Das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr ist in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik geraten. Rechtsextremismusvorwürfe und verschwundene Munition, die ein Soldat in seinem Privatgarten vergraben hatte, sind nur ein Teil der Skandale.
Vor über einem Jahr hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) eine Arbeitsgruppe damit beauftragt, rechtsextremistische Tendenzen innerhalb des KSK und Verstöße im Umgang mit Munition und Waffen zu prüfen und abzustellen. Im Bericht wird von einer "bisweilen unheilvollen Fehlkultur" gesprochen, die sich in der Einheit etabliert habe, berichtet Klaus Remme im Dlf.
Aus dem Abschlussbericht geht jedoch auch hervor, dass das KSK die Reformauflagen - insgesamt 60 Einzelmaßnahmen - nahezu vollständig umgesetzt hat. Die Opposition kritisiert jedoch mangelnde Transparenz und Aufklärung unter anderem in Bezug auf die rechtsextremen Netzwerke.
Die Konsequenzen für das KSK sind noch unklar
Unklar sind bisher die personellen Konsequenzen aus den Skandalen und die Zukunft der Einheit. Darüber will Kramp-Karrenbauer erst Ende Juni entscheiden und das KSK vorher persönlich über ihre Entscheidungen informieren. Die Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Eva Högl, hat Verständnis für das Vorgehen der Ministerin und sagte im Dlf, das sei "das richtige Vorgehen". Högl zeigte sich in Bezug auf die Reformen im KSK optimistisch. Der Abschlussbericht zeige, dass das KSK eine gute Zukunft habe. Allerdings müssten sehr viele Sachverhalte noch disziplinarisch und strafrechtlich geklärt werden.
Das Interview im Wortlaut:
Tobias Armbrüster: Frau Högl, was ist Ihre Meinung? Ist das KSK, das Kommando Spezialkräfte nach diesem Abschlussbericht aus der Schusslinie?
Eva Högl: Nein, wahrscheinlich aus der Schusslinie, wenn ich Ihren Begriff aufgreifen darf, ist das KSK sicherlich noch nicht, denn auch nach diesem Abschlussbericht ist deutlich, dass es eine Daueraufgabe ist, die Vorfälle, die es gegeben hat, sorgfältig und konsequent aufzuklären und die Reformen auch fortzuführen. Wir haben jetzt, es nennt sich zwar Abschlussbericht, aber ich würde es so sehen, einen Zwischenstand zum Ende der Legislaturperiode und es zeigt sich, dass die ergriffenen Maßnahmen auch gut wirken, dass im KSK wirklich viel verändert wurde, und ich finde, der Abschlussbericht zeigt auch, dass das KSK eine gute Zukunft haben kann. Aber es muss weitergehen. Wir sind noch längst nicht am Ende. Das KSK muss stabilisiert und gestärkt werden.
"Die Schweinskopfparty ist längst noch nicht aufgeklärt"
Armbrüster: Können Sie uns das etwas genauer erklären? Was muss da weitergehen? Woran hapert es noch?
Högl: Ich fange mal an mit dem Thema Aufklärung. Wir haben eine ganze Reihe von Sachverhalten, die noch untersucht werden, sowohl disziplinarrechtlich als auch strafrechtlich. Auch die ganze Schweinskopf-Party von 2017 ist längst noch nicht aufgeklärt und noch nicht zum Abschluss gebracht worden. Ich kritisiere das auch, dass diese Verfahren zu lange dauern. Das liegt bei den Gerichten. Das muss, denke ich, deutlich zügiger gehen. Das Stichwort Aufklärung der Sachverhalte, die ja auch im Abschlussbericht aufgelistet werden.
Dann komme ich zum Thema Reform. Da ist es so, dass jetzt der Abschlussbericht sagt, dass viel angegangen wurde, die Maßnahmen auch wirken. Aber Dinge wie Reform der Ausbildung oder auch das ganze Thema Integration des KSK in die Gesamtstruktur Heer, Bundeswehr, das sind natürlich Dinge, die noch weiter gefestigt werden müssen.
Ich komme zu einem dritten Thema, was mir sehr am Herzen liegt. Das KSK muss sich auch öffnen. Es muss sich öffnen in die Gesellschaft. Wir sind sehr stolz auf diese Fähigkeit. Das KSK besteht dieses Jahr 25 Jahre. Aber ich finde, es müssen viel mehr Menschen auch wissen, was das KSK kann, wofür wir es haben, und das wäre auch eine gute Unterstützung im Übrigen der Soldatinnen und Soldaten, die dort ihren Dienst tun.
