Heute stellen wir Ihnen 'Il Dialogo del Nabucco' vor, die Ersteinspielung eines Oratoriums von Michelangelo Falvetti auf einen Text von Vincenzo Giattini aus dem Jahre 1683. Diese Aufnahme mit der Cappella Mediterranea und dem Choeur de Chambre de Namur unter der Gesamtleitung von Leonardo García Alarcón erschien in der Reihe Ambronay Editions, im Vertrieb von Harmonia Mundi. Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Prologo
Es ist schon eine eigentümliche Atmosphäre, die hier von Leonardo García Alarcón und seiner Cappella Mediterranea heraufbeschworen wird. Wer ein barockes italienisches Oratorium erwartet, mit einer majestätischen Einleitung, Pauken und Trompeten vielleicht, der wird diesen flirrenden Klang zu Beginn erst einmal gar nicht orten können. Das liegt zum einen an der riesigen Kirchenakustik, aber vor allem auch an der Zusammenstellung der Instrumente. Das barocke Streicher- und Bläserensemble wurde um exotisches Schlagwerk und Instrumente erweitert, wie sie auch in der Volksmusik zu finden sind. Dann treten, in einiger Terzen-Seligkeit, die beiden allegorischen Figuren Superbia, der Hochmut, und Idolatria, die Götzenanbietung auf.
Sie fahren auf den Wassern des Euphrat zu Nebukadnezar und rühmen die Herrlichkeit seiner Herrschaft. Die Handlung von Michelangelo Falvettis Oratorium spielt in Babylonien und dreht sich um den Wahn des Königs Nebukadnezar, der im italienischen Nabuchodonosor genannt wird, Nabucco in der Abkürzung. Mit diesem Sujet und der gleichnamigen Oper sollte fast 200 Jahre später Giuseppe Verdi seinen ersten großen Erfolg auf der Bühne feiern.
Nabucco, ist als Charakter durchaus vielschichtig angelegt, wird in seinem Machtstreben immer rigoroser und verlangt von dem von ihm unterdrückten Volk, dass es seine Statue anbeten soll. Ein schrecklicher Albtraum verstärkt seine eigenen Ängste, aber er macht sich auch Gedanken um die traurige Existenz des Menschen allgemein, "Per non vivere infelice". Die Titelpartie singt der Tenor Fernando Guimarães.
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Arie Nabucco: ‚Per non viere infelice‘
Falvettis Oratorium liegt das zweite und dritte Kapitel des alttestamentarischen Buches Daniel zugrunde, das übergeordnete Thema ist die Befreiung des jüdischen Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft im sechsten Jahrhundert vor Christus.
Nabucco und den Chaldäern gegenüber stehen sich hier die drei jungen babylonischen Gouverneure (Ananias, Azarias und Misael) (mit Sopran besetzt), die sich weigern, das Götzenbild des Königs anzubeten und dafür lieber ins Feuer gehen. Dazwischen agiert der Gardehauptmann Arioco, - sinnbildlich für die schweigende Gemeinschaft-, der die Jünglinge eigentlich retten will, aber mit seinem Pflichtgefühl in Konflikt geraten ist. In der Figur des Propheten Daniel hat sich wohl Falvetti selbst gesehen, als Hirt der Gemeinde, der die Gläubigen mit diesem Werk auffordert, sich die Haltung der Jünglinge den Mächtigen gegenüber zum Vorbild zu nehmen - eine recht gewagte, revolutionäre Haltung für die damalige Zeit.
Doch der Komponist hat bewusst die Beziehung hergestellt zu seiner eigenen Situation. Im von den Spaniern okkupierten Messina, wurde vor dem Dom, auf den Trümmern des Senatoren-Palastes ein Bronze-Denkmal für den spanischen König errichtet, das aus den Glocken des Domes gegossen wurde.
