Der Weg zu einer deutschen Professur ist steinig. Das System zu hierarchisch, ausländischen Akademikern gegenüber viel zu verschlossen, Bewerbungsverfahren zu intransparent und es gebe nach wie vor einfach zu wenige Stellen. Einziger echter Pluspunkt: Deutschland investiere immens viel Geld in seine Hochschulpolitik. Zu diesem Fazit kommen alle drei Akademikerinnen: Rosemary Deen von der Universität von London, Jacqueline Edmondson von der Pennsylvania State University in den USA und Christine Musselin vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Frankreich.
Seit Jahren untersucht Musselin in ihrer Forschung die unterschiedlichen Hochschulsysteme. Im internationalen Vergleich hätten es deutsche Akademiker besonders schwer, wenn sie eine Hochschulprofessur anstrebten, sagt Mousselin:
"Das deutsche System kommt mir oft so vor wie eine Art Überlebenskampf. Man muss viele einzelne Schritte erfolgreich absolvieren, bis man überhaupt erst einmal eine Chance hat, sich auf eine Professur zu bewerben. In Frankreich ist das ganz anders. Wir haben eine Art Pyramidensystem. Wer bei uns eine Professorenlaufbahn anstrebt, der bekommt bei uns schon sehr frühzeitig unbefristete Stellen an den Unis angeboten. Wir nennen diese Stellen Maître de conférences. Es sind zwar keine echten Professorenstellen wie in Deutschland, aber es sind unbefristete Beamtenstellen."
Juniorprofessoren mit Mitte, Ende 30 seien in Deutschland oft mit der Frage konfrontiert, wie es in ihrer Karriere weitergeht. Viele hangelten sich von Job zu Job ohne Aussicht auf eine Professur. Ihre französischen Hochschulkollegen hätten zu diesem Zeitpunkt mehr Planungssicherheit, so Mousselin. Im Schnitt sind sie 33 Jahre alt, wenn sie eine Stelle als Maître de conférences antreten. Im Vergleich zu Deutschland ein starker Mittelbau.
"Es gibt auch Maîtres de conférences, die gar keine Professur anstreben, weil sie so einfach mehr Freiheiten haben. Sie müssen weder einen Fachbereich leiten, noch haben sie viele administrativen Verpflichtungen. So gibt es viele Maîtres de conférences, die habilitieren, um Doktoranden ausbilden zu können, die aber eben keine administrativen Tätigkeiten übernehmen wollen."
Ausländische Akademiker ohne Chancen in Deutschland
Rosemary Deem, die an der Universität von London lehrt, lobt das flache, hierarchische System in Großbritannien. An den britischen Fakultäten gebe es im Schnitt mehr Professorenstellen als in Deutschland. Dies führe zum einen zu mehr Kontrolle und damit mehr Transparenz innerhalb der Fachbereiche und zum anderen auch zu mehr Internationalität, glaubt Deem. Ausländische Akademiker hätten in Deutschland dagegen kaum eine Chance auf eine Professorenstelle:
"Wenn du weder deinen Doktor noch deine Habilitation in Deutschland gemacht hast, dann hast du auch kaum Chancen auf eine Professur. Das ändert sich nur langsam. Abschreckend ist auch, dass im Normalfall sich der Professor seine eigenen Assistenten sucht, sie um sich schart, damit sie ihn dann bei seinen Forschungen unterstützen. Und noch ein Punkt stört mich in Deutschland: Die meisten Professoren sind Männer."
Damit sich das ändert, sollten mehr Professorenstellen geschaffen werden. Die Bundesregierung habe das längst erkannt, sagt die US-Professorin Jacqueline Edmondson. Sie lobt die deutschen Pläne, dass über einen Zeitraum von 15 Jahren 1.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren geschaffen werden sollen. Das System der Einsteige-Professuren habe sich in den USA bewährt. Nicht nur für die Akademiker, auch für die Studierenden, sagt Edmondson:
"Das Tenure-Track-System gibt unseren Akademikern mehr Jobsicherheit, mehr akademische Freiheiten, eine stärkere Bindung an die Uni und an seine Studierenden. Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass mehr unbefristete Stellen zu einer höheren Zahl von Hochschulabsolventen führen. Weil dies eben die Bindung zwischen Studierenden und Lehrenden stärkt."
Trotz viel Kritik am deutschen Hochschulsystem sind sich die drei in einem einig: Professorinnen und Professoren haben in Deutschland besonders viele Freiheiten – gleichermaßen in ihrer Lehre wie auch in ihrer Forschung.