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Weihrauch und Myrrhe für das Jesuskind

Mit dem Weihnachtsfest untrennbar verbunden ist der Duft von Räucherkerzen und Bienenwachs, von Nelken und Zimt, von Muskat und Vanille, für Kirchgänger aber vor allem: der Geruch von Weihrauch.

Von Eva-Maria Götz |
    Drei Könige wandern aus Morgenland, ein Sternlein führt sie zum Jordanstrand, in Juda fragen und forschen die drei, wo der neu geborne König sei. Sie wollen Weihrauch, Myrrhen und Gold, zum Opfer weihen dem Kindlein hold.
    "Das sind ja 'Tri-Amura' wie die Liturgie sagt, also drei Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe, die traditionell in drei Richtungen gedeutet werden, traditionell heißt schon in der Zeit der Kirchenväter. Das Gold, das einen königlichen Aspekt beinhaltet, die Myrrhe für das Menschsein, auch für die Sterblichkeit als einer der Duftstoffe, die auch für das Begräbnis verwendet worden sind. Und der Weihrauch natürlich für das Göttliche."
    Sagt Prof. Albert Gerhards vom Seminar für Liturgiewissenschaften der Universität Bonn. Dass die "Weisen aus dem Morgenlande", als die Matthäus sie in seinem Evangelium beschreibt, Duftstoffe im Gepäck hatten, als sie dem göttlichen Kind in der Krippe ihre Aufwartung machten, war so verwunderlich nicht: Weihrauch wurde in dieser Zeit auch im Tempel von Jerusalem entzündet, wenn etwas Besonderes, etwas Großes geschah oder geschehen sollte. Und der würzige Duft der Myrrhe fand nicht nur im Parfum Verwendung, sondern das Harz war auch Bestandteil des Öls, mit dem Priester im Tempel geweiht wurden. Und es war- und ist bis heute- ein wirksames Heilmittel. Und das Gold?

    "Das ist also eine Theorie, dass eine altorientalische Bezeichnung für Gold ganz ähnlich ist wie für einen dritten Duftstoff ist und das es eben drei gleichwertige Gaben zum Ausdruck kommen und gemeint ist natürlich, das hier der Duft des Orients nach Bethlehem kommt und auf diese Weise die Völker-Wallfahrt zu ihrem Ziel gekommen ist."

    Und hell erglänzet des Sternes Schein, zum Stalle gehen die Könige ein, das Knäblein schauen sie wonniglich, anbetend neigen die Könige sich, sie bringen Weihrauch, Myrrhen und Gold, zum Opfer dar dem Knäbelein hold.

    "Im Judentum gehörte es zu den rituellen Accessoires des Opferkultes im Tempel, es gehört auch hier sicherlich zu den Erscheinungsformen des Göttlichen, dass der Rauch einerseits sinnlich wahrnehmbar ist, also etwas epiphanes hat, aber doch flüchtig vergeht, also nicht festhaltbar ist, als ein Symbol des Transzendenten."
    In zahlreichen Stellen des Alten Testaments werden Weihrauchopfer erwähnt, die Rituale des frühen Judentums sind umweht von süßlich-schwerem Duft. Das war nicht nur Luxus, sonder überlebensnotwenig, wie eine Stelle im 4. Buch Mose zeigt:

    Und der Herr sprach "Verlasst diese Gemeinde, denn ich will sie in einem einzigen Augenblick vernichten." Da warfen sich Mose und Aaron auf ihr Gesicht nieder und Mose sagte zu Aaron: Nimm die Räucherpfanne, tu Feuer vom Altar hinein, und leg Weihrauch darauf; dann geh schnell zur Gemeinde und entsühne sie! Denn vom Herrn ist ein Zorngericht ausgegangen und die Plage hat schon begonnen.

    Da nahm Aaron die Räucherpfanne, wie Mose gesagt hatte, und lief mitten unter die Leute, die versammelt waren. Und wirklich, die Plage hatte im Volk schon begonnen. Aaron legte Weihrauch in die Pfanne und entsühnte das Volk.


    Das Verbrennen des Harzes von Boswellia sacra, so der botanische Name des arabischen Weihrauchbaums, kannten die Juden schon aus den Riten der heidnischen Kulturen rings um Israel herum. Auch im Alten Orient, in Griechenland und in Rom wurde dieses Ritual begangen, Weihrauchschwaden sorgten für das Aroma, das die Völker der Antike miteinander verband. Zumindest bis ins 1. Jahrhundert nach Christus, als mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels der Exodus der Juden begann. Albert Gerhards:

    "Das Judentum bedient sich vieler Elemente, die in den Religionen im Umfeld auch üblich sind. Natürlich wird das wiederum auch ein Stück in Frage gestellt, weil im Grunde genommen der ganze Tempelkult, also alles was mit Material und Opfern zu tun hat, ja irgendwie hinterfragt wird aufgrund der Besonderheit des jüdischen Monotheismus. Und in der Tat ist es ja so, dass mit der Zerstörung des Tempels das ja auch ein Ende findet: es gibt in der Synagoge keinen Weihrauch."

