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Weber zu EU-Konjunkturprogramm
"Wir müssen Zukunft schaffen für die junge Generation"

Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament, hat bei den geplanten EU-Hilfsgeldern eine sinnvolle Verwendung der Gelder angemahnt. Da man der nächsten Generation erhebliche Schulden auflaste, müsse das Geld vor allem in Zukunftsprojekte fließen, sagte der CSU-Politiker im Dlf.

Manfred Weber im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Manfred Weber (CSU), stellvertretender Parteivorsitzender der CSU, spricht beim Deutschlandtag der Jungen Union
Der EVP-Fraktionschef im Europäischen Parlament, Manfred Weber, hofft auf eine Einigung über EU-Haushalt und Corona-Fonds noch vor der Sommerpause. (picture alliance / Harald Tittel)
Die EU-Kommission stellt am Mittwoch ihre Pläne für ein Konjunkturprogramm zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie vor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird dazu auf einer Sondersitzung des Europaparlaments eine Rede halten. Bekannt ist bereits, dass die Kommission mehrere Hundert Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen und zum Großteil als Zuschüsse für Investitionen in besonders betroffene EU-Staaten vergeben will. Noch stehen die Details der Kommissionsvorschläge nicht fest. Über das Wie der Finanzierungshilfen und die Höhe dürfte in den nächsten Tagen und Wochen noch erbittert gefeilscht werden. Am Ende müssen alle 27 Mitgliedsstaaten und das das EU-Parlament zustimmen.
Jörg Münchenberg:: Herr Weber, was erwarten Sie heute von der EU-Kommission, wenn es um die Bekämpfung der Corona-Krise und deren Folgen geht?
Martin Weber: Heute ist der Tag der Solidarität! Europa steht zusammen. Wir haben jetzt Monate erlebt in der Krisenzeit. Als Corona Europa hart getroffen hat, haben wir ja eher einen nationalen Egoismus erlebt, beim Masken austauschen, bei der Unterstützung, bei der Krankenversorgung. Heute wie gesagt ist das Signal der Solidarität. Wir halten zusammen. Die Stärkeren stärken die Schwächeren. Und wir wissen, dass wir es nur gemeinsam schaffen.
Münchenberg: Mit der Solidarität ist es so eine Sache. Es gibt ja die sogenannten sparsamen Vier. Die haben sich auch schon zu Wort gemeldet und sagen, keine direkten Zuschüsse an die Länder. Es gibt den Vorschlag von Deutschland und Frankreich, die sagen, wir befürworten Zuschüsse. Wie ist da Ihre Position?
Weber: Ich glaube, zunächst mal muss man das Wording der sparsamen vier sich genau anschauen und zuhören. Ich habe mich immer gefreut, dass auch Sebastian Kurz beispielsweise zunächst von Solidarität gesprochen hat in seinen Äußerungen. Auch im Papier ist das verankert. Die verweigern sich nicht des Miteinanders, das notwendig ist auf dem Kontinent. Aber sie fragen natürlich, wie die Strukturen sind, und über die Architektur kann man jetzt auch noch weiter diskutieren.
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Die EU-Kommission will an diesem Mittwoch einen Rettungsplan zur Bewältigung der Coronakrise vorstellen. Art und Finanzierung der Coronahilfen sind in der EU hoch umstritten, was auch in zwei vorliegenden unterschiedlichen Konzepten zum Ausdruck kommt. Ein Überblick.
Der Vorschlag wird heute kommen und dann wird der Rat Ende Juni darüber beraten, wir im Parlament werden beraten. Es wird auch noch weitere Diskussionen geben. Logischerweise liegt es auf der Hand, dass es einen Kompromiss zwischen den Zuschüssen und den Krediten geben wird, dass es einen Mix geben wird, was heute auch die Kommission so vorschlagen wird.
