Beim letzten Verdi-Bundeskongress vor vier Jahren köchelte leiser Widerstand. Warum sollte ausgerechnet eine Gewerkschaft, die gegen die Rente mit 67 ist, jemanden zum Chef wählen, der schon 63 ist und nach Ende der vierjährigen Amtszeit älter als 67 sein würde?
Doch der langjährige Vorsitzende Frank Bsirske konterte damals:
"Ich finde, das ist eine total faire Frage. Ich traue mir zu, mit eurem Einverständnis, diese Funktion noch länger auszuüben. Nicht unbegrenzt, aber noch für eine Periode."
Der studierte Politologe wollte noch nicht aufs Altenteil, blieb hörbar und präsent auf den vielen Streiks, die die zweitgrößte Gewerkschaft landauf, landab führt. 2018 zum Beispiel für den öffentlichen Dienst.
"Da wird von goldenen Zeiten für die deutsche Wirtschaft gesprochen, und ich sage, Kolleginnen und Kollegen, an dieser Festtagsstimmung, Kolleginnen und Kollegen, da sollen auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zwar alle, auch die im öffentlichen Dienst, beteiligt werden und nicht nur die Aktionäre."
Mindestlohn und Reallohnerhöhungen
Doch nun tritt der gebürtige Niedersachse nicht wieder an. Zur Bilanz seiner 18 Jahre an der Spitze der Dienstleistungsgesellschaft gehört für ihn vor allem die Einführung des Mindestlohns. Da habe Verdi ganz sicher einen Anteil dran, meint er. Aber auch:
"Wir haben die letzten Jahre nutzen können dazu, deutliche Reallohnerhöhungen durchzusetzen. Wir haben maßgeblich dazu beigetragen, dass ein Stück Aufwertung der sozialen Berufe - sozialer Erziehungsdienst, Kitabereich und Krankenpflegebereich - zustande kam."
Daneben gibt es Arbeitskämpfe, in denen Verdi gegen Windmühlen zu kämpfen scheint - beim Versandhändler Amazon zum Beispiel. Bsirske rückt das Bild gerne zurecht.
"Bevor wir die ersten Streiks bei Amazon durchgeführt haben, hatte es vier Jahre lang keine Lohnerhöhungen gegeben. Heute gibt es regelmäßige Lohnerhöhungen, die sich in der Regel orientieren an den Abschlüssen im Einzelhandel. Wir haben Weihnachtsgeld."
Der nächste an der Verdi-Spitze heißt Frank Werneke
Nun macht der Gewerkschaftschef mit dem grünen Parteibuch Platz für Jüngere. Und er sagt, vorerst habe er keinen Plan.
"Wenn ich sagen würde, es täte mir leid, jetzt aufzuhören und ich hätte schon ganz klare Bilder von dem, was in den nächsten Jahren passieren wird, dann wäre das gelogen. Ich bleibe noch in dem einem oder anderen Aufsichtsrat, weil die Kolleginnen und Kollegen das wollen. Und ich werde ganz sicher ein politisch engagierter Mensch bleiben."
Sein designierter Nachfolger Frank Werneke, 52, soll nun übernehmen - bestens vorbereitet, sollte man meinen, denn er ist bereits seit 17 Jahren bei Verdi.