"Fahrscheinkontrolle, ihren Fahrschein bitte!" - "Der Neger hier hat ihn eben aufgefressen!"
Eine ältere Dame schimpft in der Straßenbahn über Migranten und beleidigt ihren schwarzen Sitznachbarn. Sie gibt lauthals Stereotypen und Klischees von sich. Diese Szene aus dem Oscar-prämierten Kurzfilm "Schwarzfahrer" von Pepe Danquart zeigt, mit welchen Diskriminierungen schwarze Deutsche im Alltag konfrontiert werden. Der Film stammt aus dem Jahr '92. Erstaunlich, dass sich dieselben Vorurteile bis heute gehalten haben. Dabei leben viele schwarze Deutsche seit Generationen in der Bundesrepublik. Viele haben einen deutschen Pass. Aufgrund ihrer Hautfarbe wird ihnen aber abgesprochen, deutsch zu sein. Deshalb müssen sie immer wieder betonen:
"Ich bin deutsch, deutsch, deutsch, deutsch, deutsch... Ich bin deutsch!"
Doch was bedeutet das? Das Projekt "Schwarz Rot Gold" geht dieser Frage nach und porträtiert in Web-Videos zehn prominente Deutsche mit schwarzer Hautfarbe. Es sind kurze Episoden, etwa eine knappe Viertelstunde lang. In Interviews beschreiben die Protagonisten ihre Erfahrungen mit Diskriminierung. Teils zu Hause bei den Protagonisten, teils an ihren Arbeitsorten kommen neben skurrilen Zeitdokumenten vor allem persönliche Ansichten zum Vorschein. Die Kurzfilme zeigen den Querschnitt der deutschen Gesellschaft: eine Professorin, einen Hauptmann der Bundeswehr, eine Politikerin der CDU. Imposant mag da vielleicht in der Reihe der Chefdirigent der Münchner Symphoniker wirken, Kevin John Edusei.
Alle haben eine Gemeinsamkeit: Sie machen ähnliche Erfahrungen, sagt Schauspieler und NS-Zeit Überlebender Theodor Wonja Michael, der im ersten Video porträtiert wird:
"Du bist nicht anders, Du wirst anders gesehen! Das ist nämlich der Unterschied. Das ist ja dieses Gefährliche daran, dass man selber dann sich so betrachtet, wie die anderen einen betrachten. Und es gibt keinen dunkelhäutigen Menschen, der da ohne Verwundungen und Narben davon kommt."
Erfahrungen von offener und subtiler Diskriminierung im Alltag
Die erste Folge geht weit zurück in die Vergangenheit, zeichnet am Beispiel von Michaels Familie exemplarisch die Spuren der deutschen Kolonialgeschichte nach. Diese wird greifbar. Wirkt weniger abstrakt. Michaels Vater zog 1904 von der damaligen deutschen Kolonie Kamerun nach Deutschland, Michael selbst wurde gut 20 Jahre später in Berlin geboren. Der junge Filmemacher Jermain Raffington - selbst hat er jamaikanische Wurzeln - arbeitet feinfühlig Parallelelen in der Geschichte heraus. Geprägt vom deutschen Kolonialismus wächst Michael zu Zeiten des aufflammenden Nationalsozialismus in Berlin auf. Als Teil einer Minderheit nimmt er unter den Augen der Mehrheitsgesellschaft auch an den absurden Völkerschauen teil.
"Ich fand es wahnsinnig interessant auch zu verstehen, was in dieser Zeit vorgegangen ist, wie das für diese Person war, in so einer Zeit groß zu werden. Und was mich sehr erstaunt hat, war, dass es eigentlich genauso ist wie heute, dass sie sich auch aufgenommen gefühlt haben von ihren Freunden und sie keine Probleme hatten, bis es dann wirklich losging mit der Nazi-Zeit."
Wie es heute um die Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft steht, erzählen andere Protagonisten. Eine von ihnen ist Dr. Sylvie Nantcha, CDU-Stadträtin in Freiburg:
"Das erste Mal, als ich für den Landesvorstand der CDU kandidiert habe, gab es lauter Minister, die mich angerufen haben, um mir davon abzuraten zu kandidieren!"
Ausgrenzung, Ablehnung, Anfeindung - die Geschichten der zehn Protagonisten und vom Initiator des Projektes, zeigen die gleichen Erfahrungen von offener und subtiler Diskriminierung im Alltag. Spannend ist, wie jeder der Porträtierten ganz persönlich mit Vorurteilen und Stereotypen umgeht. Jermain Raffington selbst antwortet auf eine typische Frage mittlerweile mit einem Schmunzeln:
"Die ständige Frage ist, wo man eigentlich herkommt. Und wenn man dann sagt, man ist Deutscher - Ja, nee sag doch mal, woher kommst Du denn wirklich - Ja, ich bin Deutscher!"
Positive Leitbilder präsent vor Augen führen
Raffingtons Vater stammt aus Jamaika. Seine Mutter ist eine Deutsche. Er selbst ist in Hamburg aufgewachsen. Doch schon in der Schule hat er gemerkt, was es heißt, anders auszusehen als seine Klassenkameraden. Später geht er als Basketballer in die USA. Und auch dort spielt unter Schwarzen die Frage nach Identität eine große Rolle.
"In Amerika unter Schwarzen, bin ich der Deutsche. In Deutschland bin ich - aufgrund meiner Größe auch wahrscheinlich - der Amerikaner. Genau dieser Moment in meinem Leben war's dann, wo ich mir überlegt habe, wer bin ich eigentlich? Und daraus ist dieses Projekt auch resultiert. Es war eine eigene Identitätsfindung mit den Problemen, die ich in meiner Jugend erlebt hab. Und das hat mich ein bisschen verwundert und neugierig gemacht, wie andere Leute damit umgehen oder ob sie dieselben Probleme haben."
Vor drei Jahren war das. Die prominenten Protagonisten seines Web-Videos fanden es wichtig, mitzumachen. Schnell war klar, sie alle finden sich in den gleichen Situationen wieder.
Raffington gelingt mit "SchwarzRotGold" ein anschaulicher, persönlicher und vielfältiger Blick auf das schwierige Thema Diskriminierung von Schwarzen in der deutschen Gesellschaft. Stimmen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung, sowohl auf der Seite der weißen Mehrheit als auch unter den schwarzen Deutschen, überein?
"Gerade in Zeiten von Pegida sieht man, dass es einfach wichtig ist, dass man auch solche Projekte macht, wie wir es machen, um einfach diese größere Akzeptanz in der Gesellschaft zu finden. Dass man einfach positive Leitbilder kreiert, um auch nicht schwarzen Deutschen zu zeigen, dass es Leute gibt, die klassische Dirigenten sind oder Leute, die in höher gestellten Positionen sind."
Schwarze Deutsche trifft man in allen Bereichen der Gesellschaft. Den Rassismus auch. Die positiven Leitbilder präsent vor Augen zu führen - das gelingt "Schwarz Rot Gold" besonders eindrücklich.
Die ersten Folgen werden Ende April auf der Homepage des Projekts veröffentlicht.