Es hatte schon etwas Rührendes zu sehen, wie der große 84-jährige Hans Werner Henze gebeugt und mit weiten wachen Augen den Schlussapplaus des Publikums entgegennahm. Und doch wirkte er einsam und nicht mehr so recht in der Zeit, vor allem als er bei der anschließenden Premierenfeier im Rollstuhl herumirrend durch das brechend volle Festzelt geschoben wurde und nicht zu wissen schien, wohin des Wegs, da ihn anfangs niemand erwartete oder auf ihn zukam. So wirkte auch die Uraufführung seines kleinen Musiktheaterstücks "Gisela!" nicht mehr so ganz gegenwärtig. Obwohl es explizit eine Arbeit für Jugendliche sein und von jungen Menschen aufgeführt werden soll und die Szene ein hyperrealistisches Ambiente zeigt, das Innere eines heutigen Zugabteils und Bahnhöfe von heute, die Bahnhöfe von Neapel und Oberhausen, denn zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die Geschichte der Titelheldin Gisela Geldmaier und ihres Verlobten Hanspeter Schluckebier. Die allenfalls für Kinderohren witzigen Namen sagen aber überhaupt nichts über ihre Träger aus, Gisela ist nicht geldgierig und Hanspeter kein Säufer. Er ist ein spießbürgerlicher Rationalist und von Beruf Vulkanologe, der die Eruptionen der Seele nur als chemischen Vorgang begreift. Sie dagegen ist eine sensible Studentin der Kunstgeschichte, glaubt an die große Liebe und ist sich gar nicht so sicher, ob dieser Hanspeter der Richtige für sie ist.
Die Verlobten aus Oberhausen kommen mit der Bahn in Neapel an, wo sie der hübsche Fremdenführer Gennaro bereits erwartet. Sie besuchen eine Commedia-dell'Arte-Vorstellung, bei der Gennaro mitspielt, und es kommt, wie es kommen muss: Gisela und Gennaro verlieben sich ineinander. Gisela flüchtet mit ihrem Italiener zurück nach Oberhausen, wo ihre Eltern ihnen die Unterkunft verweigern. Auf dem nächtlichen Bahnhof träumt Gisela vom Glück an der Seite ihrer großen Liebe, aber auch Todesängste und ein schlechtes Gewissen ihrem Ex gegenüber plagen sie. Da taucht der Ex, Hanspeter, plötzlich wieder auf, im Zweikampf mit Gennaro zieht er aber den kürzeren, der Vesuv explodiert in Oberhausen, Asche regnet vom Himmel, Orchester, Chor und Solisten schmettern einen Hymnus auf die Freiheit, Ende. Was soll man zu solch einem Libretto sagen? Mit jungen Menschen der Gegenwart hat es jedenfalls nichts zu tun. Gesellschaftliche Zwänge für Paare gibt es nicht mehr, Italien ist nicht mehr das Sehnsuchtsland, Bildungsreisen heißen heute Work and Travel und führen um die ganze Welt. So ist diese Oper vor allem eine nostalgische Reminiszenz des Komponisten, als ihn die gesellschaftlichen und ästhetischen Zwänge im Deutschland der 50er-Jahre in den Süden trieben. Darum hätte der Regisseur der Uraufführung, Pierre Audi, das Stück besser ins Nachkriegsjahrzehnt versetzt, aber das lässt das Libretto gar nicht zu. Denn als Gennaro in Oberhausen nach den seltsamen Türmen fragt, erklärt ihm Gisela, es seien Relikte einer untergegangenen Industriearchitektur, die einst das schwarze Kohlegold zutage gefördert habe.
