Musik: Weinberg, Streichquartett Nr. 7
Ein Gesang von nostalgischer Wehmut, ein choralhafter Beginn.
Musik: Weinberg, Streichquartett Nr. 8
Und ein fast kriegerischer Start
Musik, Weinberg, Streichquartett Nr. 9
Die Anfänge der Streichquartette Nummer sieben bis neun, zu erleben am vergangenen Samstag Abend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, vermitteln einen Eindruck von der Vielfalt im Schaffen von Mieczyslaw Weinberg. Sie gehört zu den Markenzeichen des jüdisch-polnisch-russischen Komponisten, der 1919 in Warschau geboren wurde und 1996 in Moskau starb.
Es bleibt schwer, ihn zu fassen
Einen klar definierten Ton auszumachen, oder ein formales Muster, das seine Werke verbindet, ist kaum möglich. Auch nach einem ganzen Wochenende mit Streichquartetten von Weinberg bleibt es schwer, ihn zu fassen. Aber gerade darin liegt auch der besondere Reiz seiner Kammermusik, die bis ins späte 20. Jahrhundert nie so ganz den Boden der Tonalität verlässt.
Es gibt unüberhörbar Parallelen zum Schaffen seines dreizehn Jahre älteren Mentors und Freundes Dmitri Schostakowitsch – etwa in der Vorliebe für gespenstische Stimmungen mit gedämpften Streichern. Aber es wäre falsch, Weinberg deshalb als Nachahmer zu verdächtigen, wie Marc Danel vom Danel Quartett betont.
"Weil Weinberg jünger ist und noch im Moment weniger bekannt, hat man den Eindruck: alles, was ähnlich ist, muss von Schostakowitsch kommen. Aber Schostakowitsch selbst hat immer gesagt, Weinberg ist ein Riesen-Komponist, den er bewundert. Und Schostakowitsch hat immer gesagt, er hat von jüngeren Komponisten Sachen gelernt!"
Danel Quartett spielt mit Sorgfalt, Herzblut und Leidenschaft
Marc Danel und sein Quartett sind schon lange mit der Musik von Weinberg vertraut, das Ensemble hat von 2005-2009, also noch vor der allgemeinen Weinberg-Renaissance, sämtliche Streichquartette aufgenommen. Diese enge Verbindung war auch in den Konzerten in der Elbphilharmonie zu erleben. Das Danel Quartett kennt die auch technisch sehr anspruchsvollen Werke aus dem Effeff und spielt sie mit Sorgfalt, Herzblut und Leidenschaft.
Ein breiter Espressivo-Ton auf der G-Saite der ersten Geige gehört ebenso zum gern und oft gebrauchten Vokabular des Komponisten wie die geradezu manische Wiederholung von motorischen Rhythmen als Mittel der Steigerung – vom Danel Quartett so intensiv in die Saiten gebürstet, als würden gleich die Instrumente bersten.
In der glühenden Intensität offenbart sich eine Dringlichkeit, die fast alle Quartette prägt. Mieczyslaw Weinbergs Werke brennen von einer unbedingten Ausdruckskraft. Sie erzählen, rufen und schreien mitunter auch: vom Schmerz, von Angst und Beklemmung, aber auch von der Sehnsucht nach Trost und Schönheit. Es liegt nahe, diese emotionale Klangsprache des Komponisten mit den tiefen Verletzungen in Verbindung zu setzen, die der Mensch Mieczyslaw Weinberg erlitten hat. Als polnischer Jude, der in die Sowjetunion fliehen musste, war sein Leben nicht nur vom Terror des Nazi-Regimes bedroht, wie Marc Danel erklärt.
"1939 ist er geflüchtet, und seine ganze Familie ist im Konzentrationslager gestorben. Danach war er vier Monate in den letzten Lebensjahren von Stalin gefangen. Es ist ein Wunder, dass er überlebt hat. Er ist jemand, der als alter Mann sehr krank und arm gelebt hat. Es ist nicht jemand, der ein sehr leichtes Leben gehabt hat."
Reminiszenzen an Haydn und Debussy
Durch den chronologischen Aufbau des Programms konnten die Konzertbesucher in Hamburg nachempfinden, wie Weinberg allmählich seinen eigenen Stil entwickelt. In den frühesten Werken, mit siebzehn und zwanzig Jahren entstanden, sucht er noch seinen Ton, da sind Reminiszenzen an Haydn und Debussy zu erahnen.
Ab dem dritten Quartett des damals 25-jährigen Weinberg lässt sich eine Neigung zu komplexeren Strukturen und größeren Dimensionen erkennen.
"Drittes Quartett: drei Sätze. Viertes Quartett: vier. Fünftes: fünf, Sechstes: sechs. Und das sechste Quartett ist, wie op. 130 von Beethoven. Sechs große Sätze, schwer."
Das anspruchsvolle sechste – vom Danel Quartett, wie alle Stücke, beeindruckend souverän, präzise und packend musiziert – gehört sicher zu den stärksten Werken aus Weinbergs Quartettschaffen, ebenso wie etwa das vierte oder das achte. Nicht alle seiner Quartette erreichen dieses Niveau, es gab auch schwächere und anstrengende Phasen am Weinberg-Wochenende, gerade die späteren wirken bisweilen ziemlich karg und spröde, auch weil der emotionale Ausdruckswille da teilweise zu verblassen scheint. Aber das ändert sich mit dem sechzehnten Quartett, das Weinberg seiner von den Nazis ermordeten jungen Schwester gewidmet hat. Wie der Komponist sich da rund vierzig Jahre nach ihrem Tod noch einmal verabschiedet, gehört auch für den Geiger Marc Danel zu den besonders anrührenden Momenten.
"Weinberg behält alles in sich. Akzeptiert das. Der letzte Satz ist so zärtlich, man hat den Eindruck, er spricht zu seiner Schwester sozusagen."
Nach diesem friedlichen Trauergesang endet das Quartettschaffen von Weinberg mit einem für seine Verhältnisse erstaunlich heiteren Stück. Das siebzehnte Quartett ist dem Borodin Quartett zum vierzigjährigen Bestehen gewidmet und klingt fast durchweg unbeschwert. Das versöhnliche Schlusswort eines Wochenendes voller Kontraste und musikalischer Entdeckungen, ergänzt durch lebendige Einführungsgespräche des Weinberg-Forschers David Fanning im Dialog mit Moderator Ludwig Hartmann. Mit diesem Festival hat die alteingesessene Hamburgische Vereinigung von Freunden der Kammermusik einen wichtigen und deutschlandweit einzigartigen Beitrag zum Weinberg-Jubiläum geleistet.