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Wegen des Brexit
Schottischer Bürgermeister in Schleswig-Holstein gibt Amt auf

Iain Macnab ist seit zwölf Jahren Bürgermeister des kleinen Dorfes Brunsmark in Schleswig-Holstein. Sein Problem: Er hat einen britischen Pass. Wenn Großbritannien am Freitag aus der EU austritt, muss der 70-Jährige seinen Posten aufgeben, denn dafür bräuchte er den Pass eines EU-Mitgliedsstaates.

Von Johannes Kulms | 28.01.2020
Iain Macnab vor einer Wiese in Brunsmark
Nach zwölf Jahren ist Schluss für Iain Macnab als Bürgermeister von Brunsmark (Deutschlandradio /Johannes Kulms)
Brunsmark liegt knappe 50 Kilometer östlich von Hamburg. Das 160-Einwohnerdorf und die Umgebung wirken auf den ersten Blick idyllisch. Doch der ehrenamtliche Bürgermeister hat ähnliche Sorgen und Pflichten wie seine Amtskolleginnen und Kollegen in deutlich größeren Gemeinden.
"Das nervt ein bisschen, weil man hat immer so viel im Kopf. Man muss vor allem so ein Rechtswissen haben, das Gott sei Dank unser Amt bietet."
Iain Macnab ist seit fast zwölf Jahren Brunsmarker Bürgermeister. Nur wenige Wochen vor seiner Wahl im Juni 2008 wurde auch im fernen lauten London ein neues Stadtoberhaupt gesucht…
"In order to make that change, it’s vital that you vote for me, for Boris Johnson, as Mayor and for the Conservatives for the GLA on may 1st."
Dass sich die Wege von Boris Johnson und ihm einmal politisch kreuzen würden, daran hätte Iain Macnab lange Zeit nicht geglaubt. Der 70-Jährige stammt aus einem schottischen Dorf, in den 70er Jahren zog er nach Deutschland, seit 1992 lebt er in Brunsmark.
Vom Brexit und Boris Johnson hält er nichts
Wenn Boris Johnson an diesem Freitag als Premierminister Großbritannien endgültig aus der Europäischen Union führt, muss Macnab sein Amt als Bürgermeister in Deutschland aufgeben. Denn die EU-Gesetzgebung erlaubt die Übernahme von politischen Ämtern auf kommunaler Ebene nur für diejenigen, die den Pass eines Mitgliedsstaats haben. Doch Macnab hat bis heute nur die schottische Staatsbürgerschaft.
Vom politischen Projekt Brexit hält er nichts. Ebenso wie von Boris Johnson als Mensch.
"Weil er ist echt zu elitär für mich, ich würde ihm aus dem Weg gehen. Ich bin im Hotel aufgewachsen und wir hatten sehr viele Lords, Ladies und Upper Class und so was. Als Kind habe ich sehr viel mit solchen Kindern gespielt und gemacht und getan. Und gleich war meine Abneigung da und ich habe mich immer als Dorfkind von dem 200-Seelendorf identifizieren können, wo ich herkomme. Und nicht mit diesen Kindern, die ein anderes Lebensziel haben eindeutig als ich."
Er vermisst den tosenden Atlantik und die schottischen Highlands. Doch seine Heimat ist schon lange Brunsmark, wo er mit seiner deutschen Frau in der alten Dorfschule lebt und drei Kinder hat. Den deutschen Pass zu beantragen kam für ihn allerdings nie in Frage.
"Ich bin 70 Jahre Schotte, und ich würde es schwer finden zu sagen, plötzlich nach 70 Jahren, dass ich deutsch bin. Es ist einfach schwer."
Vor allem befürchtet er, dass er Probleme mit dem Rentensystem, aber auch der Krankenkasse bekommen könnte, falls er eines Tages mit einem deutschen Pass doch wieder zurück in seine alte Heimat zieht.
Iain Macnab setzt sich aufs Rad zu einer kleinen Rundfahrt durchs Dorf.
Eher zufällig sei er 2008 Bürgermeister in Brunsmark geworden. Zwei politische Lager habe es damals im Dorf gegeben, Macnab wurde gefragt, weil er etwas weiter draußen wohnte und als neutraler galt.
