Im Sommer 1944 wurde eine kleine Stadt auf einem Bergrücken in der Toskana zur Hölle auf Erden. Am 29. Juni kam die Wehrmacht nach Civitella. Einige Tage zuvor waren in dem Ort drei deutsche Soldaten bei einem Anschlag getötet worden.
"Um sieben Uhr morgens läuteten die Glocken für die Messe. Meine Mutter ist hingegangen, ich war noch im Bett und hörte auf einmal Schüsse. Ich war überzeugt: Das sind endlich die Engländer."
Doch statt der alliierten Truppen ist eine Einheit der Fallschirm-Panzer-Division "Hermann Göring" nach Civitella gekommen, um Rache zu nehmen.
Auf dem Platz vor der Kirche in Civitella erzählt die heute 83-jährige Ida Balò, was sie damals erlebte.
"Hier stand eine Reihe von Maschinengewehren, die auf die Kirche gerichtet waren, einige Soldaten lachten! Und hier auf dem Kirchplatz wurde aufgeteilt, wie in den Konzentrationslagern, die Männer nach rechts und die Frauen nach links."
Das war das Todesurteil. Die meisten erwachsenen Männer von Civitella starben an diesem 29. Juni 1944. Um die Angehörigen der Opfer von Civitella zu entschädigen, hat das Oberste Gericht in Italien 2008 die Bundesrepublik Deutschland zu einer Schadenersatzzahlung von gut einer Million Euro verurteilt. Doch Deutschland weigert sich, als Staat Entschädigung zu leisten, dafür ist man sogar bis vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gezogen und hat Recht bekommen. Man kann keinen Staat für die Taten seiner Bürger in Haftung nehmen, entschied der IGH vor drei Jahren. Auf dieser Grundlage lehnt die Bundesregierung alle Reparationsforderungen ab, so der damalige Außenminister Guido Westerwelle:
"Wir sind der Überzeugung, dass nach Jahrzehnten der guten Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien in Europa Entschädigungsfragen nicht mehr offen sind."
Griechisches Dorf will Anspruch über Italien durchsetzen
Für Juristen und Politiker mag das eine Selbstverständlichkeit sein. Doch die Opfer und ihre Angehörigen empfinden das als Unrecht. Gianluca Lucarini ist Präsident Opfervereinigung von Marzabotto. In dem Ort bei Bologna ermordeten Wehrmacht und SS 1.380 Menschen.
"Dass das Gericht nicht den Mut hatte, den Bürger über Souveränität eines Staates zu stellen, ist ein Rückschritt. Darüber sind wir sehr enttäuscht. Es geht nicht um die Wiedergutmachungen, über die konnte das Gericht in Den Haag nicht entscheiden."
Es gibt auch Opfer von Zwangsarbeit und Wehrmachtsterror in Italien, die trotz des IGH-Urteils ihr Recht auf Entschädigung weiter einfordern. Viele von ihnen werden vom deutschen Rechtsanwalt Joachim Lau vertreten. Der klagte gegen die sogenannte Staatenimmunität vor dem italienischen Verfassungsgericht.
"Meine grundsätzliche Argumentation war die, dass die fundamentalen Rechte sich nicht vor einem sehr allgemeinen, ordinären Prinzip des internationalen Rechts ducken müssen."
Das Verfassungsgericht in Rom gab Lau vor wenigen Monaten recht. Seitdem ist zumindest für die italienische Seite die Frage nach Entschädigung wieder offen. Mehrere Verfahren gegen die Bundesrepublik laufen vor italienischen Gerichten. Besonders pikant ist die Klage eines griechischen Dorfes. Dieses will seinen Anspruch auf Entschädigung durch Deutschland auf dem Umweg über Italien durchsetzen. Die italienische Bahn schuldet der Deutschen Bahn einen Millionenbetrag. Diesen will Rechtsanwalt Lau, der die griechischen Wehrmachtsopfer vertritt, nun pfänden lassen.