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Wechsel an "Bild"-Spitze
Reichelt geht, Döpfner bleibt

Die "New York Times" hat mit ihrer Recherche zu möglichem Machtmissbrauch dazu beigetragen, dass "Bild"-Chef Julian Reichelt ab sofort freigestellt ist. Auch gegen Springer-Chef Mathias Döpfner gibt es Vorwürfe. Trotzdem bleibt er nicht nur Konzernchef, sondern auch Präsident des wichtigsten Verlegerverbands.

Von Annika Schneider |
    Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, spricht bei der Eröffnung des Axel-Springer-Neubaus zu den Gästen.
    Mathias Döpfner ist nicht nur Vorstandsvorsitzender bei Axel Springer, sondern auch Präsident des Verlegerverbands BDZV (picture alliance/dpa/Kay Nietfeld)
    Einen Gewinner und einen Verlierer präsentiert die "Bild" täglich auf ihrer Titelseite. Aktuell ließe sich die Rubrik auch mit zwei Führungskräften aus dem eigenen Medienhaus besetzen. Verlierer wäre dann "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt. Er muss seinen Posten räumen "als Folge von Presserecherchen", wie es in einem Statement von Axel Springer heißt. Gemeint ist damit wohl ein Artikel der "New York Times", der über "Allegations of Sex, Lies, and a Secret Payment" (deutsch: Anschuldigungen wegen Sex, Lügen und einer geheimen Zahlung) im Konzern berichtet hatte. Auch der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner ist in dem Artikel Thema. Er macht allerdings keine Anstalten, seine Position aufzugeben.

    Reichelt ist ab sofort freigestellt

    Die "New York Times" und später auch der "Spiegel" hatten berichtet, dass Reichelt Machtmissbrauch vorgeworfen werde (nachdem der Verleger Dirk Ippen sich dagegen entschieden hatte, entsprechende Recherchen seines hauseigenen Investigativ-Teams zu veröffentlichen). Bereits im März hatte es wegen ähnlicher Vorwürfe Springer-interne Untersuchungen gegeben, Reichelt war aber nach einer kurzen Auszeit auf seinen Posten zurückgekehrt.
    Julian Reichelt bei einer Podiumsdiskussion. Im Hintergrund ist das Logo der Bild-Zeitung zu sehen.
    Viel Häme gegen "Bild"
    Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hat sich von seinen Aufgaben im Springer-Verlag freistellen lassen, damit intern die Vorwürfe gegen ihn aufgeklärt werden können. Doch vor allem in den sozialen Medien werden die doppelten Standards bei Springer beklagt.
    Am Tag nach der "New York Times"-Berichterstattung teilte der Springer-Konzern nun mit, dass Reichelt "mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden" wurde und stattdessen Johannes Boie übernimmt, bisheriger Chefredakteur der Springer-Publikation "Welt am Sonntag". Döpfner wird mit lobenden Worten über Reichelt zitiert: "Wir hätten den mit der Redaktion und dem Verlag eingeschlagenen Weg der kulturellen Erneuerung bei BILD gemeinsam mit Julian Reichelt gerne fortgesetzt", heißt es. Das sei nun nicht mehr möglich.

    Döpfner wird DDR-Vergleich zugeschrieben

    Dass Döpfner seinen Weg bei Springer fortsetzt, scheint dabei außer Frage zu stehen. Dabei spielt auch der Vorstandsvorsitzende in dem Text der "New York Times" eine unrühmliche Rolle. Als die Vorwürfe gegen Reichelt ans Licht kamen, soll er in einer Nachricht an einen Dritten geschrieben haben: "Er ist halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland der noch mutig gegen dan neuen DDR Obrigkeitsstaat aufbegehrt. Fast alle anderen sind zu Propaganda Assistenten geworden." (Rechtschreibung im Original) So berichtet es die US-Zeitung, der Autor des Textes veröffentlichte den Wortlaut später auf Twitter - dem Deutschlandfunk liegt die Originalnachricht nicht vor.
    Medienboss Döpfner stehe im Zentrum der US-Berichterstattung, Reichelt sei in der Causa eine "Randfigur", schrieb Branchenkenner Thomas Lückerath bei DWDL: "Es geht um das Bild eines Medienhauses und seines Vorstandsvorsitzenden, der so einen wie Reichelt gewähren ließ."
    Ein Unternehmenssprecher von Axel Springer teilte gestern auf Anfrage mit: "Wir kommentieren grundsätzlich keine vermeintlichen Inhalte aus privaten Unterhaltungen. Soviel jedoch: Diese Zitate sind außerhalb des Kontexts überhaupt nicht sinnvoll zu würdigen. Selbstverständlich hält Mathias Döpfner die Bundesrepublik Deutschland nicht für vergleichbar mit der DDR."

