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WBGU-Gutachten
Ziel einer "Partnerschaft für den Klimaschutz"

Klimaschutz als Bürgerbewegung - darauf setzt der Wissenschaftliche Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU). Es müsse eine Partnerschaft zwischen den Verhandlungsprozessen der Staaten und den Aktionen der Bürger, Unternehmen und Kommunen entstehen, sagte WBGU-Vorsitzender Hans-Joachim Schellnhuber im DLF.

Hans-Joachim Schellnhuber im Gespräch mit Georg Ehring |
    Hans Joachim Schellnhuber,Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
    Eine horizontale Verantwortungsarchitektur in Sachen Klima müsse die bisherige vertikale Architektur ersetzen, meint Hans-Joachim Schellnhuber. (Ole Spata / dpa)
    Georg Ehring: Ende nächsten Jahres will die Welt über den Klimaschutz der Zukunft entscheiden. In Paris soll ein Abkommen entstehen, das alle Länder rechtlich verbindlich in die Pflicht nimmt. Wie es aussehen könnte und wer die Treiber sind im Klimaschutz, darüber hat der wissenschaftliche Beirat "Globale Umweltveränderungen" der Bundesregierung heute einen Vorschlag vorgelegt: "Klimaschutz als Weltbürgerbewegung" ist der Titel. Ich habe vor dieser Sendung darüber mit dem Vorsitzenden, Professor Hans-Joachim Schellnhuber gesprochen, und ich habe ihn gefragt, welche Rolle dabei die Pflichten der Staatengemeinschaft spielen.
    Hans-Joachim Schellnhuber: Was wir sehen im Augenblick, was den Klimaschutz angeht, ist, dass wir natürlich die internationalen Verhandlungen haben. Die Pariser Konferenz im nächsten Jahr wird ja schon die 21. dieser Art sein. Man muss sich das vorstellen: Die Emissionen steigen weiter, der Klimawandel schreitet voran und es wird getagt und getagt. Dennoch ist dieses multilaterale Verhandeln natürlich notwendig, weil das Klimaproblem ein globales Problem ist. Aber auf der anderen Seite bewegt sich in den einzelnen Ländern, in einzelnen Gesellschaften, in einzelnen Unternehmen, in Kommunen jede Menge, was den Klimaschutz voranbringen kann, und wir haben in diesem Gutachten eben darüber nachgedacht, wie man die beiden Strömungen zusammenbringen könnte, sodass der internationale Verhandlungsprozess, der von den Nationalstaaten natürlich verantwortet wird, einen neuen Schub, eine neue Dynamik bekommen kann, dass aber umgekehrt auch die vielen Aktionen der Bürger, der Unternehmen, der Kommunen mehr Unterstützung bekommen wiederum von den Nationalstaaten, sodass eine Partnerschaft für den Klimaschutz entstehen könnte.
    "Komplizenschaft zur Verdrängung der Zukunftsverantwortung"
    Ehring: Und worauf kommt es an, wenn beide Seiten zusammengebracht werden sollen?
    Schellnhuber: Ich will zunächst noch einmal erklären, wie es bisher läuft. Wir haben so was wie eine vertikale Verantwortungsarchitektur. Was soll das heißen? Das soll heißen, der Bürger beauftragt seinen gewählten Vertreter sozusagen mit der Zukunftsvorsorge und die Regierungen, wenn sie sich treffen bei solchen Vertragsstaatenkonferenzen, sagen, na ja, ich würde ja gern den Klimaschutz weiter nach oben bringen, aber meine Bürger würden das nicht mitmachen. Und dann verweist man zurück auf die eigene Wählerschaft und so gesehen entsteht so was wie eine Komplizenschaft, um es mal scharf auszudrücken, zur Verdrängung der Zukunftsverantwortung. Was wir im Auge haben ist, dass daraus eine Partnerschaft für die Zukunftsgestaltung wird. Und in unserem Gutachten benennen wir zahlreiche Beispiele, was in der Tat Regierungen tun können, um den Klimaschutz im eigenen Lande zu stärken, aber auch benennen wir viele Bewegungen - das sind ja tatsächlich soziale Bewegungen, die entstanden sind -, die gewissermaßen Rückenwind schaffen für die einzelnen Nationalstaaten, um sich schneller zu bewegen.
    Ehring: Wo ist denn diese Bewegung von unten? Ich habe den Eindruck, bei uns rückt das Klima immer mehr aus dem Fokus.
    Schellnhuber: Na ja, die Frage ist, ist es ein Modethema, wie es 2007/2008 sicher war, oder ist es ein Thema, was letztendlich zum festen Bestandteil der Zukunftsvorsorge geworden ist, aber nicht ständig benannt werden muss. Wir haben auf der einen Seite ja die Energiewende in Deutschland, aber auch in verschiedenen anderen Ländern wird über das heftig nachgedacht, und das wird sicherlich getragen von einem breiten Konsens. Da haben Sie eine ganz interessante Bewegung hin zur Bürgerbeteiligung. In Deutschland gibt es inzwischen Millionen von Energieunternehmen, wenn Sie so wollen. Die haben halt eine Solaranlage auf ihrem Dach, die haben eine Biogasanlage, die sind beteiligt an einer Windturbine, und da haben Sie eine breite Massenbewegung, die sich beteiligt, die partizipiert an der Energiewende und natürlich entsprechend sich auch politisch äußert. Das ist das eine.
    Aber Sie haben dann auch inzwischen weltweit eine breite Bewegung hin in Richtung Klimagerechtigkeit. Das Ganze heißt "Biovestment" im Englischen - das ist das Gegenteil von Investment -, wo zum Beispiel Studenten von Elite-Universitäten wie Harvard oder Inhaber von Bankkonten bei großen Unternehmen oder auch Glaubensgemeinschaften einfach fragen, was geschieht eigentlich mit dem Geld, das ich anlege. Solche Beispiele nennen wir viele, wo gewissermaßen so was wie eine horizontale Verantwortungsarchitektur die bisherige konventionelle vertikale Architektur ersetzt, wo also Bürger über die Landesgrenzen hinweg sich gemeinsam engagieren für Zukunftsverantwortung, für Klimaschutz und ihren jeweiligen Regierungen dann auch entsprechend Druck machen und ihnen sagen, das erwarten wir von euch. Insofern ist unser Gutachten voller solcher Beispiele. Wir glauben, dass daraus eine Strömung entsteht, die in den nächsten Jahrzehnten unsere Industriewelt verändern wird im Sinne einer großen Transformation.
    Ehring: Soweit Hans-Joachim Schellnhuber, der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats "Globale Umweltveränderungen". Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.