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Wechselprämie
"Einen neuen Diesel würde ich nicht kaufen"

"Ein Skandal", kritisierte Gerd Lottsiepen vom VCD die Diesel-Wechselprämie im Dlf. Denn: "Es ist nicht sichergestellt, dass dieses Auto, was man jetzt neu bekommt, tatsächlich sauberer ist." Immer noch gebe es Neuzulassungen, die Emissions-Grenzwerte überschritten. Die Gefahr von Fahrverboten sei noch nicht vom Tisch.

Gerd Lottsiepen im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Ein Dieselzapfhahn an einer Tankstelle.
    Hersteller-Prämien beim Kauf eines neuen Diesel-Fahrzeugs - sinnvoll für Verbraucher und Umwelt? (dpa-Bildfunk / Marijan Murat)
    Sefan Römermann: Wie hoch die Wechselprämie für alte Dieselfahrzeuge genau ist, das unterscheidet sich von Anbieter von Anbieter. Das Prinzip ist allerdings immer gleich. Die Höhe der Prämie orientiert sich am Preis für den anvisierten Neuwagen, sprich je teurer das neue Auto, desto höher ist auch die Prämie. Für einen sparsamen Kleinwagen bietet VW beispielsweise nur eine Prämie von etwa 2.000 Euro. Beim Kauf eines Tuareg-Geländewagens immerhin 10.000 Euro. Darüber spreche ich jetzt mit Gerd Lottsiepen vom ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland, VCD. Herr Lottsiepen, wird die Luft in Deutschlands Großstädten durch diese Prämien bald deutlich sauberer? Was ist Ihr Eindruck?
    Gerd Lottsiepen: Das ist sehr fraglich, denn erstmal soll es diese Prämie ja geben für alle Euro-6-Fahrzeuge. Wir wissen aber, dass es so gut wie keinen Diesel gibt, der tatsächlich den Grenzwert auf der Straße schafft. Ganz viele Euro-6-Fahrzeuge stoßen viel zu viel Gift aus.
    Römermann: Es soll sie geben, wenn man auch einen neuen Diesel Euro-6 kauft, und es gibt sie aber, wenn man ältere mit Euro-Klasse-3 und -4 verkauft.
    Lottsiepen: Es ist aber nicht sichergestellt, dass dieses Auto, was man jetzt neu bekommt, tatsächlich sauberer ist. Das ist ja der Skandal. Und deshalb, nur Euro-6, sich darauf zu verlassen, dass das Auto sauber ist, geht leider nicht, weil es gibt immer noch schmutzige Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen.
    Notwendig: "sehr hohes Verhandlungsgeschick"
    Römermann: Jetzt lassen wir für einen kurzen Moment mal – ich weiß, es ist schwer – das gute Ökogewissen beiseite und schauen nur mal ganz kurz auf den ganz egoistischen Eigennutz für Verbraucher. Ist es denn für den vielleicht zumindest aus seiner eigenen egoistischen Sicht ein gutes Angebot, oder haben Sie auch da Abstriche zu machen?
    Lottsiepen: Das muss man sich ganz genau überlegen. Wer sehr hohes Verhandlungsgeschick hat, der mag dabei noch was herausholen, aber es ist ja bis jetzt auch so, dass man 15 bis 20 Prozent eigentlich relativ locker Rabatt beim Neuwagenkauf bekommt, bis zu 30 Prozent sind möglich, wenn man Modelle nimmt, die nicht gerade sonderlich gefragt sind. Das muss man schauen, ob man die Rabatte dann auch noch bekommt, ob man das addieren kann. Das wird sicherlich nicht gehen. Die Hersteller werden versuchen, diese Umweltprämie zu geben, und bei den anderen Rabatten entweder gar nichts mehr oder wenig nachzulassen. Das muss man sich genau anschauen, und dann ist natürlich auch die Frage, welches Auto gebe ich denn dann zum Verschrotten preis.
    "Bei Benzinern deutet sich nächster Skandal an"
    Römermann: Es stellt sich natürlich auch die Frage, es gibt die Prämie, wenn ich ein neues Auto mit der Schadstoffklasse Euro-6 kaufe. Bin ich denn damit wirklich auf der sicheren Seite, dass, wenn irgendwelche Fahrverbote kommen, dass ich damit auch wirklich in Großstädte komme, oder habe ich da trotzdem keine Garantie?
    Lottsiepen: Auf der sicheren Seite ist man nicht, weil viele Dieselfahrzeuge, die Euro-6 haben, eben immer noch zu viel NOx ausstoßen. Auch bei Benzinern deutet sich der nächste Skandal an. Die haben halt, die direkt einspritzenden Benziner stoßen halt viel zu viel Partikel aus. Bei den Fahrzeugen ist man in fünf oder zehn Jahren nicht wirklich sicher, dass man in die Umweltzonen reinfahren kann. Bei Diesel gibt es vielleicht sogar früher schon Probleme.
    Römermann: Was raten Sie denn dann Verbrauchern? Sollten die jetzt auf dieses Angebot eingehen, sollten sie es annehmen und sich vielleicht einen neuen Diesel kaufen, oder doch lieber nicht?
    Lottsiepen: Einen neuen Diesel würde ich nicht kaufen.
    Römermann: Auf gar keinen Fall.
    Lottsiepen: Würde ich zurzeit nicht kaufen. Bei anderen Fahrzeugen würde ich drauf achten, ein Benziner sollte einen Partikelfilter haben, da werden wir im nächsten Jahr ganz viele auf den Markt bekommen. In diesem Jahr haben wir die noch nicht. Wer sich ein Elektroauto leisten kann, wer ein Elektroauto kaufen will, sollte natürlich versuchen, dass er alle Rabatte oder auch die Prämie, die der Staat gibt, zusammennimmt, um möglichst an dieses Fahrzeug zu kommen. Natürlich, der Kunde hat ein Interesse, Fahrzeuge billig zu kaufen, aber ausdrücklich zu warnen ist zurzeit wirklich vor Dieselfahrzeugen.
    Diesel-Gipfel ein "Schuss in den Ofen"
    Römermann: Und denken Sie, wird es in Deutschland trotz allem jetzt Fahrverbote noch geben?
    Lottsiepen: Der Gipfel in der letzten Woche sollte Fahrverbote verhindern, aber durch seine Beschlüsse hat er genau das Gegenteil erreicht. Die Gerichte müssen tatsächlich den Gesundheitsschutz vor die Interessen der Autoindustrie oder auch vor Eigentumsrechte stellen, weil Gesundheit ist ein sehr hohes Gut. Dadurch, dass die Autohersteller verweigern, dass Euro-5-, Euro-6-Fahrzeuge, dass die wirklich nachgerüstet werden, also mit Hardware nachgerüstet werden, gibt es dort keine Besserung. Und die Gerichte werden wahrscheinlich gar nicht anders können, als so zu urteilen. Deshalb war das ein Schuss in den Ofen, in der letzten Woche, dieser Dieselgipfel.
    Römermann: Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub VCD. Vielen Dank für das Gespräch!
    Lottsiepen: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.