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Nabucco, Coro dei Caldei, Daniele, Sinfonia
Die drei Jünglinge weigern sich, das Götzenbild des Königs anzubeten, lieber wollen sie sterben. Und während die Chaldäer in eindrucksvollen Chören das Lob Nabuccos singen, lassen sie sich nicht vom Glanz blenden und sind überzeugt, dass es "… ein Spott ist: Das Bild ist aus Gold, aber sein Vorbild aus Staub."
Das lässt sich Nabucco natürlich nicht bieten, und auch wenn er kurz zweifelt, ob er richtig handelt, rächt er sich für den Ungehorsam und überlässt die Jünglinge in einer dramatischen Szene dem Feuer. "Si, mi vendicherò".
Die lassen sich auch von Arioco nicht mehr umstimmen. Doch von Engeln zwischen Blumen und Rosenduft getragen, bleiben sie von den Flammen unberührt und werden schließlich vom Heiligen Geist gerettet. Immer wieder sind in Falvettis Oratorium auch Elemente aus der mediterranen Volksgläubigkeit auszumachen.
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Nabucco, Anania, Azaria, Misaele
Der Argentinier Leonardo García Alarcón hatte schon zuvor mit ‚Il diluvio universale‘ ein Oratorium von Falvetti wiederbelebt. Ihn interessierte die Musik des in Kalabrien geborenen und in Sizilien als Domkapellmeister wirkenden einflussreichen Geistlichen, der eine Vielzahl an mehrstimmigen Messen, groß besetzten Psalmen, Solo- und Ensemblemotetten schrieb, von dem aber bis jetzt nur diese beiden Oratorien wieder aufgefunden wurden. Für den Musikwissenschaftler Nicolò Macavino, der dieses Stück ausgegraben hat, ist Falvetti eine der ‚interessantesten und originellsten Musikerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts‘.
Alarcón hat vor allem die "sinnliche Pracht" dieser Musik fasziniert, die Ausdruckskraft der mediterranen Klangwelt und er hat sie durch die Mischung der verschiedenen Instrumentengruppen noch verstärkt. Formal gibt es zwar, analog zur Oper der damaligen Zeit, die Abfolge von Rezitativ – Arie – Rezitativ, aber die Handlung ist recht einfach angelegt und auch formal gibt es nicht viel Außergewöhnliches. Doch der Reichtum an eingängigen Melodien, exotischen und rhythmischen Elementen unterstreicht die Zeitlosigkeit dieser Musik, die Alarcon allein durch die politische Botschaft gewährleistet sieht. Inwieweit er sich an die Partitur gehalten hat, ist so nicht auszumachen, doch letztlich mag auch hier, wenn man es nicht zu puristisch sieht, gelten, "erlaubt ist, was gefällt."
Das Sängerensemble kann überzeugen, nur der Countertenor Fabián Schofrin schwächelt ein wenig, was vielleicht zu seiner Rolle als Arioco auch ganz gut passt. Die Sopranistinnen Caroline Weynants, Mariana Flore und Magdalena Padilla Olivares als Knaben lassen wiederum nichts zu wünschen übrig und auch die Rolle des Daniele mit Alejandro Merrapfel ist gut besetzt.
Der Klang der Aufnahme ist nicht ganz so überzeugend, was vielleicht auch den akustischen Gegebenheiten der Abteikirche von Ambronay geschuldet ist. Die Capella Mediterranea ist hier um einige prominente Musiker wie zum Beispiel den iranischen Schlagzeuger Keyvan Chemirani erweitert worden. Die Wiederaufführung hat im September des vorigen Jahres während des Festivals in Ambronay stattgefunden, jetzt ist die CD in der eigenen Reihe, im Vertrieb von Harmonia Mundi herausgekommen.
Am Ende des Oratoriums steht nicht die Bekehrung Nabuccos, sondern der Schlusschor des ganzen Volkes, der die kindliche Unschuld rühmt. Für Alarcón besteht Falvettis "Genialität darin, dass er eine unmittelbar verständliche, nacherlebbare Form gefunden hat, um nicht nur religiöse und musikalische Inhalte zu gestalten, sondern auch politische Themen."
