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Wassernot in Syrien

Ob fürs Wäsche waschen, Geschirr spülen, zur Körperpflege oder um Tee oder Kaffee zu kochen, bei uns kommt zu jeder Zeit Wasser aus der Leitung, von wenigen Pannen einmal abgesehen. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Nicht so in vielen anderen Ländern, wie in Syrien zum Beispiel. Das Land leidet derzeit unter einer beispiellosen Wassernot.

Von Karin Leukefeld |
    Syrien erlebt die schlimmste Trockenheit seit 40 Jahren. Das vierte Jahr in Folge hat es kaum geregnet, Flüsse, Quellen und unterirdische Wasserreservoirs gehen zur Neige. Die Brunnen in der Hauptstadt Damaskus bleiben oft trocken, im Flussbett des Barada, der die Stadt von Westen nach Osten durchfließt, verdunstet eine trübe Brühe. Die Folgen für die Bevölkerung sind dramatisch, sagt Mwafak Khallouf, Direktor von DWSSA, der staatlichen Wasserbehörde für Damaskus:

    "Wir müssen das Wasser für die Einwohner von Damaskus rationieren. Wir liefern nur drei Stunden am Tag, ansonsten müssen die Verbraucher das Wasser aus den Tanks benutzen, mehr frisches Wasser gibt es nicht. Außerhalb ist es noch schlimmer. Manchmal können wir den Leuten dort gar kein Wasser liefern, nur alle zwei, drei Tage bekommen sie frisches Wasser, nur für wenige Stunden. Uns sind die Hände gebunden, die Wasserknappheit ist zu groß."

    Syrien ist ein Agrarland, die Trockenheit hat dramatische Folgen. Bauern im Nordosten des Landes haben im letzten Jahr 50 Prozent ihrer Ernte verloren, heißt es in einem Bericht der Vereinten Nationen. Viehzüchter verloren bis zu 80 Prozent ihrer Herden, Hunderttausende Menschen haben Haus und Hof verlassen und suchen ihr Glück als Tagelöhner in den Großstädten. Die Umstellung auf neue Bewässerungsmethoden kostet Geld, das den Kleinbauern ebenso fehlt, wie notwendige Schulung und das Wissen, wie staatliche Unterstützung beantragt werden kann.

    Im Umland von Damaskus verbraucht die Landwirtschaft 90 Prozent der Wasserressourcen, sagt Mwafak Khallouf von der Damaszener Wasserbehörde. Der großflächige Anbau wasserintensiver Feldfrüchte muss zugunsten einer nachhaltigen Landwirtschaft eingeschränkt werden, betont er. Doch Jahrhunderte alte Traditionen zu ändern, braucht Zeit. Zur regionalen Konkurrenz um das Wasser - die Trockenheit betrifft den gesamten östlichen Mittelmeerraum - kommt die Konkurrenz zwischen Landwirtschaft, Industrie, Umwelt und Tourismus. Die syrische Regierung hat Fakten geschaffen erläutert Mwafak Khallouf:

    "Die Bevölkerung von Damaskus mit Trinkwasser zu versorgen hat absolute Priorität. Danach kommen die Bauern. Wir prüfen, was sie anbauen, wie viel Wasser sie dafür brauchen und was sie für ihre Ernte einnehmen. Wenn das Trinkwasser knapp ist, zahlen wir den Bauern den Erlös ihrer Ernte, damit sie das Wasser nicht verbrauchen. Trinkwasser für die Bevölkerung hat absolut Vorrang."

    Die gesamte Bevölkerung muss ihren Umgang mit Wasser ändern. Funk und Fernsehen berichten über die Wassernot, Künstler entwerfen Plakate und führen Theaterstücke auf, in Moscheen wird zum Wassersparen ebenso aufgerufen, wie in Frauenvereinen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Jugend geschenkt, sagt Mwafak Khallouf.

    Unterstützt wird die syrische Regierung dabei vom Deutschen Entwicklungsdienst, dessen Mitarbeiterin Christin Lüttich inzwischen in ganz Damaskus bekannt sei, sagt Khallouf. Die Entwicklungshelferin leitet die Kampagne zum Wasser sparen und verweist darauf, dass mehr als 60 Prozent der syrischen Bevölkerung jünger als 15 Jahre ist. Kinder seien die Wasserabnehmer von morgen, deshalb sie müssten ihre Gewohnheiten ändern, meint Christin Lüttich. Dass der Appell zum Wasser sparen sich mit Humor besser vermitteln lässt, als mit Verboten zeigt ein Trickfilm der Kampagne, der auch im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wird.

    Erzählt wird die Geschichte vom Wassergeist Dschinnie, dem durch übermäßigen Wasserverbrauch beim Autowaschen, Duschen und bei der Hausarbeit die Puste ausgeht. Retterin in der Not ist die kleine Jasmin, die ihren Eltern klar macht, dass sie Wasser sparen müssen. Wie das geht, lernen Kinder und Jugendliche in Wasserclubs in den Schulen. Verbunden mit technischen Maßnahmen, wie dem Anbringen neuer Wasserzähler, zeigt die Kampagne in Damaskus ersten Erfolg, sagt Mwafak Khallouf:

    "Wir hatten einen enormen Wasserverlust von bis zu 40 Prozent. Der ist um die Hälfte zurückgegangen. Vor unserer Kampagne wurden in Damaskus Stadt täglich 700.000 Kubikmeter Wasser verbraucht, heute liegt der Verbrauch bei 560.000 Kubikmeter pro Tag . Das ist ein schöner Erfolg. Die Einwohner von Damaskus haben gezeigt, dass sie die Bedeutung des Wassers erkannt haben."