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Watt statt Öl oder Öl aus dem Watt?

Seit fast 25 Jahren wird im schleswig-holsteinischen Wattenmeer Erdöl gefördert. Schon lange vermutet die Förderfirma, dass dort noch mehr Öl liegen könnte. Probebohrungen sollen genauere Auskunft geben, doch die lägen mitten im Nationalpark Wattenmeer - Umweltschützer schlagen Alarm.

Von Dietrich Mohaupt |
    Es geht um rund 23 Millionen Tonnen Rohöl – soviel vermuten die Experten des Konzerns RWE Dea in mehreren Lagerstätten im Ölfeld Mittelplate vor der Dithmarscher Nordseeküste bei Büsum und unter dem niedersächsischen Wattenmeer vor Cuxhaven. 23 Millionen Tonnen – nicht eben ein Pappenstiel, meint Konzernsprecher Derek Mösche.

    "Das ist für Deutschland schon volkswirtschaftlich sehr wichtig, wenn man bedenkt, dass zurzeit die Ölreserven in Deutschland rund 36 Millionen Tonnen betragen. Allein in Dithmarschen hängen über 1000 Arbeitsplätze an Mittelplate, allein in der Raffinerie Heide sind es knapp 500, dann hängt die gesamte weiterverarbeitende Industrie in Brunsbüttel da mit dran, und auch für Niedersachsen wäre das natürlich eine interessante Option, dort einen Förderbetrieb zu bekommen an der Küste."

    Und: Mehr als 100 Mio. Euro fließen allein in diesem Jahr aus dem sogenannten Förderzins als Abgabe des Unternehmens direkt in die schleswig-holsteinische Landeskasse. Soweit, in aller Kürze und aus der Sicht des Konzerns RWE Dea, die volkswirtschaftliche Seite der Medaille – die allerdings für Kritiker aus den Reihen der Umwelt- und Naturschutzverbände nicht annähernd so attraktiv erscheint wie für das Hamburger Unternehmen. WWF, NABU und Schutzstation Wattenmeer fordern einmütig: Keine weiteren Ölbohrungen im Nationalpark – das ist ganz einfach nicht zulässig, argumentiert Silvia Gaus von der Schutzstation Wattenmeer.

    "Beispielsweise steht ja knallhart im Nationalparkgesetz, dass Bohrungen verboten sind. Die Ölförderung darf nur von der Mittelplate ausgehen, aber eben jede weitere Bohrung im Nationalpark verstößt unserer Ansicht nach gegen das Nationalparkgesetz."

    Schlimm genug meint Silvia Gaus, dass überhaupt mitten in einem so empfindlichen Ökosystem wie dem Nationalpark Wattenmeer Öl gefördert wird, und jetzt soll es noch mehr Bohrungen geben - das wollen die Umweltschützer so nicht hinnehmen. Konzernsprecher Derek Mösche hält dagegen – es gehe schließlich nicht darum, über neue Bohrungen mehr Öl direkt im Nationalparkgebiet zu fördern.

    "Das wird dort keine neue Fördereinrichtung im Wattenmeer geben. Wir respektieren da natürlich die Schutzwürdigkeit, uns ist durchaus bewusst, wie sensibel die Region ist. Wir haben durch Mittelplate unter Beweis gestellt, dass wir dort sehr verantwortungsbewusst agieren, und sind der festen Überzeugung, dass wir hier umweltgerecht zeitlich befristet diese Probebohrungen durchführen können und dann die Förderung von außerhalb des Nationalparks vornehmen können."

    Abgelenkte Bohrungen heißt das Stichwort dafür – das funktioniert bereits in Dithmarschen, wo eine Bohrung von Land aus über mehr als neun Kilometer in die Lagerstätte der Mittelplate unter dem Watt vorgetrieben wurde. Technische Details, die für Silvia Gaus von der Schutzstation Wattenmeer überhaupt nicht relevant sind. Auch wenn jetzt nur Probebohrungen geplant sind – der dafür notwendige Aufwand, zum Beispiel mit absenkbaren Pontons für die technische Ausrüstung, sei eine Katastrophe für das Ökosystem Watt, meint sie.

    "Es geht ja nicht nur darum, ein kleines Loch zu bohren, sondern das ganze Know-how drum herum. Diese Riesenpontons, die über Wochen und Monate auf dem Wattboden liegen, hinterlassen Schäden – in dem Gebiet sind erst einmal alle Lebewesen tot. Es hängt also viel mehr dran, es hängt die ganze Störung im Gebiet da dran, und – noch einmal: Bohrungen sind verboten, egal ob es jetzt so eine Exploration ist oder ob es sonst welche Bohrungen sind – es ist schlicht und ergreifend nicht erlaubt."

    Ob diese Behauptung so zutrifft – auch das prüft derzeit das zuständige Umweltministerium in Kiel. Gut 500 Seiten stark sind die Antragsunterlagen, die RWE Dea für die Bohrungen eingereicht hat – bis Ende des Monats werde es sicher dauern, diese Unterlagen allein auf formale Kriterien hin zu überprüfen, betont Ministeriumssprecher Christian Seyfert.

    "Dann werden wir, wenn das alles so weit in Ordnung ist, in die inhaltliche Prüfung einsteigen. Die wird noch etwas zeitaufwendiger sein, auch sein müssen, weil diese Sache nicht nur sauber abgearbeitet werden muss auch vor dem Hintergrund, dass möglicherweise ein Bescheid hinterher beklagt werden könnte, sodass wir davon ausgehen, dass wir eine inhaltliche Prüfung haben werden von über den Daumen gepeilt sechs Monaten, vielleicht sogar etwas länger."

    Monatelange Prüfverfahren, und dann womöglich noch der lange Weg durch die Gerichtsinstanzen – der neue Kampf um die letzten Ölreserven unter dem Weltnaturerbe Wattenmeer hat gerade erst begonnen.