Auf der Weide hinter den Tierställen tummeln sich rund 60 Gänse. Sie zupfen Grashalme aus dem sattgrünen Boden und picken geschrotete Weizenkörner aus dem Futtertrog. Schnatternd watscheln die großen weißen Vögel mit orangefarbenen Schnäbeln durch ein Wasserloch. Weihnachten und Schlachttermin sind noch weit weg. Auch die Vogelgrippe und das Stallgebot spielen an diesem Herbsttag noch keine Rolle auf dem kleinen Hof der Landwirtsfamilie Strüver im niedersächsischen Börry. Heute herrscht hier Gänseidylle pur.
"Das sind relativ robuste Gänse, die draußen eben laufen können bis zum Schluss und sollen und dadurch, dass sie sich natürlich bewegen, den ganzen Tag bewegen, entwickeln sie auch entsprechend Muskelfleisch. Natürlich müssen sie auch Fettansatz haben, aber was sie fressen, das entscheiden sie selbst – also, ich denke, das ist einfach artgerechte Tierhaltung, was einem einfach aus dem Herzen kommt."
Die Gänse, die Undine Strüver seit fast sieben Monaten aufzieht, verkauft sie direkt im Hofladen der Familie oder auf Wochenmärkten in der Region Hameln-Pyrmont. Der Hof, auf dem schon seit Generationen Landwirtschaft betrieben wird, hat einen festen Kundenstamm. 70 Prozent der Tiere, erzählt die 63-Jährige, sind für Weihnachten bereits vorbestellt.
"Es ist kontinuierlich mehr geworden. Jeder Skandal bringt uns Kunden, die dann auch bleiben. Aber es gibt natürlich auch Leute, die ihre Mast-Gänse aus Polen und Ungarn kaufen."
Mehrheit der Gänse kommt aus ausländischen Mastbetrieben
Viele Verbraucher haben auch kaum eine Alternative, wenn Weihnachten eine Gans auf den Tisch kommen soll. Rund 25.000 Tonnen Gänsefleisch essen die Deutschen jährlich. Nur ein Zehntel der Nachfrage kann durch heimisches Geflügel gedeckt werden, der Rest wird importiert, 85 Prozent aus den Gänsehochburgen Polen und Ungarn.
Zwar ist das Zwangsmästen, bei dem den Tieren das Futter gewaltsam über ein Rohr in den Magen gestopft wird, inzwischen in Polen verboten. Doch in den allermeisten Fällen werden Gänse dort und in Ungarn in nur zehn Wochen gemästet und dann geschlachtet. Auf deutschen Höfen haben die Tiere in der Regel dreimal so lange Zeit heranzuwachsen, sagt Klaus Jongebloed vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium.
"Es ist schon ein erheblicher Unterschied, wenn so eine Gans 30 Wochen Zeit hat, um – auf gut Deutsch – fett zu werden, dann ist es einfach viel besser für's Tier. Wenn das Tier von Getreide lebt und gefüttert wird, ist es tiergerechter als wenn es Kraftfutter zusätzlich bekommt oder Mastfutter, um schnellstmöglich einen Masterfolg zu erreichen."
Irreführende Kennzeichnung
Erst seit vergangenem Jahr muss beim Einkauf erkennbar sein, in welchem Land eine Gans aufgezogen und geschlachtet wurde. Dies gelte jedoch nur für unverarbeitetes Geflügel, sagt Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Niedersachsen:
"Sobald aber die Gans nur ein bisschen verarbeitet wurde – Sie können nur die Keulen kaufen zum Beispiel oder es ist das Ganze schon gewürzt – dann muss das Herkunftsland gar nicht mehr drauf stehen.
Wer sich über die Haltungsform informieren will, geht im Handel am sichersten mit dem Bio-Siegel oder den EU-weit gültigen geschützten Bezeichnungen "Freilandhaltung" - hier hat ein Tier mindestens vier Quadratmeter Auslauf - "Bäuerliche Freilandhaltung" - mindestens 10 Quadratmeter - oder "Bäuerliche Freilandhaltung unbegrenzter Auslauf".
"Darauf sollten Sie achten! Andere Begriffe, wie zum Beispiel "artgerechte Haltung" sind nicht geschützt. Das sagt dann über Ihre Gans gar nichts aus."
Preis als Anhaltspunkt für tiergerechte Haltung
Da ist die Preisangabe schon hilfreicher. Zwischen 13 und 20 Euro pro Kilo kostet eine Gans mit genügend Auslauf, gutem Futter und Zeit zum Heranwachsen. Schnellmastgänse sind etwa für die Hälfte zu haben. Ob sich die Vogelgrippe drastisch auf Angebot und Preis auswirken wird, ist derzeit nicht unbedingt zu befürchten. Aufgrund des Stallgebotes in vielen Regionen kann es aber dazu kommen, dass in den nächsten Wochen weniger frische Gänse angeboten werden, vermutet Verbraucherschützerin Schautz.
"Diese Ställe für die Gänse sind vielleicht nicht besonders groß. Kann sein, dass die Gänse jetzt früher geschlachtet werden, einfach, um diesem Platzmangel vorzubeugen und dass die Gänse jetzt schon früher tiefgekühlt ins Regal kommen."