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Schlusschor: Mortale , è più che vero
Musik:
Michelangelo Falvetti
Nabucco
Leonardo García Alarcón
Cappella Mediterranea
Choeur de Chambre de Namur
Ambronay Editions AMY036
3760135100361
Vertrieb über Harmonia Mundi
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Prologo
Es ist schon eine eigentümliche Atmosphäre, die hier von Leonardo García Alarcón und seiner Cappella Mediterranea heraufbeschworen wird. Wer ein barockes italienisches Oratorium erwartet, mit einer majestätischen Einleitung, Pauken und Trompeten vielleicht, der wird diesen flirrenden Klang zu Beginn erst einmal gar nicht orten können. Das liegt zum einen an der riesigen Kirchenakustik, aber vor allem auch an der Zusammenstellung der Instrumente. Das barocke Streicher- und Bläserensemble wurde um exotisches Schlagwerk und Instrumente erweitert, wie sie auch in der Volksmusik zu finden sind. Dann treten, in einiger Terzen-Seligkeit, die beiden allegorischen Figuren Superbia, der Hochmut, und Idolatria, die Götzenanbietung auf.
Sie fahren auf den Wassern des Euphrat zu Nebukadnezar und rühmen die Herrlichkeit seiner Herrschaft. Die Handlung von Michelangelo Falvettis Oratorium spielt in Babylonien und dreht sich um den Wahn des Königs Nebukadnezar, der im italienischen Nabuchodonosor genannt wird, Nabucco in der Abkürzung. Mit diesem Sujet und der gleichnamigen Oper sollte fast 200 Jahre später Giuseppe Verdi seinen ersten großen Erfolg auf der Bühne feiern.
Nabucco, ist als Charakter durchaus vielschichtig angelegt, wird in seinem Machtstreben immer rigoroser und verlangt von dem von ihm unterdrückten Volk, dass es seine Statue anbeten soll. Ein schrecklicher Albtraum verstärkt seine eigenen Ängste, aber er macht sich auch Gedanken um die traurige Existenz des Menschen allgemein, "Per non vivere infelice". Die Titelpartie singt der Tenor Fernando Guimarães.
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Arie Nabucco: ‚Per non viere infelice‘
Falvettis Oratorium liegt das zweite und dritte Kapitel des alttestamentarischen Buches Daniel zugrunde, das übergeordnete Thema ist die Befreiung des jüdischen Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft im sechsten Jahrhundert vor Christus.
Nabucco und den Chaldäern gegenüber stehen sich hier die drei jungen babylonischen Gouverneure (Ananias, Azarias und Misael) (mit Sopran besetzt), die sich weigern, das Götzenbild des Königs anzubeten und dafür lieber ins Feuer gehen. Dazwischen agiert der Gardehauptmann Arioco, - sinnbildlich für die schweigende Gemeinschaft-, der die Jünglinge eigentlich retten will, aber mit seinem Pflichtgefühl in Konflikt geraten ist. In der Figur des Propheten Daniel hat sich wohl Falvetti selbst gesehen, als Hirt der Gemeinde, der die Gläubigen mit diesem Werk auffordert, sich die Haltung der Jünglinge den Mächtigen gegenüber zum Vorbild zu nehmen - eine recht gewagte, revolutionäre Haltung für die damalige Zeit.
Doch der Komponist hat bewusst die Beziehung hergestellt zu seiner eigenen Situation. Im von den Spaniern okkupierten Messina, wurde vor dem Dom, auf den Trümmern des Senatoren-Palastes ein Bronze-Denkmal für den spanischen König errichtet, das aus den Glocken des Domes gegossen wurde.
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Nabucco, Coro dei Caldei, Daniele, Sinfonia
Die drei Jünglinge weigern sich, das Götzenbild des Königs anzubeten, lieber wollen sie sterben. Und während die Chaldäer in eindrucksvollen Chören das Lob Nabuccos singen, lassen sie sich nicht vom Glanz blenden und sind überzeugt, dass es "… ein Spott ist: Das Bild ist aus Gold, aber sein Vorbild aus Staub."