"Im KSK hat sich etwas verselbstständigt"
Armbrüster: Frau Högl, was ist denn Ihre Einstellung? Was macht diese Eliteeinheit KSK so anfällig für alle möglichen Arten von Unregelmäßigkeiten und auch für politischen Extremismus?
Högl: Das liegt wohl in der gesamten Geschichte der letzten 25 Jahre. Das deutet der Abschlussbericht ja in Teilen auch an. Das KSK hat natürlich eine absolute Sonderstellung. Die Spezialkräfte sind eben etwas Besonderes, weil es eine besondere Fähigkeit ist. Aber im KSK hat sich ganz offensichtlich in einigen Bereichen etwas verselbstständigt. Das liegt an der Struktur, das liegt sicherlich auch daran, dass sie relativ abgeschottet in Calw ziemlich weit weg aus dem Blickwinkel nicht nur des politischen Berlins, sondern sonstiger Bereiche sind und diese Verselbstständigung auch falsch verstandenes Führungsverhalten, auch – so wurde gedacht – ein legitimer Regelbruch zum Beispiel beim Umgang mit Munition, absolut nicht tolerabel. Aber da hat sich etwas verfestigt und verselbständigt, was jetzt wirklich ganz sorgfältig nicht nur aufgearbeitet, sondern verändert werden muss. Ich muss aber sagen, wenn ich den Abschlussbericht jetzt lese, aber ich war ja im letzten Jahr als Wehrbeauftragte auch häufig im KSK, habe viele Gespräche geführt, habe mich intensiv auseinandergesetzt mit diesem Verband: ich bin vorsichtig optimistisch, aber möchte das auch hier deutlich sagen, dass das KSK eine gute Zukunft hat.
"Etwas mehr Transparenz"
Armbrüster: Sie haben jetzt auch gesagt, das KSK müsse sich öffnen auch der Gesellschaft gegenüber. Ich stelle dagegen mal diese Ansicht, dass es eigentlich zu dem Wesen so einer Eliteeinheit gehört, dass sie, wie Sie gesagt haben, etwas abgeschottet ist, sich nicht gemein macht mit den anderen Frauen und Männern in der Bundeswehr, sondern dass sie sich als eine separate Einheit empfindet. Gerade das macht ja so eine besondere Zusammenarbeit in dieser Einheit auch erst nötig, und wir sehen das ja in vielen anderen Eliteeinheiten rund um die Welt. Da setzen sich manchmal bestimmte, möglicherweise auch negative Tendenzen durch. Die Frage wäre, ist so etwas nicht ein trauriges, aber doch auch nicht zu verhinderndes Beiwerk bei so einer Eliteeinheit?
Högl: Selbstverständlich dürfen Eliteeinheiten nicht über laufende Operationen oder über die konkrete Art und Weise, wie sie vorgehen, berichten. Das ist völlig klar. Das unterliegt der Geheimhaltung. Aber es gibt doch Dinge, über die man sprechen kann, zum Beispiel mit großem zeitlichen Abstand, was gewesen ist, worauf man auch stolz sein kann, oder auch, dass die Männer und Frauen berichten, wofür sie grundsätzlich da sind. Ich glaube, wir können die Grenzen gut ausloten zwischen notwendiger Geheimhaltung. Man darf ja die Soldatinnen und Soldaten auch nicht gefährden. Man darf die Operationen nicht gefährden. Das ist schon klar. Das ist spezialkräftenimmanent. Aber ich glaube, in den letzten 25 Jahren ist da zu sehr abgeschottet worden. Ich glaube, es würde guttun, wenn wir etwas mehr Transparenz haben. Es ist beispielsweise geplant, in Calw ein Besucher-Informationszentrum zu errichten. Ich hoffe, dass das dieses Jahr eröffnet wird, wo berichtet wird über die Geschichte des KSK, über diese besonderen Fähigkeiten, und ich glaube, das wäre ein guter Beitrag zu mehr Transparenz, die ich für notwendig, aber auch für sinnvoll halte und auch für machbar.
"Ich habe Reformen und Aufklärung sehr eng begleitet"
Armbrüster: Frau Högl, hatten Sie als Wehrbeauftragte in den vergangenen Monaten Kontakt zu Soldaten aus dem KSK?