    BDZV will sich nicht zu seinem Präsidenten äußern

    Döpfner ist nicht nur Springer-CEO, sondern hat auch einen wichtigen Verbandsposten inne: Als Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) vertritt er die Interessen der deutschen Zeitungsverlage, auch international. Zu dessen Aufgaben gehört laut Selbstbeschreibung "die Wahrung und Förderung des Ansehens der Zeitungsverlage und Digitalpublisher in der Öffentlichkeit" – ein Anspruch, dem die veröffentlichte Nachricht kaum gerecht wird.
    Der BDZV teilt auf Anfrage mit, er kommentiere "grundsätzlich keine einzelnen Vorgänge unternehmerischer Tätigkeit von Mitgliedsverlagen". Döpfner habe seine Aussagen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender von Axel Springer getroffen.
    Es sei interessant, ob Döpfner nun sein Amt beim BDZV aufgeben müsse, sagte Moritz Tschermak, Leiter des Medienportals Bildblog, im Deutschlandfunk : "Das können sich aus meiner Sicht die Verlegerinnen und Verleger im BDZV eigentlich nicht gefallen lassen, dass ihr oberster Chef sagt: Alle eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Leute, die nur nachplappern, was die Bundesregierung von sich gibt." Dass der Springer-CEO seinen Posten im Konzern verliert, erwartet er nicht.

    US-Markt ist für Springer wichtig

    Springer wiederum hat gerade erst massiv in den US-amerikanischen Markt investiert: Für den Nachrichtenanbieter Politico soll der deutsche Medienriese eine Milliarde Dollar gezahlt haben. Döpfner hatte den Kauf gegenüber dem Handelsblatt als "vom Volumen her die größte Akquisition" in der Geschichte seines Unternehmens bezeichnet.
    "Bild"-Vize-Chef steht im Studio, auf einem Bildschirm im Hintergrund ein Bild von Armin Laschet und der Schriftzug "Ärger über Sondierung-Leaks"
    Wenn bei "Bild" der #HandyAlarm geht
    Wenn Vertreter der Unionsparteien an politischen Verhandlungen teilnehmen, sind "Bild"-Leser mehr oder weniger live dabei - auch bei Sondierungsgesprächen. In der Politik ärgert das viele. Und auch journalistisch gibt es Fragen.
    Entsprechend wichtig dürfte dem CEO sein Image jenseits des Atlantiks sein. Das Sittenbild, das die "New York Times" nun von dem Konzern zeichne, wirke insbesondere auf Amerikaner ziemlich erschreckend, sagte der Medienjournalist Stefan Niggemeier im Deutschlandfunk . Es könne sein, "dass man, um Döpfner zu schützen, Reichelt opfern musste".

    Experten erwarten keine Kursänderung bei "Bild"

    Niggemeier bezweifelte, dass sich der aktuelle "Bild"-Kurs, der auf Spaltung und extremer Einseitigkeit beruhe, unter dem neuen Chefredakteur ändern werde. Johannes Boie sei nicht bekannt für Boulevard und werde bestimmt einen anderen Stil einbringen. "Aber die Schärfe in eine Debatte einbringen, kann der auch", betonte der Medienjournalist.
    "Ich kann mir schwer vorstellen, dass ‚Bild‘ jetzt ein lammfrommes Blatt wird", sagte auch "Bild"-Kenner Tschermak. Beim Springer-eigenen Fernsehsender "Bild TV" sei Julian Reichelt allerdings stark prägend gewesen: "Das wird interessant, wie die Lücke dann zu füllen ist."