    "Im mittelalterlichen Indien verwendeten die Könige und andere hochrangige Persönlichkeiten eine Menge unterschiedlicher Parfums, unterschiedlicher Duftstoffe, in Zeremonien, in Riten, schon am Morgen badeten sie in parfümierten Wasser, sie besaßen große Mengen von Parfums. Und genau so war es im Tempel, hier bekam die Statue des Gottes eine ganz ähnliche Behandlung."

    Erzählt James A. McHugh von der Cornell Univercity in Ithaca, New York. Was den Menschen recht ist, ist den Göttern des Hinduismus billig: auch sie hatten einen ausdifferenzierten Geschmack:

    "Die Götter hatten spezielle Geschmacksvorlieben, beziehungsweise diese wurden den verschiedenen Göttercharakteren zugeordnet. Und das variierte. So wie unterschiedliche Menschen zu unterschiedlichen Zeiten anders riechen, je nach Konstitution oder Jahreszeit, so hatten auch die Götter unterschiedliche Parfums."

    Der Geruch in den Tempeln der indischen Götter, wie er in den Epen der Frühzeit überliefert ist, muss reichhaltig gewesen sein: es duftete nach Safran und Sandelholz. Verschiedenste Gewürze, Harze, Öle wurden verwendet, oft zu Pasten gerührt, mit denen die Statuen geschmückt wurden und die Gläubigen ihren Körper bemalten, manchmal auch mit erotischen Motiven. James A. McHughes:

    "In frühen Perioden gab es scheinbar ein Harz, das 'Gogaloo' genannt wurde und das von den Göttern bevorzugt wurde. Das wissen wir aus frühen Texten wie dem Mahabharata-Epos, in dem bestimmt wurde, dieser Duftstoff sei für die Götter. Es war eine Art Myrrhe. Aber dann gab es auch noch andere übernatürliche Wesen, die 'Asoda', die Gegen-Götter, die sich mit den Göttern im Krieg befanden, und die hatten andere Duft- Harze, genannt 'Sanheiki' und das machte deutlich, man konnte nicht den Geruch der Götter auch den Gegen- Göttern zuordnen. Und umgekehrt. Man durfte sie nicht vermischen."

    Erzählt Nathalie Bazin vom Staatlichen Museum asiatischer Künste, dem Musée Guimet, in Paris. Neben "Gonda" und "Dupa" gab es noch die Göttin des Lichtes und die Göttin der Blumen, allesamt schöne junge Frauen, die auf alten tibetanischen Mandalas im Umkreis der zentralen Gottheit abgebildet sind, und die zeigen, dass auch im Buddhismus den angenehmen Aromen eine große Bedeutung beigemessen wurde und wird. Und auch in buddhistischen Klöstern wird Harz verbrannt, nur hat es hier einen anderen Duft als in christlichen Kirchen: Es riecht nach Wachholder. Nathalie Bazin:

    "Es gibt einen Ort, ein sehr berühmtes Kloster in Zentral-Tibet, das ist das Kloster Reting, das seit Tausenden von Jahren umgeben ist von einem Wachholderbaumwald, der heilig ist und der auf keinen Fall abgeholzt werden darf."
    Was nicht nur mit seinem Duft zu tun hat, sondern auch damit zusammenhängt, dass die sieben Schichten der Rinde des Wachholderbaums gleichgesetzt werden mit den sieben zentralen Göttern und den ersten sieben Dalai Lamas:

    "Sie verbrannten Gras, süßes Gras, von sehr früher Zeit an, wenigstens ab dem 6. oder 5. Jahrhundert vor Christus. Von da an haben die Chinesen schon Parfum benutzt, als Heilmittel, um ihre Kleider zu desinfizieren oder einfach um in Adelspalästen eine gute Atmosphäre zu schaffen. Das hat in China Tradition."
    Erklärt Iman Lai vom National Palace Museum in Taipei. In der bereits hoch entwickelten Kultur der Quin-Zeit von 220 vor und der Han-Dynastie bis 220 nach Christus spielte Weihrauch in China keine Rolle. Das änderte sich erst, als sich ab dem 5. Jahrhundert. Auch hier der Buddhismus verbreitet.
    "Das ist insofern sehr interessant, als es keine gängige Praxis war, den Göttern oder höheren Geistern Weihrauch zu opfern, man opferte Fleisch. Erst im 8. Jahrhundert nach Christus befahl der sehr berühmte Kaiser Chuan Zhong, den Göttern kein Fleisch mehr zu opfern, da sie geistige Wesen seien und ausschließlich Rauchopfer konsumieren könnten."
    Von da ab wurde der Gebrauch von Räucherstäbchen in Alten China populär und das Mixen unterschiedlicher Parfums aus verschiedenen Harzen eine Kunst, die in Tempeln und Palästen gleichermaßen verbreitet war. Bis heute. Iman Lai:

