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Wassermusik-Festival
Gänsehautmomente an der Spree

Zum zehnjährigen Jubiläum von Wassermusik, dem Weltmusik-Festival aus Berlin, kommen Bands, die entweder noch nie dabei sein konnten oder nachhaltig Eindruck gemacht haben. "Eigentlich würde ich gerne das Doppelte an Künstlern einladen", sagte Detlef Diederichsen vom Haus der Kulturen der Welt im Corsogespräch.

Detlef Diederichsen im Corsogespräch mit Thekla Jahn |
    Die Musikerin Oumou Sangaré aus Mali bei einem Auftritt in London im Juli 2017 (Bild: imago stock&people)
    Auf dem Wassermusik-Festival X wird auch Oumou Sangaré aus Mali auftreten (imago stock&people)
    Thekla Jahn: Wir bleiben bei Musik, wechseln aber das Genre. Oder vielmehr – wir wechseln in die Genres, in den Jazz, in Ethno, in Rock, in Salsa, in Merengue – in alles Mögliche. Denn heute beginnt in Berlin das allsommerliche Kulturfestival Wassermusik am Haus der Kulturen der Welt. Und programmverantwortlich ist Detlef Diederichsen. Schönen guten Tag!
    Detlef Diederichsen: Hallo.
    "Hits and Misses"
    Jahn: Herr Diederichsen, diesmal ist nicht irgendein Mal, sondern in diesem Jahr feiert das Festival Wassermusik zehnjähriges Jubiläum. Normalerweise haben Sie jedes Jahr einen Länderschwerpunkt gehabt, im vergangenen Jahr zum Beispiel "Die andere Karibik", mit Campeta, Mambo-Punk, Steel-Pan-Jazz oder Konpa. In diesem Jahr ist es anders: Sie wollen sich selber feiern.
    Diederichsen: Genau. Wir nehmen jetzt diese zehnte Ausgabe zum Anlass, um eine Art Rückblick zu halten auf zehn Ausgaben Wassermusik – beziehungsweise auf die neun vorhergehenden. Wir machen, was wir intern "Hits and Misses" genannt haben. Und die Hits, das ist klar, das sind einige Programm-Highlights der vergangenen neun Ausgaben und die Misses, das muss ich vielleicht erklären, das sind halt Künstler, die wir immer schon mal versucht haben zu buchen, immer schon mal gerne beim Festival dabei gehabt hätten. Was aber dann aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geklappt hat. Und das holen wir dann jetzt nach.
    Weltmusiker und Grenzen
    Jahn: Das wären zum Beispiel? Also Ihre Favorites, die in diesem Jahr zum ersten Mal dabei sind?
    Diederichsen: Zum Beispiel die Gruppe "Orchestre Les Mangelepa" aus Kenia. Das ist eine kongolesische Rumbaband, die aber in Kenia lebt. Und genau in dieser Konstellation lag auch das Problem. Als wir sie 2011 holen wollten, da stellte sich nämlich heraus, dass sie erst mal in den Kongo müssen um ihre Pässe zu erneuern – oder sich überhaupt erst Pässe ausstellen zu lassen, dann wieder zurück nach Nairobi, um sich bei der deutschen Botschaft dann Schengen-Visa zu besorgen. Und diese Prozesse dauern alle jeweils mehrere Monate. Und insofern hat das da nicht geklappt.
    Jahn: Das scheint ein Problem bei vielen Festivals zu sein, die im sogenannten Weltmusik-Bereich sich bewegen, dass sie Schwierigkeiten haben, Künstler gerade aus Afrika zu bekommen.
    Diederichsen: Nicht nur Afrika. Wir haben dasselbe Problem auch bei einem kolumbianischen Künstler gehabt, den wir eigentlich diesmal dann wirklich gerne gehabt hätten. Das hat auch aus verschiedenen Gründen diesmal nicht geklappt. Als wir ihn das erste Mal holen wollten, das war Abelardo Carbono, ein Gitarrist, stellte sich heraus – und zwar relativ kurzfristig –, dass er überhaupt keinen Pass besitzt. Und das ist dann halt das Problem, wenn man mit Künstlern zusammenarbeitet, die jetzt nicht eine Agentur in Europa haben, die einfach noch nicht so organisiert sind oder kein Label haben und es einfach nicht gewohnt sind, ständig zu reisen - oder auch gerade nach Übersee zu reisen.
    "Alles ist Weltmusik"
    Jahn: Und Sie sind ja auf der Suche nach genau diesen Musikern, die ja noch nicht so entdeckt sind, um sie dem Publikum zu präsentieren. Ich habe vorhin gesagt: Weltmusik. Das ist so eine riesige Schublade, die in den 70er-Jahren sich auftat, als verstärkt musikalische Einflüsse in den, ja, britisch-amerikanischen Mainstream einflossen aus aller Welt. Kann man sagen, dass das Wassermusik-Festival ein Weltmusik-Festival ist?
