Wasserstoff wird heute schon erzeugt und industriell genutzt. Zum Beispiel bei der Herstellung von Düngemitteln und von Glas. Kraftwerksbetreiber kühlen ihre Stromgeneratoren manchmal mit Wasserstoff.
"Das sind aber alles Anwendungen, die eher in einer Nische stecken." Viel rosiger malt der Ingenieur Tom Smolinka vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg die Zukunft für Wasserstoff:
"Kann man sich im Prinzip wie heute Erdgas vorstellen, ist also ein Energieträger, den man in den verschiedensten Sektoren einsetzen kann. Als Kraftstoff in der Mobilität, indem er dafür verwendet wird, Brennstoffzellen-Fahrzeuge anzutreiben. Man kann den Wasserstoff als Erdgas-Ersatz auch einspeisen ins Gasnetz und dann halt zum Heizen, zum Kochen - was auch immer - verwenden."
"Wir fordern eine Art Markt-Aktivierungsprogramm"
Eine geeignete und bewährte Methode, um Wasserstoff zu erzeugen, ist dabei die industrielle Elektrolyse von Wasser:
"Ein elektrochemisches Verfahren: Sie können Wasser mit Hilfe von Strom in einer Elektrolyse-Zelle aufspalten in Wasserstoff und Sauerstoff."
Wenn das farb- und geruchlose Gas also eine rosige Zukunft im Deutschland der Energiewende haben soll, müsste die großtechnische Wasser-Elektrolyse kräftig ausgebaut werden. Wie das klappen könnte, beschreibt eine neue Studie für das Bundesverkehrsministerium. Tom Smolinka und sein Institut waren maßgeblich daran beteiligt:
"Was wir an der Stelle fordern, ist eine Art Markt-Aktivierungsprogramm, dass man solche Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff auch am Markt einsetzen kann unter wettbewerbsfähigen Bedingungen."
Vorschlag: Elektrolyse von Abgaben und Umlagen befreien
Das ist die Wasser-Elektrolyse nämlich bisher nicht: wettbewerbsfähig! Dafür verbraucht sie zu große Mengen Strom. Und der ist in Deutschland auch noch verhältnismäßig teuer, wie der Physiker Christopher Hebling bedauert, auch er Forscher am Freiburger Fraunhofer-Institut. So dass "der Wasserstoff natürlich genauso diesen Rucksack mit sich trägt."
Um das zu ändern, müsse man die Betreiber der Elektrolyse-Anlagen von allen Abgaben, Umlagen und Steuern auf Strom befreien. Das sei der "zentrale Hebel", um die Produktion von Wasserstoff anzukurbeln, heißt es in der Studie.
Industriekunden in Deutschland zahlen derzeit 15 Cent pro Kilowattstunde. Der Preis an der Leipziger Strombörse betrage aber nur vier bis fünf Cent, so Hebling. In einem Land wie Abu Dhabi koste Solarstrom sogar keine 2 Cent:
"Und da versteht man natürlich auch, dass man dann einen unschlagbar billigen Wasserstoff erzeugen kann und das wiederum als Energieträger eben etablieren kann."
Wasserstoff als Ergänzung zum E-Auto
Die neue Studie enthält auch einen Fahrplan für den Ausbau der Wasser-Elektrolyse in Deutschland. Demnach sollte es spätestens 2025 richtig losgehen. Ab 2030 müssten dann jedes Jahr Anlagen mit einer Leistung installiert werden, wie sie die größten deutschen Kohlekraftwerke aufweisen. Produziert würde der Wasserstoff grundsätzlich klimafreundlich - immer dann, wenn Windräder und Solaranlagen Strom im Überschuss produzieren.
Warum das alles? Weil Klimaschutzziele und Energiewende nicht allein mit Wind und Sonne zu schaffen seien. Man brauche zusätzlich speicherfähige Energieträger, so Tom Smolinka, "wie zum Beispiel Batteriespeicher. Und dann ist auch uns ganz klar, beziehungsweise es ist eigentlich auch anerkannter Stand der wissenschaftlichen Diskussion, dass, wenn wir Richtung 2050 denken, Energiespeicherung über synthetische Kraftstoffe wie Wasserstoff unumgänglich ist."
Der Verkehrssektor bewegt sich derzeit stark in Richtung Elektro-Mobilität. Doch sie allein könne nicht die Lösung sein, sagt Christopher Hebling. Genauso wichtig sei es, Autos im Markt einzuführen, die mit Brennstoffzelle und Wasserstoff fahren:
"Insbesondere Schwerlastverkehr - das ist eine Domäne des Wasserstoffs. Ein typisches Flottenauto fährt 500 Kilometer am Tag. Das will und kann man nicht batterieelektrisch darstellen."
Weltweite Konkurrenz schläft nicht
China baut derzeit eine Fabrik, in der 5.000 Brennstoffzellen-Busse pro Jahr vom Fließband laufen sollen! In den USA hat eine bekannte Brauerei kürzlich mehrere hundert Tanklaster mit Wasserstoff-Antrieb bestellt:
"Auch die Schweiz jetzt hier vor unserer Tür - die werden auch tausend Lkw jetzt in den Markt bringen. Dort hat es noch ein anderes Anreizsystem, dass die 40-Tonner in der Schweiz pro Kilometer einen Franken abdrücken müssen, um die Straßen aufrechtzuerhalten. Bei emissionsfreien Fahrzeugen entfällt das. Ein Spediteur, der spart pro Fahrzeug 50.000 bis 70.000 Franken pro Jahr. Und deswegen werden da auch gleich mal tausend gedacht und nicht zwei oder drei, wie es hier in Deutschland manchmal der Fall ist."
In Deutschland läuft zwar inzwischen das zweite nationale Entwicklungsprogramm für Brennstoffzellen und Wasserstoff-Technologie. Andere Länder, sagt Tom Smolinka, seien aber schon weiter:
"In Frankreich wurde jetzt im Juni dieses Jahres ein nationaler Entwicklungsplan für die Wasserstoff-Technologie aufgestellt. So was konkret haben wir in Deutschland noch nicht für die Etablierung dieser Technologie."