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Diskussion um Siesta
Weder Arbeitgeber noch Gewerkschaften sind wirklich begeistert

Die Idee, dass auch in Deutschland - wie in manchen südlichen Ländern - eine verlängerte Mittagspause, eine Siesta eingeführt werden sollte, sorgt gerade für viele Diskussionen. Sowohl von Arbeitnehmervertretern als auch von Arbeitgeberverbänden kommen Zustimmung wie auch Kritik.

    Ein Bauarbeiter arbeitet mit einer Schaufel, die Sonne scheint vom Himmel.
    Insbesondere das Arbeiten im Freien steht im Mittelpunkt der Debatte um mehr Arbeitsschutz an Hitzetagen. (Florian Gaertner / dpa / Florian Gaertner)
    Die Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer, Ostermann, hält den Vorschlag für überflüssig. Schon jetzt seien Arbeitgeber bei hohen Temperaturen dazu aufgerufen, Maßnahmen für ein erträgliches Arbeiten zu ergreifen. Anders argumentiert dagegen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Vom BDA heißt es, eine Reform des Arbeitszeitrechts könne helfen. Wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich einig seien, könnten dazu auch längere Mittagspausen gehören, sagte ein Sprecher dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

    DGB für Siesta, Baugewerkschaft eher dagegen

    Der Deutsche Gewerkschaftsbund spricht sich klar für entsprechende Regelungen aus. Arbeit bei Hitze sei für Beschäftigte belastend und gefährde im schlimmsten Fall die Gesundheit, sagte DGB-Vorstandsmitglied Piel den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland.
    Zweifel an einer Siesta für Beschäftigte bestimmter Branchen meldet dagegen die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt an. Natürlich müsse man vor allem die Beschäftigten schützen, die draußen unter freiem Himmel arbeiten würden, erklärte der Vorsitzende Feiger. Das Modell, mehr in den frühen Morgen- und späten Abendstunden zu arbeiten, lasse sich aber für Bauarbeiter, Erntehelfer oder Reinigungskräfte nicht so einfach anwenden.
    Beispielsweise würde es bei Bauarbeiten schon vor sieben Uhr morgens "Konflikte mit dem Lärmschutz" geben. Auch sei es auf Baustellen und auf den Feldern schwierig, eine Siesta mit Mittagsschlaf in einem Container zu verbringen.

    Bundesregierung will sich vermehrt mit Arbeitsbedingungen bei Hitze beschäftigen

    Die Bundesregierung kündigte an, sich stärker mit den Arbeitsbedingungen bei hohen Temperaturen zu beschäftigen. Regierungssprecher Hebestreit sagte in Berlin, dies betreffe besonders Personen, die im Freien arbeiten müssten. Man nehme auch den viel diskutierten Vorschlag einer verlängerten Mittagspause ernst.
    Zustimmung zur Siesta-Idee gibt es von Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Der SPD-Politiker schrieb bei Twitter, Siesta in der Hitze sei sicherlich kein schlechter Vorschlag. Die Initiative ergreifen und ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen will er aber offenbar nicht. Lauterbach schrieb weiter: "Das sollten aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln."
    Linken-Chefin Wissler warnte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, durch eine Streckung des Arbeitstages drohten neue Schwierigkeiten. Sie forderte eine Temperatur-Obergrenze für Arbeiten im Freien.

    Siesta-Vorstoß von Amtsärzten

    Aufgebracht wurde die Debatte von Medizinern. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Nießen, hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt, man sollte sich bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen sei ein Konzept, das man in den Sommermonaten übernehmen sollte.

    Spanien als Vorbild für eine deutsche Siesta?

    Als Vorbild für Deutschland wird immer wieder Spanien genannt. Dort gehört die Siesta fest zur Kultur. Wenn die Sonne besonders heiß vom Himmel scheint - etwa zwischen 14 und 18 Uhr - ziehen sich viele Menschen zurück. Büros machen längere Pausen, viele Läden sind dann geschlossen. Anders als früher gibt es inzwischen in Spanien zwar fast überall Klimaanlagen, aber die Tradition hält sich weiter. Während der Siesta halten allerdings heutzutage die wenigsten Spanier noch wie früher ein Nickerchen. Man geht stattdessen ins Fitnessstudio oder ins Schwimmbad oder isst mit der Familie oder den Kollegen länger zu Mittag. Dafür wird die Arbeitszeit dann entsprechend in den Abend verlängert.
    Diese Nachricht wurde am 19.07.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.