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Weich sitzen in harten Zeiten

Mooswände, Badewannen aus Holz, die im Schlafzimmer stehen oder Möbel im Strickmuster-Look – drei der ungefähr 1000 alten und neuen Trends der Möbelmesse. Die "Weltleitmesse für Wohnen und Einrichten" will eben Avantgarde sein. Die praktische Seite kommt dennnoch nicht zu kurz.

Von Beatrix Novy |
    Warum soll ein Bad ein Bad sein? Die Frage ist nicht ganz neu, aber ausdiskutiert ist das Problem deshalb nicht. Immer noch leben zu viele Menschen mit einer Einrichtung, die einmal als hygienischer und zivilisatorischer Fortschritt galt. Das ist passé.

    "Man möchte sich die Möbel ins Bad holen und umgekehrt, den Boden wie in anderen Räumen."

    Diverse installationstechnische Fortschritte machen es möglich, jedes Badmöbel einzeln in der Wohnung zu platzieren. Das Waschbecken mit Unterschrank zum Beispiel neben dem Bett, was Erinnerungen wachruft an die Waschschüssel auf der Kommode, die um 1900 noch die Regel war. Die aktuelle Variante mit fließend Wasser ist natürlich ein bisschen teurer, wie jeder weiß, der mal mit dem Gedanken gespielt hat, eine frei stehende Badewanne auf Füßen zu kaufen.

    Dass solche Entwicklungen beim Presserundgang der Möbelmesse den Status einer kleinen Kulturrevolution annehmen, zeigt, wie wenig Revolutionäres sich überhaupt tut. Warum auch. Stilistisch ist man vorerst am Ende der Geschichte angekommen. Und die weitgehend ruhige Sprache der Formen und Designs zeugt von einem Selbstbewusstsein, das Ausgeflipptes und Overstatement derzeit nicht für passend hält in einem allgemeinen "anything goes", das zeitlose Traditionsdesigns ebenso akzeptiert wie die Nachfolger des Gelsenkirchener Barock, dreist und bunt und selbstironisch, geeignet, ein Ambiente aus den angesagten kantigen Polstern und kargen dünnen Tischplatten ein wenig aufzumöbeln.

    Wo es alles gibt, stellen sich vor den Stilentscheidungen andere, weltanschauliche Fragen. Also guckt man doch mal vorbei bei den Leuten, die mit einer philippinischen Kooperative ganz und gar nachhaltige Möbel produzieren, aus auf Rattan gezogenen Bananenblättern, mit einem silbrigen Belag von Hand geschliffener Kokosnussschalen. Die Entscheidung für solche Möbel wäre eine handfeste Hilfe für Erzeuger, die der Billigproduktion auf ihrem Kontinent, Asien, etwas auch sozial Nachhaltiges entgegenzusetzen suchen.

    Aber diese Entscheidung wird an der nächsten Station des Rundgangs schon konterkariert: Dass dort ein Jaguar, älteres Modell, als Blickfang postiert ist, erweist sich als irreführend, denn wir sind hier bei der Möbelmeile, einem Zusammenschluss ostwestfälischer Hersteller. Die sind eigentlich Konkurrenten, aber der Weltmarkt zwingt zu anderen Überlegungen, in diesem Fall heißt sie: Branding einer Region, die tatsächlich das Herz der deutschen Möbelindustrie und - Ostwestfalen! - Inbegriff von Wertarbeit und Tradition ist.

    Da schrumpft - oder erweitert sich - der Nachhaltigkeitsgedanke vom Engagement im Pazifik auf die Idee des Lokalen und Regionalen. Übrigens hat der vorgeführte Kleiderschrank, ein flexibles Gebilde, hochglanz-weiß lackiert mit implantierten farbigen Leuchtröhren nichts an sich, das an etwas landläufig Ostwestfälisches erinnert.
    Nichts wirklich Neues unter der Sonne. Nur Abwandlungen, vor allem im unsterblichen Segment des Wellness-Wohnens, das sich zunehmend einer Nation von Rückenkranken annimmt.

    "Das ist kein Bett, sondern ein Analysator. Sie sind jetzt am Rücken vermessen worden, jetzt drehen Sie sich auf die Seite. Wie Sie immer liegen. Jetzt misst der in Seitenlage, einmal Rückenlage, und kann so erkennen, das passt zu Ihrem Körper."

    Das Wohlfühlsegment bedient auch die Tapete aus echtem Moos, wunderweich und in eigenen Kulturen gezüchtet, denn wir wollen den Vögeln ja nicht das Futter wegnehmen.

    Und immer mehr Unternehmen spezialisieren sich auf einen Lebenstraum des technisierten Wohnens: das Kabelverstecken. Zum Beispiel in modernen Vitrinen mit unsichtbarem Kabelanschluss.

    Kein Problem ist das übrigens in der Großinstallation der Messe: "Das Haus", dieses Jahr vom Londoner Designteam Doshi Levien, wartet auf kleinstem Raum mit so ziemlich allen Materialien und Stilen auf, die man sich vorstellen kann. Ein zauberhafter und liebenswerter Irrgarten, ganz anders als frühere Installationen berühmter Großarchitekten, die den Kopf füllen sollten, aber die Sinne leer ließen.