Das lässt sich Nabucco natürlich nicht bieten, und auch wenn er kurz zweifelt, ob er richtig handelt, rächt er sich für den Ungehorsam und überlässt die Jünglinge in einer dramatischen Szene dem Feuer. "Si, mi vendicherò".
Die lassen sich auch von Arioco nicht mehr umstimmen. Doch von Engeln zwischen Blumen und Rosenduft getragen, bleiben sie von den Flammen unberührt und werden schließlich vom Heiligen Geist gerettet. Immer wieder sind in Falvettis Oratorium auch Elemente aus der mediterranen Volksgläubigkeit auszumachen.
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Nabucco, Anania, Azaria, Misaele
Der Argentinier Leonardo García Alarcón hatte schon zuvor mit ‚Il diluvio universale‘ ein Oratorium von Falvetti wiederbelebt. Ihn interessierte die Musik des in Kalabrien geborenen und in Sizilien als Domkapellmeister wirkenden einflussreichen Geistlichen, der eine Vielzahl an mehrstimmigen Messen, groß besetzten Psalmen, Solo- und Ensemblemotetten schrieb, von dem aber bis jetzt nur diese beiden Oratorien wieder aufgefunden wurden. Für den Musikwissenschaftler Nicolò Macavino, der dieses Stück ausgegraben hat, ist Falvetti eine der ‚interessantesten und originellsten Musikerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts‘.
Alarcón hat vor allem die "sinnliche Pracht" dieser Musik fasziniert, die Ausdruckskraft der mediterranen Klangwelt und er hat sie durch die Mischung der verschiedenen Instrumentengruppen noch verstärkt. Formal gibt es zwar, analog zur Oper der damaligen Zeit, die Abfolge von Rezitativ – Arie – Rezitativ, aber die Handlung ist recht einfach angelegt und auch formal gibt es nicht viel Außergewöhnliches. Doch der Reichtum an eingängigen Melodien, exotischen und rhythmischen Elementen unterstreicht die Zeitlosigkeit dieser Musik, die Alarcon allein durch die politische Botschaft gewährleistet sieht. Inwieweit er sich an die Partitur gehalten hat, ist so nicht auszumachen, doch letztlich mag auch hier, wenn man es nicht zu puristisch sieht, gelten, "erlaubt ist, was gefällt."
Das Sängerensemble kann überzeugen, nur der Countertenor Fabián Schofrin schwächelt ein wenig, was vielleicht zu seiner Rolle als Arioco auch ganz gut passt. Die Sopranistinnen Caroline Weynants, Mariana Flore und Magdalena Padilla Olivares als Knaben lassen wiederum nichts zu wünschen übrig und auch die Rolle des Daniele mit Alejandro Merrapfel ist gut besetzt.
Der Klang der Aufnahme ist nicht ganz so überzeugend, was vielleicht auch den akustischen Gegebenheiten der Abteikirche von Ambronay geschuldet ist. Die Capella Mediterranea ist hier um einige prominente Musiker wie zum Beispiel den iranischen Schlagzeuger Keyvan Chemirani erweitert worden. Die Wiederaufführung hat im September des vorigen Jahres während des Festivals in Ambronay stattgefunden, jetzt ist die CD in der eigenen Reihe, im Vertrieb von Harmonia Mundi herausgekommen.
Am Ende des Oratoriums steht nicht die Bekehrung Nabuccos, sondern der Schlusschor des ganzen Volkes, der die kindliche Unschuld rühmt. Für Alarcón besteht Falvettis "Genialität darin, dass er eine unmittelbar verständliche, nacherlebbare Form gefunden hat, um nicht nur religiöse und musikalische Inhalte zu gestalten, sondern auch politische Themen."
Michelangelo Falvetti: Il Dialogo del Nabucco, Schlusschor: Mortale , è più che vero
Musik:
Michelangelo Falvetti
Nabucco
Leonardo García Alarcón
Cappella Mediterranea
Choeur de Chambre de Namur
Ambronay Editions AMY036
3760135100361
Vertrieb über Harmonia Mundi