Offiziell stand der Name Pofalla nicht auf der Tagesordnung als sich die Mitglieder des Bahn-Aufsichtsrates heute in Berlin trafen. Der Grund dafür: Nach der Entrüstung, die die Nachricht auch bei Aufsichtsratsmitgliedern ausgelöst hatte, der ehemalige Chef des Bundeskanzleramtes werde aus dem Amt in den Bahnvorstand wechseln - auf einen noch zu schaffenden zusätzlichen Posten – hat Bahnchef Rüdiger Grube seine Strategie gewechselt. Der ehemalige Bundesminister für besondere Aufgaben, wie der Kanzleramtschef offiziell heißt, soll auch bei der Bahn erst einmal besondere Aufgaben – und Zuständigkeiten von Bahnchef Grube übernehmen, um dann 2017 in den Vorstand aufzusteigen. So ist der Aufsichtsrat dafür nicht zuständig und musste nicht zustimmen; sondern hat die – wie es in einer Pressemitteilung heißt - Entscheidung zur Kenntnis genommen. Ronald Pofalla wird ab Januar 2015 zunächst "Generalbevollmächtigter für politische und internationale Beziehungen". Er soll die neue Abteilung "Wirtschaft, Politik und Regulierung" leiten. Ein Arbeitsschwerpunkt: Brüssel, denn dort werden viele Gesetze geplant, die wirtschaftliche Auswirkungen für die Bahn haben.
Für den Vorsitzenden der Grünen Bundestagsfraktion und ehemaligen Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter, ist diese Personalentscheidung ein Skandal:
"Die Bahn ist ein hundertprozentiges Bundesunternehmen. Die Bundesregierung kann entscheiden, wie sich der Vorstand, wie sich der Aufsichtsrat verhält."
Auffallend häufig zugunsten der Bahn interveniert
In seiner Funktion als Kanzleramtsminister habe Pofalla bei politischen Entscheidungen auffallend häufig zugunsten der DB-AG oder zugunsten des Bahnvorstandes interveniert.
"Jetzt erhält er in Form eines Postens seine Belohnung. Das könnte man, wenn man hart formulieren möchte, als nachgelagerte Korruption bezeichnen."
Die Personalie habe auf jeden Fall ein Geschmäckle, findet Timo Lange von Lobbycontrol.
Die Personalie habe auf jeden Fall ein Geschmäckle, findet Timo Lange von Lobbycontrol.
"Das ist etwas, wo wir Regeln brauchen in Deutschland. Dass ein Wechsel aus der Regierung in Lobbytätigkeiten nicht einfach so und ohne eine Übergangsfrist vonstattengehen kann."
Die Bahn habe sich bewusst mit "Herrn Pofalla" für eine Karenzzeit von 12 Monaten entschieden, schreibt die Bahn. Für Lobbycontrol und die Antikorruptionsorganisation Transparency International ist das nicht genug. Die Organisationen fordern drei Jahre, wenn ein Politiker im selben Feld in die Wirtschaft wechselt. Außerdem müsse Pofalla schnellstmöglich sein Bundestagsmandat niederlegen, sagt Timo Lange. Und die Politik müsse endlich klare Regeln definieren.
Kein Kommentar der Bundesregierung
Die Bundesregierung kommentiere die Personalie nicht, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittag in Berlin. Und der Sprecher des Innenministeriums, Harald Neymanns, ergänzte, im Koalitionsvertrag sei festgelegt:
"Dass man für ausscheidende Kabinettsmitglieder, parlamentarische Staatssekretäre und politische Beamte eine angemessene Regelung findet. Da ist man in der Diskussion. Das Regelungskonzept ist derzeit in der politischen Abstimmung. Einen Zeitplan kann ich Ihnen im Moment nicht nennen."
Doch nicht nur die Personalie Pofalla hat heute eine Rolle gespielt. Mitglieder des Aufsichtsrates sagten der Agentur Reuters, Bundeswirtschaftsminister Gabriel plane seinen zuständigen Staatssekretär Rainer Sontowski aus dem Kontrollgremium abzuziehen und durch einen Vertreter aus der Industrie zu ersetzen. Im Gespräch sei unter anderem Ex-TUI-Chef Michael Frenzel. Dazu wollten sich weder das Wirtschaftsministerium noch die Bahn äußern.