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Wegen 6.500 gestorbener Arbeiter
Rasenproduzent boykottiert Fußball-WM in Katar

Eigentlich sollte "Hendriks Gras" den Rasen für die WM-Stadien in Katar liefern. Jetzt boykottiert die niederländische Firma die WM 2022 - wegen der vielen toten Arbeiter auf den Baustellen. Es ist nicht die einzige Reaktion in den Niederlanden.

Von Ludger Kazmierczak |
Männer in Arbeitskleidung gehen vor der Baustelle eines Stadions entlang.
Rund 6.500 Arbeiter sind laut eines Berichts des "Guardian" beim Bau der WM-Stadien in Katar gestorben (AFP)
Dem regionalen Nachrichtensender "1Limburg" war die Nachricht einen Aufmacher wert. Der Rasen-Produzent Hendriks Gras aus dem grenznahen Heythuysen wird – anders als geplant - kein Grün für die WM-Stadien in Katar liefern.
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Baustelle eines Stadions in Doha, Katar für die Fußball WM 2022.
Fußball und Politik in Katar Die Wüsten-WM als Eintrittskarte
Für Staaten am Golf ist Fußball ein Mittel, für das eigene Land und speziell die Wirtschaft zu werben. Wenn Katar 2022 die Weltmeisterschaft austrägt, ist das auch eine Absicherung gegen Saudi-Arabien.
Die Entscheidung traf das Unternehmen, nachdem die britische Zeitung "The Guardian" Ende Februar berichtet hatte, dass beim Bau der Stadien in den vergangenen zehn Jahren rund 6.500 Arbeiter ums Leben gekommen sind. Wenigstens einer, der die WM boykottiert, sagt der Sportjournalist und Ex-Profi Johan Derksen.

Druck auf Sport und Politik steigt

Dass die WM 2022 im Wüstensstaat am Persischen Golf stattfindet, hält er für einen Skandal. "Wenn ich zu einem Fest muss, bei dem sechseinhalbtausend Menschen ums Leben gekommen sind, dann gehe ich da nicht hin. Und ich bin sehr gespannt, ob nicht irgendein Fußballer endlich mal sagt: mit mir nicht. Ich fahre da nicht hin, dann erschrecken sie sich da zu Tode."
Bislang hat weder ein Profi, noch eine Nationalmannschaft, geschweige denn ein nationaler Verband seine Zusage für die Weltmeisterschaft zurückgezogen. Doch je näher die WM rückt, desto größer wird der Druck – auch auf die Politik.
Panoramablick auf die Baustelle eines in Grundzügen bereits erkennbaren Stadions mitten in der Wüste.
Kommentar: Sterben für den Fußball
Seit der Vergabe der Fußball-WM an Katar sollen dort rund 6.500 Gastarbeiter gestorben sein. Ronny Blaschke kritisiert in seinem Kommentar, dass die Empörung über solche Berichte inzwischen schon rituell ist und schnell abebbt.
So hat das niederländische Außenhandelsministerium eine für Ende dieses Monats geplante Reise großer Unternehmen nach Katar kurzfristig abgesagt. Und bereits im Februar hatte das Parlament entschieden, dass der König und der Ministerpräsident dem Turnier fernbleiben sollen.

Rasenproduzent "enorm erschrocken" von Zahl toter Arbeiter

Dass nun der renommierte Rasenproduzent aus der Nähe von Roermond ein Zeichen setzt, lässt aufhorchen. Die Entscheidung, den WM-Auftrag zurückzugeben, begründete Hendriks in einem kurzen Pressestatement.
Zitat aus Statement von Hendriks Gras: "Wir haben gesehen, was da vor sich geht. Wir wussten, dass bei den Arbeiten Menschen ums Leben gekommen sind, aber die Zahl von sechseinhalbtausend hat uns enorm erschrocken."

Viel Lob in den Sozialen Medien

In den sozialen Medien überschlagen sich die Kommentatoren mit Lob und Zustimmung für den Familienbetrieb, der auch für das Sommermärchen 2006 in Deutschland und für die letzten drei Europameisterschaften den Rasen geliefert hat.
Bei Twitter heißt es: "Ein Betrieb für Gras und mit Rückgrat!" "Applaus für Hendriks, für die Geld nicht das einzige ist, was zählt!" "Chapeau, Hendriks! Eine Firma mit gutem moralischen Kompass!"
Gute PR für die Firma aus Limburg. Hendriks mag gerade auf einen lukrativen Auftrag verzichtet haben. Aber die Symbolkraft dieser Entscheidung dürfte vielleicht für reichlich neue Anfragen sorgen.