    "Zurzeit ist es so, dass das Erste, was man tut, wenn man einen ganz normalen Tempel betritt: man entzündet eine Weihrauch Kerze. Damit ruft man die Götter. Man muss eine Stäbchen anzünden, um den Göttern mitzuteilen: Hier bin ich, ich möchte mit euch in Kontakt treten. So ist es in Taiwan und sogar in China."
    Und auch für die im Buddhismus verwendeten Duftstoffe gilt, was James A. McHugh für den Hinduismus des mittelalterlichen Indien beschreibt:

    "Viele der Grundstoffe waren ebenso Heilmittel, wie sie essbar waren oder eben als Parfum benutzt wurden. Die Unterscheidung, die wir heute machen, - das ist Parfum, das ist Medizin, das ist Nahrung- wurde damals nicht unbedingt gemacht."

    "Das ist eine Gesellschaft, die Düfte liebt, die sie erforscht und die sie ihren ganz kleinen Babys zu riechen gibt, kaum dass sie geboren sind, sind die Kinder von Gerüchen und Düften umgeben. Von Gerüchen, die uns angenehm sind, aber auch von weniger Angenehmen, die dafür da sind, dass sie die bösen Geister vertreiben und das Kind beschützen."

    Weiß Francoise Auballe-Sallenave vom Muse National d`Histoire naturels in Paris. Womit wir wieder im Nahen Osten sind, denn Madame Auballe-Sallenave forscht über die Aromen, die im Islam Verwendung finden. In der Ausübung des alltäglichen Glaubens:

    "Wenn man in die Moschee geht, parfümiert man sich mit angenehmen nicht zu schweren Gerüchen, mit Salbei, mit Rosenduft."
    Anders ist es, wenn man ein Heiligtum besucht:

    "In der Moschee verbrennt man im Allgemeinen keine Duftstoffe. Das macht man, wenn man ein Heiligtum besucht und wenn man einen speziellen Heiligen ehren möchte oder ihn um seinen Schutz bittet. Dann verbrennt man Weihrauch und bringt ihm Opfer dar."

    "Psalm": Wie Weihrauch steige auf mein Gebet zu Dir, Herr,
    das Erheben meiner Hände sei ein Abendopfer vor Dir.

    Die ersten Christen wollten mit dem Weihrauchkult der Vorväter zunächst nichts zu tun haben. Schließlich wollte man sich abgrenzen und den Status der Neuen Lehre auch in den Riten manifestieren. Doch das änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. Albert Gerhards von der Universität Bonn:

    "Das war einerseits in Spät-Antike, als man sich so etabliert hat, dass die Unterscheidung wie sie in der Zeit der Märtyrerkirche gängig war, dass diese Unterscheidung nicht mehr notwendig war. Zumal ja ab einer bestimmten Zeit die heidnischen Kulte verboten waren. Dann aber vor allen Dingen in einer späteren Phase in fränkischer Zeit, als man sich nördlich der Alpen zunehmend an alttestamentarischen Riten und Gebräuchen orientierte und die christliche Liturgie auf diese Weise auch dramatisierte und die Opferthematik zunehmend eine größere Bedeutung einnahm."
    Ab da wurde es Brauch, in den Kirchen allabendlich ein Weihrauchopfer zu bringen und den Psalm dazu zu beten. Heute ist das Schwingen des Weihrauchgefäßes etwas, was aus katholischen Hochämtern nicht wegzudenken ist. Und schon gar nicht an Weihnachten.

    "Weihrauch ist was Sinnliches, was vielleicht sogar wie eine Droge wirkt und in jedem Fall das festive Element mitbestimmt. Wenn die Sonne beim Hochamt durch die Fenster scheint und man sieht im Gegenlicht den Rauch aufsteigen, das gehört natürlich auch irgendwie zu Weihnachten."

    O Menschenkind, halte treulich Schritt, die Könige wandern, o wandere mit! Der Stern des Friedens, der Gnade Stern erhelle Dein Ziel, wenn du suchest den Herrn; und fehlen dir Weihrauch, Myrrhen und Gold, schenke dein Herz dem Knäblein hold!