"Das Dorf ist hoffentlich sehr vereint jetzt, das ist meine Hoffnung, dass es ein bisschen mehr vereint ist als früher…"
Stolz auf Dorfgemeinschaftshaus und schnelle Internetzugänge
Iain Macnab ist stolz darauf, dass in seiner Zeit als Bürgermeister Brunsmark die 24 Nachbargemeinden schnelle Glasfaser-Internetzugänge bekommen haben. Und er freut sich über das neue Dorfgemeinschaftshaus, das nach langer Diskussion errichtet wurde. Dort treffen sich die Gemeindevertreter, werden Parties gefeiert und auch die Freiwillige Feuerwehr hat in dem Gebäude ihren Sitz.
Am Eingang des Gemeinschaftshauses wurde mit einem Zuschuss aus Brüssel in Höhe von 151.000 Euro ein Raum mit Toilette und Dusche für Fahrradwanderer errichtet. Auch darauf scheint Iain Macnab stolz. Ein EU-Fan ist der schottische Bürgermeister von Brunsmark trotzdem nicht.
"Ich finde, dass die EU – also als jetzige Institution – ist ein Misthaufen! Aber man kann nur einen Misthaufen in Ordnung bringen, wenn man eine Mistforke hat. Und in dem Moment, wo Großbritannien nicht mehr in der EU ist hat es keine Mistforke mehr."
Die Europäische Union sei einfach zu mächtig geworden, mische sich in zu viele Belange der Bürgerinnen und Bürger ein. Brüssel ist für Iain Macnab eher Symbol für Bürokratie als Demokratie. Dass die Briten 2016 mehrheitlich für einen Austritt aus der EU gestimmt haben hat ihn trotzdem sehr überrascht.
"Das Ergebnis hat für mich das gleiche Gefühl in mir verursacht als wenn Trump gewählt war. Ich dachte, die sind nicht ganz frisch!"
"Ein Bierchen konnte man auch mal mit ihm trinken"
Vor einem abgerissenen Bauernhaus nahe des Dorflöschteichs stehen zwei Brunsmarker. Dass Iain Macnab ein Schotte ist habe für ihn nie eine große Rolle gespielt sagt Thomas Bigall. Der 35-Jährige wird Macnab vor allem als guten Bürgermeister in Erinnerung behalten.
"Das hat er echt gut gemacht. Immer schön menschlich fair geblieben, ein Bierchen konnte man auch mal mit ihm trinken, das hat auch immer Spaß gebracht…"
Neben ihm steht Stefan Ergezinger. Der 41-Jährige ärgert sich über die EU-Gesetzgebung, die hier in Brunsmark den Abgang des aktuellen Bürgermeisters nötig macht.
"Was soll der Blödsinn 'Nee, darfst nicht mehr, weil du Schotte bist! Darfst hier in der Politik nicht mehr zuständig sein.' Und wenn er das nicht will, sich einen deutschen Pass zu holen, müsste es ja trotzdem Möglichkeiten geben dafür."
Auch Iain Macnab würde sich wünschen, dass Menschen ohne EU-Pass auf kommunaler Ebene politische Ämter übernehmen können. Vorausgesetzt, sie leben lang genug in einer Gemeinde.
Damit, dass er ab dem kommenden Freitag nicht länger mehr Bürgermeister von Brunsmark ist, kann er aber leben. Zwölf Jahre seien eine lange Zeit gewesen und er freue sich, dass er wieder mehr Zeit für seine Familie und seinen Job im IT-Bereich hat.
Befürchtungen, das Königreich wird zerbrechen
Trotzdem macht ihn der Brexit traurig. Er befürchtet, dass das Vereinigte Königreich bald zerbrechen und Schottland unabhängig wird. Doch ob sein Heimatland dann schnell in die EU aufgenommen werde, sei höchst fraglich.
Iain Macnab ist wieder zu Hause und wirft noch mal schnell einen Blick auf die Hühner hinter seinem Wohnhaus.
"Hannibal, komm raus, komm!"
Aus einem kleinen Holzhäuschen schaut der etwas ängstliche Kopf eines Hahns hervor.
"Hannibal ist zehn Jahre alt. Das ist ein Brahma-Hahn. Wir geben ihm einfach sein Gnadenbrot. Er soll eigentlich seit zwei Jahren tot sein. Aber…ihm geht’s noch gut und jeden Morgen unterhält er seine Dame…"
Dann kommt Hannibal heraus. Der Hahn hat Iain Macnab fast über seine gesamte Zeit als Bürgermeister begleitet. Diese wird mit dem Brexit an diesem Freitag enden. Doch für Hannibal dürfte das Leben auch danach weitergehen.