    Diederichsen: Also wir benutzen den Begriff nicht. Ich finde, der zementiert irgendwie so diese Zweiteilung in eine vorherrschende, eigentliche Popszene aus anglo-amerikanischen Ländern und dem Rest der Welt, der irgendwie auch was macht. Das finde ich etwas zwiespältig, und insofern machen wir das nicht. Wir haben auch immer wieder Bands aus eben diesem anglo-amerikanischen Kontext bei unserem Festival. Wir haben jetzt eine Band aus Neuseeland, das zählt ja eigentlich auch dazu. Also Bands aus Neuseeland kann man auch normal unter Indie-Rock einsortieren. Insofern sind wir da so ein bisschen … haben wir da so eine etwas andere Begrifflichkeit.
    Jahn: Obwohl Weltmusik ja eigentlich so umspannend ist, der Begriff?
    Diederichsen: Könnte man sagen. Man könnte einfach sagen: Alles ist Weltmusik.
    Jahn: Genau! Das könnte man auch sagen. Sie haben Ihr Festival Wassermusik genannt. Weshalb Wassermusik?
    Diederichsen: Hat einen ganz konkreten, logistischen Hintergrund. Wir liegen mit unserer Dachterrasse direkt an der Spree. Wenn man da sitzt – und speziell auch die Musiker, die auf der Bühne stehen – haben einen herrlichen Blick auf die Spree. Und insofern war das für uns naheliegend. Wir haben es dann auch so gemacht, dass wir immer ein Thema uns ausgesucht haben, das irgendwie mit Wasser zu tun hat, ob es jetzt "Der neue Pazifik" ist oder, wie Sie schon erwähnt haben, letztes Jahr "Die andere Karibik" war. Wir hatten auch mal das Thema "Wüste". Das ist so unsere Themengebung.
    "Das Festival ist voll - und das ist dann auch gut"
    Jahn: Sie versuchen eines mit Ihrem Wassermusik-Festival, Sie versuchen gegen Klischees und Stereotypen anzuarbeiten. Das ist ja ein relativ schwieriges Unterfangen. Wie versuchen Sie da vorzugehen? Wie sortieren Sie die Bands nach der Möglichkeit, sie für Ihr Festival einzuladen? Welche Ausschlusskriterien haben Sie möglicherweise?
    Diederichsen: Darüber habe ich noch nie nachgedacht, was ich für Ausschlusskriterien habe. Außer, dass sie mir nicht gefallen. Ich meine, es ist einfach so: Es ist eigentlich eher umgekehrt. Wir haben eigentlich ein relativ überschaubares Festival, es sind vier Wochenenden, mit jeweils also zwei Veranstaltungstagen, mit jeweils zwei Bands. Ich würde gerne immer viel, viel mehr Bands buchen und dann muss ich irgendwann mich von irgendwelchen Acts verabschieden, weil einfach kein Platz mehr ist. Oder weil die Zusage zu spät kam oder irgend so was in der Art. Das Festival ist dann voll und das ist dann auch gut. Aber eigentlich würde ich gerne erst mal das Doppelte an Künstlern einladen, auch zum Beispiel, um das Bild, wenn wir so ein Thema haben, noch ein bisschen schärfer und differenzierter zu kriegen. Am Ende stellt man dann fest: Ja, okay, das Thema "Wüste" beispielsweise, aber da haben wir viele Sachen - zum Beispiel Zentralasien – gar nicht so richtig mit drin gehabt. Und das kann man dann bedauern, aber trotzdem hat man ein schönes Festival gehabt.
    "Wir sind ein attraktives Festival"
    Jahn: Zehn Jahre gibt es das Wassermusik-Festival. Was hat sich verändert in diesen zehn Jahren, wenn Sie zurückblicken?
    Diederichsen: Also erst mal hat sich für uns zum Positiven verändert, dass das Festival jetzt wirklich ein Stammpublikum hat, dass es Leute gibt, die uns sozusagen trauen, in dem, was wir da machen. Denn, wie Sie schon sagten: Wir holen auch sehr viele unbekannte Bands, Bands, die teilweise auch noch nie in Europa gespielt haben, die überhaupt keinen Namen hier haben. Ich erinnere mich daran, wie wir eine Molam-Band aus Thailand mal geholt haben, wo ich wirklich ängstlich war. Das war der Top-Act an dem Abend, weil das auch eine tolle Band ist. Aber kein Mensch wusste eigentlich, was Molam-Musik ist, mit thailändischer Musik verbanden die Leute auch nicht so richtig etwas überhaupt. Und die hatten hier kein Label und gar nichts - das kam dann später. Trotzdem waren Tausend Leute da. Also insofern: Das hat sich da auf jeden Fall zum Positiven entwickelt. Ansonsten denke ich, wir sind auch für Künstler mittlerweile – also man kennt uns in der Welt. Wir sind für Künstler ein attraktives Festival, eben genau aus diesem Grund, sich da einem europäischen Publikum mal zu präsentieren.
    Jahn: Detlef Diederichsen, Bereichsleiter Musik und Performing Arts am Haus der Kulturen der Welt in Berlin, wo heute das Wassermusik-Festival beginnt. An den nächsten vier Wochenenden gibt es dort Konzerte, unter anderem von "Khaled" aus Algerien, "Arto Lindsay" aus den USA, "Oumou Sangaré" aus Mali und "Moreno Veloso" aus Brasilien. Danke Ihnen und wünsche alles Gute für das Festival!
    Diederichsen: Ja, sehr gerne! Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.