Es gibt beispielsweise Projekte, die ich mir wünschen würde. Ich möchte, dass wir mit dem Geld jetzt in die Zukunft investieren, dass wir Zukunftsprojekte machen. Beispielsweise ein europäisches 5G-Programm, dass wir 5G-Netzwerke in ganz Europa aufbauen. Das würde sofort einen europäischen digitalen Binnenmarkt schaffen und alle jungen Internet-Entwickler und App-Entwickler, die wir haben, würden sofort einen Riesenmarkt haben. Wir würden Zukunft schaffen mit solchen Investitionen.
Wenn man das macht, wenn man Funkmasten aufstellt, dann kann man das nicht über Kredite machen, sondern dann muss man das natürlich auch mit Zuschüssen machen. Insofern wird es eine Mischung sein zwischen beiden Bereichen. Ich glaube, dass der Kompromiss gar nicht so weit weg ist mit gutem Willen. Das Momentum, dass jetzt jeder gefordert ist, einen Beitrag zu leisten, das ist offensichtlich da.
"Wir müssen jetzt Zukunft schaffen für die junge Generation"
Münchenberg: Aber was spricht denn eigentlich gegen Kredite, wenn man sagt, mit langen Laufzeiten, mit niedrigen Zinsen? Auch das wäre ja unterm Strich trotzdem ein Signal der Solidarität.
Weber: Natürlich! Auch das ist ein Signal der Solidarität. Aber wir müssen jetzt überlegen, in welchen Bereichen welche Methode richtig ist, welcher Ansatz richtig ist. Für mich ist, wie gesagt, viel zentraler nicht die Frage, ob wir das über die Zuschüsse machen oder über die Kredite, sondern die zentrale Frage ist, für was verwenden wir das Geld. Das ist bei uns Zukunft, Zukunft, Zukunft! Ich bin nicht bereit, dass wir die Gelder verwenden, um die Wahlversprechen von Podemos, von der kommunistischen Partei Podemos in Spanien zu finanzieren. Das müssen die dann selbst machen, wenn sie es den Leuten versprochen haben.
Wir müssen jetzt Zukunft schaffen für die junge Generation. Wir lasten ja auch der nächsten Generation viel Geld auf. Das muss man sehen. Ich freue mich grundsätzlich nicht darüber, wenn wir Schulden machen, aber angesichts der Lage, dass wir jetzt fast zehn Prozent beim Bruttoinlandsprodukt verlieren in diesem Jahr nach den Prognosen der EZB, sehe ich auch keine Alternative, als jetzt die europäische Wirtschaft aufzufangen.
Münchenberg: Aber unabhängig davon, wofür dieses Geld verwendet wird. Fakt ist ja schon, dass die sparsamen Vier zum Beispiel sagen, man wolle keine Schuldenunion durch die Hintertür. Was ist an diesem Argument so verkehrt? Das war ja schließlich auch lange Zeit die Position von CDU und CSU im EU-Parlament.
Weber: Was wir jetzt machen ist definitiv nicht der alte Ansatz der Euro-Bonds oder der Corona-Bonds im neuen Gewande. Wir machen jetzt nicht die gemeinsamen Schulden auf europäischer Ebene, sondern die Mitgliedsstaaten geben mit dem Eigenmittelbeschluss, der zum Haushalt der EU dazugehört, die Garantie mit ab, dass sie beim nächsten Haushalt die Zahlungen wieder zurückführen können, die wir jetzt auf den Märkten aufnehmen. Das heißt: Jeder leistet einen Beitrag zum EU-Haushalt.
Übrigens ist das für uns als Parlament zentral, weil wir natürlich dann die Gelder über das jährliche Budget, über den jährlichen Haushalt auch demokratisch kontrollieren. Jeder Gemeinderat stimmt über die Gemeindemittel ab und der Bundestag über die Bundesmittel, und so muss es auch auf europäischer Ebene sein, dass wir darüber abstimmen. Insofern gehen wir einen klugen Mittelweg bei der Finanzierung jetzt der Krise. Aktuell können wir es aus den Steuereinnahmen weder national, noch europäisch leisten, die Wirtschaft abzufedern. Deswegen müssen wir auf die Märkte gehen. Aber finanziert wird es durch zukünftige Zusagen.
