Archiv


"Weil der ganze Abend scheußlich war"

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat seine Entscheidung, die Auszeichnung für sein Lebenswerk im Rahmen des Deutschen Fernsehpreises abzulehnen, verteidigt. Er habe dort nichts zu suchen gehabt, so Reich-Ranicki. Wichtig sei aber, dass das Programm besser wird.

Marcel Reich-Ranicki im Gespräch mit Michael Köhler |
    Dirk Müller: Marcel Reich-Ranicki lehnt den Deutschen Fernsehpreis ab. Getan hat er das im Fernsehen, im ZDF vor Millionen Zuschauern. Mein Kollege Michael Köhler hat den Literaturkritiker gefragt, warum er Nein gesagt hat.

    Marcel Reich-Ranicki: Weil der ganze Abend scheußlich war. Das hatte überhaupt keinen Sinn und ich gehöre da nicht hin. Ich habe da nichts zu suchen.

    Michael Köhler: Das Rahmenprogramm war ekelerregend, aber nicht die Filme, oder?

    Reich-Ranicki: Doch, die Filme waren ekelerregend. Ein Rahmenprogramm gab es gar nicht.

    Köhler: Zählen Sie dazu auch den Preisgewinner, diesen Contergan-Film?

    Reich-Ranicki: Nein, den habe ich nicht gesehen. Der war erst am Ende.

    Köhler: Sie haben sich schließlich doch noch dazu bewegen lassen in einem Vorschlag zur Güte durch Moderator Thoma Gottschalk als Gegenleistung eine Art Fernsehsendung über zu kurz kommende Themen. Ist das richtig?

    Reich-Ranicki: Das ist falsch alles formuliert. Es war ein Vorschlag, dass wir mit dem Intendanten zusammen uns überlegen, was man besser machen kann, warum das so schlecht ist und wie man es besser machen kann.

    Köhler: Sie haben der "Bild am Sonntag" gesagt, Sie nehmen den Preis symbolisch an?

    Reich-Ranicki: Nein, das ist alles Quatsch. Ich habe ihn nicht angenommen, den Preis hat meine Produzentin, Frau Trebitsch, zur Verwahrung genommen.

    Köhler: Sie sind mit Empörung auf die Bühne gegangen, kommen aber runter mit dem Ergebnis, dass man überlegen will, wie man es besser macht. Das ist doch eigentlich ein ganz gutes Ergebnis?

    Reich-Ranicki: Ja, ja.

    Köhler: Der Intendant Markus Schächter nannte das eine Sternstunde des Fernsehens.

    Reich-Ranicki: Das ist sehr hübsch.

    Köhler: Fühlt man sich ein bisschen vor einen fremden Karren dann gespannt?

    Reich-Ranicki: Nein.

    Köhler: Sie haben das Ritual, will ich mal sagen, man geht auf eine Treppe, auf eine Bühne, sagt Danke, weint eine Träne, hält einen Preis hoch und geht wieder runter, jetzt durchbrochen.

    Reich-Ranicki: Ja.

    Köhler: Glauben Sie, dass die Fernsehpreisverleihungen künftig anders aussehen werden?

    Reich-Ranicki: Sie wird schon anders werden. Das Wichtige aber ist, ob das Programm anders wird.

    Köhler: Fernsehen gucken Sie aber gerne, oder?

    Reich-Ranicki: Ja, manche Sachen schon. Arte, auch 3Sat, manche Filme über Musik und dergleichen.

    Köhler: Man hat Sie etwas früher auf die Bühne gebeten, weil man, glaube ich, Sorge hatte, Sie würden vielleicht vorzeitig wieder abreisen. Ist das richtig?

    Reich-Ranicki: Ja, ich habe gesagt, ich halte das nicht mehr aus, ich gehe weg. Und da hat er gesagt, der Intendant, er wird das umdisponieren.

    Köhler: Wussten Sie, worauf Sie sich einlassen?

    Reich-Ranicki: Nein, dass das so ein Mist ist, habe ich nicht gewusst.

    Köhler: Das ZDF sagt, sie wollen das überdenken und binnen der nächsten zwei Wochen ein neues Konzept anbieten für eine Sendung?

    Reich-Ranicki: Ich? Ich soll das, ein Konzept anbieten?

    Köhler: Nein, das ZDF bietet das an.

    Reich-Ranicki: Das wollen wir mal abwarten.

    Köhler: Würden Sie daran teilnehmen?

    Reich-Ranicki: Weiß ich nicht, was es sein wird, da kann ich mich nicht äußern.

    Müller: Marcel Reich-Ranicki im Gespräch mit meinem Kollegen Michael Köhler.