung gekommen und hat das Wasser erst mal abgestellt. Die hatten dann gar keins mehr. Und die mussten sich das dann kaufen", berichtet Freers. "Und dann kam die Stadtverwaltung und hat denen eine Wasseruhr eingebaut - auf deren Kosten -, mit einer Vorrichtung, die sich nach den verabredeten 50 Liter pro Person automatisch abstellt. Und dann gibt’s nichts mehr."
    Water Management Device nennt man eine solche Wasseruhr in Kapstadt, von denen in den letzten Monaten wohl über zehntausend Stück eingebaut worden sein sollen. Hinzu kommt eine dynamische Verteuerung der Wassergebühren. Verschwenderische Haushalte zahlen inzwischen das Vierfache des regulären Kubikmeter-Preises - knapp acht Euro.
    "Es ist jetzt normal geworden"
    Auf unserer Wasserspartour im Hause Freers ist auch die älteste Tochter dabei. Die knapp 18-jährige Paula gehört zur ersten Generation in Kapstadt, die in ihrer Jugend bereits mit einer Wasserkrise aufwächst und vermutlich noch mehrere Jahre lang mit dem Trinkwasser klug wird umgehen müssen - "water wise" wie es im Englischen heißt.
    "Zu Beginn muss ich zugeben, es war ein bisschen stressig", ", sagt Paula. "Man hat sich ständig unter Druck gefühlt. Man hatte Angst auch einfach das Klo zu spülen und dann, zum Schluss war’s dann so, man hat es auch manchmal vergessen. Es ist seltsam für mich jetzt, normal das Klo zu spülen. Und - auch wenn ich zum Beispiel Filme gucke und so sehe, wie das Wasser da aus dem Hahn läuft, das macht mir so ein bisschen Angst, weil ich dann die ganze Zeit so denke: O nein, direkt Wasserhahn aus.
    Die Aussicht vom Ellermanhouse auf das Meer
    Die Aussicht vom Ellermanhouse (Deutschlandradio / Klaus Betz)
    Man wünscht sich schon, einmal so richtig in der Badewanne zu sitzen - mit ganz viel Wasser und ganz viel Seife. Aber man gewöhnt sich halt einfach daran. Natürlich, jetzt wo der Day Zero auf nächstes Jahr verschoben wurde, gibt’s viele Leute die so sagen: OK, ich benutz‘ jetzt Wasser ganz normal weiter, aber für mich - es ist jetzt normal geworden, dass ich sehr wenig Wasser benutze."
    Touristen passen sich an
    Für Urlauber sind die Wasserrestriktionen - im Unterschied zu den Einwohnern - eine vorübergehende Erscheinung. Von einem unzumutbaren Verzicht kann Dank der klugen Vorgehensweise in den Hotels kaum die Rede sein. Im Gegenteil: Nicht wenige Kapstadt-Besucher zeigen sich auf ihre Weise solidarisch und lassen sich ganz auf die Situation in der Stadt ein. So zum Beispiel Rüdiger Sauer aus Limburg, den ich im Shopping- und Vergnügungsviertel an der Waterfront treffe.
    "Na ja, wir haben uns vorher schon etwas eingestellt auf die Wasserkrise", erzählt er. "Also wir gucken schon, dass wir so wenig wie möglich Wasser verbrauchen. Ich hab‘ gestern gestoppt: 1‘19" hab’ ich geschafft. Ich hab’ angemacht, nass gemacht ausgemacht. Dann eingeseift, abgeduscht."
    So viel Verständnis aufseiten der Urlauber war nicht absehbar. Die weltweite Berichterstattung über einen möglichen Day Zero hat in vielen Fällen schon im Januar und Februar zu Stornierungen geführt, weshalb in der Hotellerie kurzfristig die Panik ausgebrochen war. Selbst im Ellerman House, einem der vornehmsten und teuersten Hotels der Stadt, war General Manager Paul Bruce-Brand deshalb im Dauereinsatz.
    "Wir waren ziemlich stark davon betroffen, speziell nachdem CNN und andere Sender über den angekündigten Day Zero berichtet haben. Wir haben daraufhin besorgte Anrufe und E-Mails erhalten. Ich war praktisch jede Nacht ein Stunde damit beschäftigt, den Leuten die Situation zu erklären, die Wahrheit", berichtet Paul Bruce-Brand. "Viele Presseberichte waren aus meiner Sicht übertrieben. Wir jedenfalls mussten unseren potenziellen Gästen dauernd die Lage hier erklären. Ziemlich viele, nahezu 90 Prozent der Gäste, sind dann doch gekommen. Man weiß natürlich nicht, wer nicht gebucht hat. Aber diejenigen, die Zweifel oder Befürchtungen hatten, die konnten wir am Ende überzeugen. Und sobald sie dann hier waren, gab es nicht einmal eine Reklamation oder eine Beschwerde."
    Die Krise ist nicht vorbei
    Das Ausmaß der Wasserkrise von Kapstadt begreift man eigentlich erst, wenn man die Stadt verlässt und zu dem rund einhundert Kilometer entfernt gelegenen Theewaterskloof-Damm fährt. Nicht, ohne zuvor noch von der Mietwagenfirma darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass man das Auto - wegen der Wasserknappheit - äußerlich leider nicht mehr reinigen könne.
    Der 52 Quadratkilometer große Theewaterskloof-See ist das größte und wichtigste Reservoir und unter den zehn Stauseen von Kapstadt. Fassungsvermögen: 480 Millionen Kubikmeter Wasser. Doch haben die Regenfälle der vergangenen Wochen das riesige Rückhaltebecken gerade mal erst zu gut einem Drittel füllen können. Der Rest gleicht immer noch einer ausgetrockneten Wüstenlandschaft. Deshalb wohl hat Ian Nielsson, der stellvertretende Bürgermeister von Kapstadt, seine Mitbürger daran erinnert, sparsam zu bleiben - weil man es sich auch weiterhin nicht leisten könne, zum früheren Wasserverbrauch zurückzukehren.

    Anmerkung der Redaktion: Im Vorspann des Textes hatten wir Kapstadt als Hauptstadt Südafrikas bezeichnet. Laut Auswärtigem Amt ist aber Pretoria die eigentliche Hauptstadt des Landes. Allerdings sind Kapstadt für die Legislative und Bloemfontein als Sitz des Supreme Courts ebenfalls Städte mit Haupstadtfunktion für Südafrika.