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Wasserspeicher
Künstliche Eisreservoire kein Allheilmittel gegen Wassermangel

Eisreservoire können helfen, in extrem trockenen Regionen bei der Bewässerung zu helfen. Das hat eine Langzeitstudie der Universität Heidelberg gezeigt. Eine Lösung für den drohenden Wasserknappheit sei das jedoch nicht, sagte Marcus Nüsser im Dlf. Zudem sei der Begriff künstliche Gletscher irreführend.

Marcus Nüsser im Gespräch mit Ralf Krauter |
    Vertrockneter Boden und Pflanzen
    Eisreservoire, sogenannte künstliche Gletscher, können dabei helfen, trockene Regionen zumindest teilweise zu bewässern (imago / blickwinkel )
    Ralf Krauter: Wie können Bauern besser mit saisonaler Trockenheit klar kommen? Während Landwirte in Deutschland noch grübeln, hat man im nordindischen Ladakh längst Erfahrungen gesammelt. Um den Wassermangel in der Hochgebirgsregion zu lindern, wurden dort Reservoire gebaut, die Wasser im Winter in Form von Eis speichern. Wie gut das funktioniert, haben Forscher der Uni Heidelberg jetzt in einer Langzeitstudie untersucht. Ergebnis: Ein Allheilmittel gegen drohenden Wassermangel sind die 'künstlichen Gletscher' nicht.
    Im Dlf erklärt Professor Marcus Nüsser vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg zunächst, wie man sich die 14 Eisreservoire im Einzugsbereich des oberen Indus-Beckens vorstellen muss, die er und sein Team untersucht haben.
    Marcus Nüsser: Zuerst mal sind diese Eisreservoire aus folgendem Grund angelegt: In Ladakh liegen die natürlichen Gletscher sehr hoch, da findet man keinen unterhalb von 5.200 Metern, und das bedeutet gleichzeitig, dass der Zeitpunkt, wo das Schmelzwasser für die Bewässerungslandwirtschaft, die dort eigentlich die grundlegende Landnutzung darstellt, zur Verfügung steht, dauert es zu lang. In den Sommermonaten haben wir dort eben die Hauptschmelzwasser-Verfügbarkeit, aber das Wasser muss ja auch schon mit der Aussaat der Anbaupflanzung zur Verfügung stehen, und damit hat man dann eigentlich den kritischen Engpass in den Monaten März, April bis in den frühen Mai rein überbrückt.
    Krauter: Und zwecks dieser Überbrückung hat man etwas tiefer gelegen dann künstliche Eisreservoire angelegt. Wie sieht so was aus?
    Nüsser: So ein Eisreservoir kann unterschiedliche Formen haben. Die meisten bestehen aus kleinen kaskadenartigen Mauern, es kann sich über 700, 800 Meter hinziehen, in den Tallagen, und durch diese kleinen Mauern wird der Abfluss verlangsamt und es können sich in den Wintermonaten dann entsprechende Eisakkumulationen dort einstellen.
    3.200 Kubikmeter-Wasser-Speicherung möglich
    Krauter: Wie groß sind solche Eisspeicher, können Sie mal versuchen, das plastisch zu machen?
    Nüsser: Im Optimalfall haben wir einen, der ist so knapp 800 Meter lang, und in dem hat man etwa eine Eismächtigkeit in günstigen Jahren bis zu drei Meter. Dann könnte man in günstigen Jahren mit den Eisreservoiren knapp über 3.200 Kubikmeter Wasser speichern, das dann eben entsprechend früher für die Landwirtschaft zur Verfügung steht.
    Krauter: Diese Menge an Wasser, die Sie gerade genannt haben, für wie lange reicht so was, um, ich sag mal, mehrere Hektar oder Quadratkilometer von Feldern zu bewässern dann?
    Nüsser: Aufgrund der Höhenlage, die ja allgemein eben unterhalb der natürlichen Gletscher liegen – sagen wir mal so zwischen 3.900 und 4.300 Meter, da sind die eigentlich angelegt –, die sind im Regelfall Mitte Mai, Ende Mai dann vollständig abgeschmolzen.
    Krauter: Wie sind Sie denn vorgegangen, um jetzt in der Region für Ihre Studie genau zu analysieren, welchen wirtschaftlichen/gesellschaftlichen Nutzen diese Eisreservoire haben?
    Nüsser: Nachdem wir uns erst mal mit den naturräumlichen Situationen und der Funktionsweise auseinandergesetzt haben, haben wir dann die lokale Bevölkerung in den jeweiligen Dörfern befragt und auch entsprechende Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die ganz wesentlich sind, um diese Eisreservoire in den dörflichen Kontexten zu etablieren.
    Krauter: Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen, also gibt es einen bestimmten Typ von Eisspeicher oder eine bestimmte Lage, wo er sich befinden muss, damit die Sache besonders effizient und lohnend ist?
    Nüsser: Ja, wir haben letztlich vier unterschiedliche Typen voneinander unterschieden, und der eher klassische Typ – ich hatte es gerade mal kaskadenartige Abfolge von Mauern genannt –, der ist tatsächlich der effizienteste und der, der am besten funktioniert.
    Irreführende Bezeichnung
    Krauter: Was kann man denn aus Ihrer Studie jetzt folgern? Regional würde es dann wahrscheinlich Sinn machen, diese Art von kaskadenförmigem Speicher dort noch an mehreren Stellen zu errichten?
    Nüsser: Ja, sofern die Grundlagen dafür gegeben sind, bietet sich das in einigen Dörfern tatsächlich an, das zu machen. Andererseits sind diese Eisreservoirs ja in den letzten Jahren immer als künstliche Gletscher bezeichnet worden. Der Name stimmt nicht so ganz, weil erstens sind es keine Gletscher, das Eis bewegt sich nicht, wir haben keine Situation, dass wir ein Nährgebiet und ein Zehrgebiet haben, es ist eher etwas, dass es wirklich Eisreservoire sind. Und der Begriff "künstliche Gletscher" verwirrt zudem, weil er impliziert, dass diese künstlichen Gletscher dann den Verlust der natürlichen Gletscher ersetzen können. Dem ist nicht so.
    "Diese Typen sind wirklich nur geeignet unter ganz spezifischen Voraussetzungen"
    Krauter: Das heißt, wenn wir mal auf die größere Skala schauen, über den Tellerrand von Ladakh hinaus, welches Potenzial würden Sie dieser Technologie attestieren, um drohenden Wassermangel gerade in Südasien künftig zu vermindern?
    Nüsser: Diese Typen sind wirklich nur geeignet unter ganz spezifischen Voraussetzungen, dass wir eben solche Hochgebirgswüsten haben, wie wir es in Ladakh haben – Ladakh ist ja Teil des Transhimalaja, durch die Hauptkette des Himalaja vom Monsun her abgeschirmt. Ähnliche Regionen gibt es in Teilen von Nepal. In diesen Gebieten, die einerseits durch große Höhe und große Trockenheit gekennzeichnet sind – letztlich Hochgebirgswüsten darstellen –, dort hat man eigentlich die Möglichkeit, diese künstlichen Eisreservoire anzulegen. Für den Gesamt-Himalaja, wo es ja in vielen Regionen deutlich stärkere Gletscherrückgänge gibt, da helfen sie sicherlich nicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.