Ich möchte den Gedanken, Herr Münchenberg, wenn Sie erlauben, noch aufgreifen, der im Vorbericht aufgetaucht ist, nämlich die Frage mit den Eigenmitteln. Ich weiß, dass das in Deutschland hoch strittig ist, ob wir in Europa Steuern erheben sollten oder nicht. Aber man muss schon eines sehen, ich mache es an einem Beispiel fest: Der große Gewinner der Krise ist Amazon, die im Digitalhandel jetzt große Gewinne haben. Der Händler bei uns am Stadtplatz oder am Dorfplatz, das ist der große Verlierer. Selbst die großen Länder sind heute technisch und operativ nicht mehr in der Lage, die Digitalkonzerne ordentlich zu besteuern, weil die nicht fassbar sind für viele Finanzämter. Deswegen macht es aus meiner Sicht Sinn, jetzt eine Digitalsteuer in Europa zu machen, die zu besteuern, und das Geld der Gewinner aus der Krise zu verwenden, um die Schulden zu bezahlen.
imago images / Olaf Döring  Haltestelle Stadtmitte am Rathaus Mülheim an der Ruhr *** Stop Stadtmitte at the town hall Mülheim an der Ruhr
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Die Corona-Pandemie stellt die Kommunen vor Herausforderungen. Der Bundesfinanzminister plant nun, sie mit 57 Milliarden Euro zu entlasten. Das lässt Bürgermeister und Kämmerer von Mülheim an der Ruhr bis Reutlingen hoffen.
Münchenberg: Das ist aber auch hoch umstritten, aber da wollen wir jetzt nicht noch tiefer gehen, weil das würde allein schon sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Lassen Sie mich noch mal auf den einen Punkt zurückkommen, was Sie vorhin auch gesagt haben: Die Koppelung zum Beispiel von Zuschüssen an eine solide Haushaltsführung. Da steht ja schon die Kritik im Raum, da ist Europa immer wieder dran gescheitert, einfach weil die nationale Souveränität da im Weg stand und sich am Ende die Nationalstaaten über die Empfehlungen aus Brüssel ja doch immer regelmäßig hinweggesetzt haben.
Weber: Da gibt es natürlich immer einen Streit zwischen nationaler Kompetenz und den Regeln, die sich die Mitgliedsstaaten auf europäischer Ebene gegeben haben. Aber ich würde über die letzten zehn Jahre, seit der großen Eurokrise und nachdem wir dort auch die Regeln verändert haben, einen Schlussstrich darunter ziehen und würde sagen, dass Europa in diesen zehn Jahren deutlich stabiler geworden ist, deutlich weniger auf die Zukunft bucht und mehr Eigenverantwortung übernimmt. Selbst Länder wie Italien waren in den letzten Jahren immer unter drei Prozent Neuverschuldung. Sie hatten einen Haushalt, der die Regeln soweit im Drei-Prozent-Bereich eingehalten hat. Insofern sind wir da vorangekommen.
Aber ja: Solidarität geht nur, wenn wir auch Verantwortung übernehmen. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Deswegen ist die Überlegung zu sagen, wir wollen, dass diejenigen, die von den Geldern jetzt profitieren, auch ihren Beitrag leisten, zukunftsfähig zu werden, nationale Reformen umzusetzen, das sogenannte europäische Semester, das dahinter steht, einfach ernst zu nehmen, das ist ein kluger Vorschlag.
"Wenn wir das machen, dann müssen sich alle Staaten der EU diesem Check unterziehen"
Münchenberg: Herr Weber, die Positionen sind konträr. Auch die Osteuropäer müssen noch ins Boot geholt werden. Wie kann da ein Kompromiss gelingen? Manche befürchten ja, das geht am Ende nur mit Zugeständnissen, mit Entgegenkommen, zum Beispiel auch beim ja doch sehr wichtigen Thema Rechtsstaatlichkeit.