Högl: Ja, sehr viel. Ich habe quasi mit Tag eins, mit Amtsübernahme im Mai im letzten Jahr begonnen, mich intensiv, wenn ich so sagen darf, um das KSK zu kümmern. Ich war ein paar Mal selbstverständlich vor Ort in Calw. Ich war aber auch an anderen Orten, etwa am Zentrum innere Führung, um mir den Basislehrgang dort anzusehen. Ich habe die Reformen und die Aufklärung sehr eng begleitet. Und ich habe vor allen Dingen – und das ist das wichtigste – sehr viele Gespräche geführt mit den Soldatinnen und Soldaten dort im KSK, nicht nur mit den Kommandosoldaten, sondern auch mit den Unterstützungskräften, selbstverständlich auch mit dem Stab und dem Kommandeur. Ich glaube, sagen zu können, ich habe in diesem Jahr auch einen intensiven Einblick in das KSK bekommen und hoffe deshalb, dass diese Fähigkeit auch erhalten bleibt und eine gute Zukunft hat.
"Es gilt, im KSK die Spreu vom Weizen zu trennen"
Armbrüster: Können Sie uns dann sagen, wie haben die Frauen und Männer diese Untersuchung begleitet?
Högl: Ja, das ist natürlich so, dass nicht alle von Anfang an begeistert waren. Da ist ja viel passiert im KSK, die Schweinskopf-Party 2017 hat ja auch zu einem gewaltigen Ruck geführt. Dann der Vorfall mit dem rechtsextremen Soldaten, der Munition in seinem Garten vergraben hat und jetzt auch verurteilt wurde. Das hat das KSK natürlich bewegt. Es gibt aber die überwiegende Anzahl von Soldatinnen und Soldaten dort, die ganz fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, die jeden Tag verantwortungsvoll ihren Dienst leisten und die vor allen Dingen beitragen wollen – und das machen sie sehr professionell, sehr engagiert – zum Thema Aufklärung, aber auch an den Reformen arbeiten wollen. Deswegen gilt es im KSK vor allen Dingen Spreu vom Weizen zu trennen.
Diejenigen, die dort nicht hingehören, die dort extremistisches Gedankengut haben oder verbreiten oder beides, die gehören in so eine Spezialeinheit nicht. Ich nehme wahr, dass die Frauen und Männer dort mitmachen wollen, dass sie ihre Verantwortung auch wahrnehmen, und vor allen Dingen nehme ich auch wahr, dass sie das sehr engagiert tun – und das über ihren Auftrag hinaus. Denn sie werden ja gebraucht, auch jetzt in Afghanistan beim Abzug. Das ist eine Fähigkeit mit sehr engagierten Frauen und Männern.
"Überwiegend wirklich gute Demokratinnen und Demokraten"
Armbrüster: Darüber würde ich gleich noch mit Ihnen sprechen. Ganz kurz nur: Haben Sie tatsächlich auch Kontakt zu Soldaten gehabt, bei denen Sie gesagt haben, ja, hier sehe ich eine extremistische Tendenz und das ist eine Person, die wir eigentlich in so einem KSK nicht gebrauchen können?
Högl: Ich bin ja nicht die Disziplinaranwältin, keine Staatsanwältin und auch nicht der MAD. Aber natürlich habe ich auch ein differenziertes Bild bekommen. Ich habe ja viele Soldatinnen und Soldaten getroffen und das ist auch im KSK bunt und vielfältig, auch was Meinungsäußerungen und so weiter angeht. Aber die Soldatinnen und Soldaten, die ich getroffen habe, überwiegend, sind wirklich gute Demokratinnen und Demokraten, nehmen ihre Aufgabe wahr. Und ich will vielleicht auch noch gerne sagen, Herr Armbrüster, wenn ich das sagen darf: Diese Spezialkräfte müssen auch unsere Spezialkräfte für Demokratie, Rechtsstaat, Frieden und Freiheit sein, denn das repräsentieren sie auch und das setzen sie auch in verschiedenen Teilen der Welt durch.
Armbrüster: Frau Högl, zum Schluss noch eine Frage. Die Bundesverteidigungsministerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, will sich noch bis kommende Woche Zeit lassen, um über Konsequenzen aus diesem Abschlussbericht zu befinden. Können Sie das verstehen, dass die Konsequenzen erst mit dieser Verzögerung kommen und warum das nicht gestern schon passiert ist?
Högl: Mich hat das auch überrascht, um das ehrlich zu sagen, aber ich habe darüber nachgedacht und ich kann das eigentlich gut verstehen. Denn ich glaube, es ist auch der Ministerin wichtig, vor Ort in Calw den Soldatinnen und Soldaten zu sagen, welche Konsequenzen sie aus diesem Abschlussbericht zieht, welche Zukunft sie für das KSK sieht, und das im persönlichen Gespräch auch zu erörtern. Ich habe gestern mit ihr auch kurz darüber gesprochen. Ich finde das ein richtiges Vorgehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.