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WM-Aus der Nationalmannschaft
Aufarbeitung als große Chance für die Heim-EM

Markus Weise war erfolgreicher Hockeynationaltrainer und arbeitete für den DFB. Die Diskussion um die One-Love-Armbinde könne nicht der einzige Faktor für das deutsche Aus bei der Fußball-WM gewesen sein, sagt er im Dlf. Und er erklärt, warum der Rückschlag nun hilfreich werden könne.

Markus Weise im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Joshua Kimmich mit verzogenem Mund auf dem Platz.
Joshua Kimmich ärgert sich beim letzten WM-Vorrundenspiel gegen Costa Rica. (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
Nach dem WM-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beginnen beim Deutschen Fußball-Bund die Aufräumarbeiten. Bundestrainer Hansi Flick, Geschäftsführer Oliver Bierhoff, Hans Joachim Watzke, der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Fußball Liga und DFB-Präsident Bernd Neuendorf treffen sich zu einer ersten Analyse der WM in Katar.
Zwei Kritikpunkte werden vermutlich zur Sprache kommen: Das Problem, dass Deutschland weder genug Verteidiger noch Stürmer von internationaler Klasse hat. Und der Umgang mit der "One Love"-Armbinde, der die Mannschaft vielleicht doch auch sportlich beeinflusst haben könnte.

"Ich glaube nicht, dass es eine Frage des Willens war"

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den Spielen auch nur irgendein Spieler eine Zehntelsekunde an die Binde gedacht hat und an irgendwelche Konsequenzen", sagt Markus Weise. Weise ist als Hockeynationaltrainer insgesamt drei Mal mit beiden deutschen Nationalmannschaften Olympiasieger geworden. Später arbeitete er für mehrere Jahre beim Deutschen Fußball-Bund. Mittlerweile ist er wieder im Hockey tätig und leitet einen Bundesstützpunkt in Hamburg.
Das Merkmal eines Teams ist laut Weise, dass es größere Widerstände gemeinsame überwindet. Im Gegensatz zu einer bloßen Gruppe, die zwar auch sportlich erfolgreich sein könnte, aber weniger widerstandsfähig sei.

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Zur deutschen Mannschaft in Katar sagt er: "Gruppen werden dann zu Teams, wenn wirklich alle 'dran ziehen', wenn alle ihren Beitrag leisten. Ganz egal, wie hart die Gegner sich wehren. Und den Eindruck hatte man nicht immer. Aber das kann auch ganz andere Gründe gehabt haben. Ich glaube nicht, dass es eine Frage von fehlendem Willen war auf Seiten der Spieler oder auf Seiten des Trainerstabs, überhaupt nicht."
Die genauen Gründe für das Scheitern seien von außen kaum zu ergründen, sagt Weise. Deswegen wolle er auch nicht spekulieren.

"Unfassbar wertvolles Material" für die Heim-EM

Mehr sagen kann er dagegen zum Effekt, den der Misserfolg für die Zukunft haben kann. "Wenn es jetzt tatsächlich eine eine richtig offene und ehrliche Auseinandersetzung darüber gibt, warum man gescheitert ist, dann hat man unfassbar wertvolles Material für die nächsten Monate und Jahre bis zur EM", so Weise.
Nach seinen Erfahrungen mit Hansi Flick und Oliver Bierhoff glaube er auch, dass eine solche Analyse mit den beiden möglich sei.
"Und wenn man das konsequent verwendet: im Trainingsalltag, in den Spielen, immer wieder und immer wieder - dann hat man eine große Chance, in dieser Zeit zum echten Team zu wachsen. Und dann hat man die nochmal größere Chance bei der Heim-WM, sich ganz anders zu präsentieren. Und so zu präsentieren, dass auch die deutschen Fans sagen: 'Wow! Das ist ja mal eine krass andere Mannschaft, das Ganze auftreten und so weiter. Also das ist jetzt die große Chance.'"
Für die Förderung von Spielern regt Weise in der Nachwuchsarbeit einen neuen Fokus an, der weniger auf Ergebnisse der Mannschaften blickt. Die seien zwar nicht in allen Nachwuchsleistungszentren nicht das wichtigste, aber oftmals noch zu wichtig: "Die drei Punkte nächstes Wochenende sind immer am allerallerwichtigsten, auch die Trainer stehen unter diesem Druck", analysiert Weise.
"Es ist einfach besser, drei Punkte zu liefern, als einen Außenverteidiger (für den Profibereich, d. Red.). Und vielleicht muss darüber mal nachgedacht werden, gerade im Bereich Nachwuchsleistungszentren."