Weber: Das wird manchen Ländern in Mittelosteuropa nicht gefallen, aber es ist notwendig. Wir reden über viel Geld, das wir dem Steuerzahler jetzt auch zumuten, und wenn wir dieses viele Geld jetzt ausgeben, dann erwarten die Bürger Europas, dass die Staaten im Inneren auch rechtsstaatliche Prinzipien umsetzen. Nehmen Sie die Pressefreiheit, dass garantiert ist, dass in allen Ländern die Verwendung der Gelder durch unabhängige Journalisten auch kontrolliert werden kann. Oder die Unabhängigkeit der Justiz, ein fundamentales Prinzip.
Das Entscheidende beim Rule of Law, bei dem Rechtsstaatsmechanismus ist aus unserer Sicht die Unabhängigkeit. Wir brauchen dafür neue Strukturen, die unabhängig, auch parteineutral bewerten, wo haben wir Probleme und wo haben wir keine Probleme. Das ist dann übrigens auch nicht nur ein Thema für Mittelosteuropa. Wenn wir das machen, dann müssen sich alle Staaten der EU diesem Check, dieser Prüfung unterziehen. Aus unserer Sicht ist es notwendig, ist es richtig, das zu machen. Wir sind eine Wertegemeinschaft und das muss auch umgesetzt werden.
Münchenberg: Lassen Sie uns es trotzdem mal konkret machen. Das Europäische Parlament muss ja am Ende auch zustimmen. Sie sind der Chef der größten Fraktion dort. Ist das quasi eine Bedingung, ohne die Verknüpfung an die Rechtsstaatlichkeit wird auch das Europäische Parlament solchen Maßnahmen nicht zustimmen?
Weber: Das sind unsere Forderungen. Wir haben eine klare Bedingung formuliert als Parlament in der Resolution, parteiübergreifend vor zwei Wochen, und das ist die Demokratie. Sprich: Es darf kein Budget aufgestellt werden, das nicht vom Europäischen Parlament, von den gewählten Abgeordneten freigegeben wird. Das ist die wirkliche rote Linie, die wir definiert haben.
Beim Rule of Law, beim Rechtsstaatsmechanismus werden wir Druck machen. Da wird das unsere zentrale Forderung sein. Wir müssen jetzt schauen, was bei den Ratsberatungen herauskommt, aber für uns ist das ein wichtiges Ziel.
Das Bild zeigt einen Arbeiter an einem Montageband in einem VW-Werk. 
Konjunkturforscher: "Werden ein europäisches Konjunkturprogramm brauchen"
Deutschlands Wirtschaft werde sich nicht stabilisieren, wenn seine Nachbarländer weiter in der Krise seien, sagte der Konjunkturforscher Gustav Horn im Dlf. Es brauche daher "eine europäische Initiative zur Stabilisierung der Wirtschaft".
Münchenberg: Aber das heißt, es ist keine Bedingung?
Weber: Wir haben es in unseren Resolutionstexten als Gesamtparlament als zentrale Forderung mit erwähnt, und die sagt, die rote Linie ist die Demokratiefrage. Wie weit wir da gehen werden, werden die nächsten Beratungen zeigen. Es kommt ja auch ganz entscheidend darauf an, wie die Ausgestaltung dann dieses Rechtsmechanismusses ausschaut. Das werden wir uns sicher genau anschauen.
Münchenberg: Ganz kurz noch. Es geht um viele Detailfragen. Es gibt viele Positionen. Ist da eine schnelle Einigung, die ja viele auch wünschen, wirklich möglich?
Weber: Wo ein Wille, da ist ein Weg. Deswegen: Wenn jetzt das Momentum von allen erkannt wird, dass wir in der Krisenzeit der europäischen Wirtschaft Orientierung und Mut machen müssen, Orientierung geben und Mut machen müssen, dann ist auch eine schnelle Einigung möglich. Ich glaube, dass wir heute mit dem Vorschlag der Kommission bereits einen großen Schritt hin gehen zu diesem Kompromiss. Es wurden alle gehört, es wurden alle eingebunden, und deswegen erhoffe ich mir schon, dass im Juni-Rat der Wille da ist abzuschließen. Vor der Sommerpause täte es uns gut, wenn die Wirtschaft Klarheit hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.