Deutschlands größte Regionalzeitung, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), hat sich ein Labor zugelegt. Hier, im ProBo, wird unter realen Bedingungen des täglichen Produzierens einer Zeitung daran getüftelt, wie die Weichen in eine gesicherte Zukunft des Lokaljournalismus gestellt werden könnten.
ProBo steht übrigens für Pro Bochum - dem Sitz der zweitgrößten Lokalredaktion der Funke Mediengruppe und dem Gründungsort der WAZ vor 70 Jahren. Im Konferenzraum erläutert Redaktionsleiter Thomas Schmitt, aus welcher Verlags-Erkenntnis heraus dieses Labor vor eineinhalb Jahren eingerichtet wurde:
"Dass wir unsere Produkte verbessern müssen. Dass wir sowohl die Zeitung verbessern müssen als auch unseren Online-Auftritt. Und auch das hat mit Inhalten zu tun, dass wir darüber nachdenken müssen, ob wir die richtigen Inhalte haben und wie wir zu besseren, zu anderen Inhalten kommen."
Drei Seiten mehr für Lokales
Also zu Inhalten, die bei den Lesern größere Resonanz erzielen, damit diese die Zeitung weiter kaufen oder die Online-Ausgabe abonnieren, sprich: zahlend bei der Stange bleiben. In Bochum, einer Stadt mit 395.000 Einwohnern, liegt die Abonnentenzahl der WAZ bei etwa 40.000.
Und wonach sucht man in diesem Zeitungslabor? Erstens nach den Gründen für den Abwärtstrend und zweitens nach Möglichkeiten, diesen zu stoppen. Was lag da näher, als eine große Leserbefragung zu starten, an der über 1.300 WAZ-Kunden teilnahmen. Danach, so Thomas Schmitt, war man erheblich schlauer.
"Eine große Erkenntnis war, dass sich die Leser mehr sublokale Inhalte wünschen. Also mehr Berichte aus den Stadteilen, aus ihrem direkten Umfeld. Und dass sie sich nicht nur für ihren Stadtteil, ihr Umfeld interessieren, sondern diese kleinteilige Berichterstattung durchaus über andere Stadtteile erfahren und lesen wollen. Weil: Menschen bewegen sich ja innerhalb einer Stadt."
Eine Erkenntnis, aus der der Verlag Konsequenzen gezogen hat und den Lesern nun täglich mehr Lektürestoff bietet: "Die Leser bekommen drei Seiten mehr als vorher. Und das ist in Zeiten, da Tageszeitung ja rückläufige Abo-Zahlen hat, das haben wir auch, ist das etwas Besonderes."
Wunsch nach mehr "guten Nachrichten"
Weit oben auf der Leser-Wunschliste standen zudem die Kommunalpolitik, Natur- und Umweltthemen sowie Beiträge zur Stadtgeschichte, resümiert Linda Heinrichkeit, eine von zwei jungen Redakteurinnen, mit denen das Labor bei der Bochumer WAZ verstärkt wurde.
Außerdem äußerten die Leser ein ganz besonderes Bedürfnis - und zwar nach mehr guten Nachrichten in der Zeitung. Und diese Nachfrage, so Linda Heinrichkeit, bedient man inzwischen einmal im Monat mit "Der Seite der guten Nachrichten":
"Immer am letzten Samstag des Monats. Dort erzählen wir eine positive Geschichte aus der Stadt und flankieren das mit mehreren Rubriken. Und haben jetzt auch bei einer qualitativen Leserbefragung festgestellt, dass das bei den Lesern gut ankommt."
Channel-Manager für Print- und Digitalangebote
Ob in gedruckter Form, als E-Paper oder Online. Schließlich, ließ unlängst WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock verlauten, gehe es durch die Verzahnung der medialen Präsentation auch darum, den Ausbau der digitalen Bezahlangebote zu beschleunigen. Bei ProBo laufen die verknüpfenden Fäden bei den Digital- und Printmedien deshalb bei einem Channel-Manager zusammen.
Die ausgegebene Zielsetzung lautet, mit den Inhalten nah an die Lebensumstände der Leser bzw. User heranzurücken. Zum Beispiel über die "WAZ-Familie", die öffentlich Einblicke in ihren Alltag gewährt, sagt Gianna Schlosser, die zweite ins Team geholte Redakteurin.
"Wir wollten eben Protagonisten haben, die wir über einen längeren Zeitraum begleiten können, die die Leser kennenlernen können und mit denen man einfach ganz verschiedene Themen, die Familien bewegen, die für Familien relevant sind, an denen man die darstellen kann."
"Unsere digitale Reichweite wächst"
Im Sommer nächsten Jahres läuft das Projekt in Bochum erst einmal aus. Doch schon jetzt konstatiert Redaktionsleiter Schmitt, was die nachweisbare Leser-Resonanz anlangt: "Die Leser halten an dem Produkt fest. Das gilt jetzt für Print. Und unsere digitale Reichweite wächst."
Nicht nur das, denn außerdem habe sich herausgestellt, dass Nutzer durchaus bereit sind, für die ganz aktuelle lokale Sportberichterstattung im Onlinebereich zu bezahlen. Im ProBo-Labor gewonnene Erkenntnisse, die WAZ-Chefredakteur Tyrock für die Zukunft des Lokaljournalismus zuversichtlich stimmen dürften.