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Wavepool statt Meer
Auf der Suche nach der perfekten Welle

Wellenreiten liegt im Trend. Bei den olympischen Spielen 2020 wird die Sportart deshalb erstmals vertreten sein. Weil viele Surfbegeisterte für die perfekte Welle nicht mehr so weit reisen wollen, ist ein Wettlauf um die Schaffung künstlicher Wellen entbrannt.

Von Bastian Rudde |
    Der Amerikaner Kelly Slater beim Wellenreiten in Brasilien.
    Surf-Star Kelly Slater und sein Team haben eine perfekte Welle im Pool entwickelt (imago/WSL)
    Man könnte Kelly Slater für einen Mann halten, der sich alle amerikanischen Träume längst erfüllt hat. Slater ist elffacher Weltmeister im Wellenreiten und ist seit Jahren der Megastar der Surf-Szene.
    Doch tatsächlich: Kelly Slater hat noch Träume. Wie einer davon wahr wird, zeigt ein Werbevideo, der nach ihm benannten Wave Company, das Slater Ende 2015 ins Internet gestellt hat. Darin steht er am Rand eines riesengroßen Beckens und beobachtet jubelnd, wie eine Welle heranrollt, die er später selber auf seinem Brett runterreitet. Dann feiert er sein Kunstprodukt als die zweifelsfrei beste Welle, die jemals von Menschenhand geformt worden sei. Traum erfüllt, nach zehn Jahren Arbeit.
    "Realistically I have been waiting for this moment since 2005. This is the best wave, man ever made. No doubt about it.”
    "Kelly Slater, der hat ganz im Geheimen seinen Pool gebaut. Eigentlich wusste man davon gar nichts. Und: Es ging ein Erdbeben durch das Internet. Alle Surfer haben diesen Clip gesehen. Und er wurde millionenfach angeklickt innerhalb von einer Stunde."
    "Das kommt ganz selten vor"
    Auch Stephan Bernhard von der Zeitschrift "Prime Surfing" hat das Video gesehen – und er sagt: Slaters Team hat wirklich eine Welle entwickelt, bei der jeder Tropfen an der richtigen Stelle sei.
    "Das ist eine Tube, eine Wasserröhre, die sich überschlägt. Und der Surfer fährt dann praktisch in dieser Röhre und kann dann darin zehn bis 15 Sekunden entlang rasen und wird ganz umschlungen vom Wasser und kommt am Ende wieder raus. Das ist etwas, was es in der Natur gibt – aber nicht oft. Nur ganz selten kommt so etwas vor."
    Die Perfektion der Natur reproduzieren. Dass dafür Bedarf bestehen könnte, lässt sich an den Stränden Portugals, Spaniens oder Frankreichs leicht beobachten. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Surfschulen scheinen seit ein paar Jahren ungebremsten Zulauf zu haben. Auf den natürlichen Wellen der Welt ist es voll geworden. Warum also nicht künstliche schaffen für Leute, die dem Sport nach dem Urlaub treu bleiben wollen? Oder die ihn lernen wollen, ohne dafür weit reisen zu müssen? Wavepool statt Meer.
    Surfsport soll sich entwickeln
    "Da muss man sich so eine Art See vorstellen, oval, ist 300 bis 400 Meter lang. Und da fährt…an einer Kette wird eine Art Pflug durchgezogen. Und der erzeugt ähnlich wie bei einem Schiff vor dem Bug eine Welle, die durch den See läuft."
    "Wenn man eine künstliche Welle hat, deren Geschwindigkeit, Höhe und Form man verändern und kontrollieren kann und wenn man das immer und immer wiederholen kann, dann kann sich Surfen schnell weiterentwickeln."
    Was Kelly Slater in seinen Werbevideos allerdings nicht sagt, ist, dass er wohl ein Problem hat. Seine künstliche Welle auf der Anlage im Hinterland von Kalifornien mag zwar perfekt sein, allerdings kann er – nach allem, was man hört – nur alle fünf bis sechs Minuten eine erzeugen. Zu selten, um damit in einen kommerziellen Regelbetrieb für Jedermann zu gehen. Ein Nachteil im noch recht jungen Wettlauf um die Schaffung künstlicher Wellen, um dessen Spitzenposition sich Slaters Company gerade eine Art Zweikampf mit einem spanischen Unternehmen liefert.
    "Nach über zehn Jahren Entwicklungsarbeit haben wir verschiedene Methoden zur Herstellung von künstlichen Wellen getestet und haben inzwischen zwei öffentliche Surfanlagen", erzählt Karin Frisch. Die Deutsche leitet in Spanien die Firma Wavegarden. Deren Wellenform wird zwar oft als noch nicht so perfekt beschrieben wie die Slaters. Aber: Die Frequenz ist höher, ein Regelbetrieb möglich. Karin Frisch sagt, dass auf den zwei Anlagen in Texas und Wales 100 Wellen pro Stunde möglich sind.
    Künstliche Wellen auch für Tokio 2020?
    "Wales wurde 2015 eröffnet. Wir haben die Möglichkeit, dass in unterschiedlichen Bereichen die Wellen verschieden groß brechen. Damit gibt es Surfbereiche für jedes Surfniveau."
    Umgerechnet mindestens 35 Euro kostet eine Stunde Surfen in dem Wellenpark in Wales. Dessen Bau hat nach Angaben von Karin Frisch um die 25 Millionen Euro gekostet. Auch die Gastgeber der olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio hätten sich für die Technik interessiert, erzählt Karin Frisch. Surfen ist dann zum ersten Mal olympisch. Doch die Entscheidung fiel gegen künstliche Wellen aus und für ein Küstengebiet knapp 100 Kilometer von Tokio.
    "Die IOC-Funktionäre haben von Surfen relativ wenig Ahnung. Sie haben gehört, in Japan gibt es einen Surfstrand, es ist gibt Surfer. Sie haben aber nicht so weit gedacht, dass im Sommer die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering ist, dass in Japan Wellen brechen."
    Das Meer und damit die Wellen sind halt an fast keinem Ort der Erde das ganze Jahr über gleich. Für Karin Frisch eines der Argumente für künstliche, verlässliche Wellen. Sie erzählt, dass weitere Projekte im Gespräch seien – auch in Deutschland. Doch eines wird es nie auf Knopfdruck geben, sagt Stephan Bernhard von der Zeitschrift "Prime Surfing":
    "Dieses Lebensgefühl eines Surfers, die Wellen zu jagen und in ferne Länder zu reisen, das kann man eben nicht im Pool haben."