Die Jugendoper des alten Komponisten erzählt an ihrem Zielpublikum permanent vorbei. Kleinteilig wie das zusammengeschusterte und von Psychologie wenig inspirierte Libretto ist auch die Komposition, die auf jeden großen dramatischen Bogen verzichtet. Elegisch hebt das Orchester zu Beginn an, burlesk tobt es sich im wilden Rhythmus des Schlagwerks in der Commedia-Szene und beim Zweikampf am Ende aus, lyrische Passagen wechseln mit schlichten Rezitativen ab, Arioso-Partien der Gisela werden von einem Bratschensolo begleitet, wozu die sanften Hörner ein melodiöses Idyll zaubern. Großartig musiziert von den jungen Künstlern. Wunderbare Momente scheinen so auf, vor allem in Giselas Traumnacht, zu der Henze Kompositionen von Johann Sebastian Bach unter anderem für Vibraphon, Bläser, Orgel und Harfe arrangiert hat. Leider kann das Gelungene dieser Arbeit die gravierenden Fehler nicht wettmachen. Auch passt das Werk thematisch überhaupt nicht in den diesjährigen Schwerpunkt von Willy Deckers Ruhrtriennale, die sich eigentlich dem islamischen Kulturkreis widmet. Und im Kulturhauptstadtjahr Ruhr2010 sollte diese Uraufführung das Herzstück eines gigantomanisch konzipierten Henze-Projektes mit hunderten Aufführungen des Komponisten sein. Aber dieses Herz pocht nur sehr schwach. Ein kleineres, ruhigeres Ambiente hätte ihm besser getan.
Die Verlobten aus Oberhausen kommen mit der Bahn in Neapel an, wo sie der hübsche Fremdenführer Gennaro bereits erwartet. Sie besuchen eine Commedia-dell'Arte-Vorstellung, bei der Gennaro mitspielt, und es kommt, wie es kommen muss: Gisela und Gennaro verlieben sich ineinander. Gisela flüchtet mit ihrem Italiener zurück nach Oberhausen, wo ihre Eltern ihnen die Unterkunft verweigern. Auf dem nächtlichen Bahnhof träumt Gisela vom Glück an der Seite ihrer großen Liebe, aber auch Todesängste und ein schlechtes Gewissen ihrem Ex gegenüber plagen sie. Da taucht der Ex, Hanspeter, plötzlich wieder auf, im Zweikampf mit Gennaro zieht er aber den kürzeren, der Vesuv explodiert in Oberhausen, Asche regnet vom Himmel, Orchester, Chor und Solisten schmettern einen Hymnus auf die Freiheit, Ende. Was soll man zu solch einem Libretto sagen? Mit jungen Menschen der Gegenwart hat es jedenfalls nichts zu tun. Gesellschaftliche Zwänge für Paare gibt es nicht mehr, Italien ist nicht mehr das Sehnsuchtsland, Bildungsreisen heißen heute Work and Travel und führen um die ganze Welt. So ist diese Oper vor allem eine nostalgische Reminiszenz des Komponisten, als ihn die gesellschaftlichen und ästhetischen Zwänge im Deutschland der 50er-Jahre in den Süden trieben. Darum hätte der Regisseur der Uraufführung, Pierre Audi, das Stück besser ins Nachkriegsjahrzehnt versetzt, aber das lässt das Libretto gar nicht zu. Denn als Gennaro in Oberhausen nach den seltsamen Türmen fragt, erklärt ihm Gisela, es seien Relikte einer untergegangenen Industriearchitektur, die einst das schwarze Kohlegold zutage gefördert habe.
Die Jugendoper des alten Komponisten erzählt an ihrem Zielpublikum permanent vorbei. Kleinteilig wie das zusammengeschusterte und von Psychologie wenig inspirierte Libretto ist auch die Komposition, die auf jeden großen dramatischen Bogen verzichtet. Elegisch hebt das Orchester zu Beginn an, burlesk tobt es sich im wilden Rhythmus des Schlagwerks in der Commedia-Szene und beim Zweikampf am Ende aus, lyrische Passagen wechseln mit schlichten Rezitativen ab, Arioso-Partien der Gisela werden von einem Bratschensolo begleitet, wozu die sanften Hörner ein melodiöses Idyll zaubern. Großartig musiziert von den jungen Künstlern. Wunderbare Momente scheinen so auf, vor allem in Giselas Traumnacht, zu der Henze Kompositionen von Johann Sebastian Bach unter anderem für Vibraphon, Bläser, Orgel und Harfe arrangiert hat. Leider kann das Gelungene dieser Arbeit die gravierenden Fehler nicht wettmachen. Auch passt das Werk thematisch überhaupt nicht in den diesjährigen Schwerpunkt von Willy Deckers Ruhrtriennale, die sich eigentlich dem islamischen Kulturkreis widmet. Und im Kulturhauptstadtjahr Ruhr2010 sollte diese Uraufführung das Herzstück eines gigantomanisch konzipierten Henze-Projektes mit hunderten Aufführungen des Komponisten sein. Aber dieses Herz pocht nur sehr schwach. Ein kleineres, ruhigeres Ambiente hätte ihm besser getan.