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Weiß: Parteiübergreifende Zusammenarbeit beim Thema Rente "sinnvoll"

Die "FDP ist wie CDU/CSU der Auffassung, dass derjenige, der fürs Alter vorgesorgt hat, mehr haben sollte als derjenige, der nichts vorgesorgt hat", sagt Peter Weiß (CDU). Einen Dissens gebe es lediglich über die Frage, wie in Zukunft Altersarmut verhindert werden könne, so der rentenpolitische Sprecher der Union.

Peter Weiß im Gespräch mit Dirk Müller |
    O-Ton Walter Riester: "Auch nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahre, denn vor über 20 Jahren war das letzte Mal eine parteiübergreifende Rentenlösung. Das hat bei der Rente immer gut getan. Dies jetzt zum Wahlkampfthema zu machen, hat immer die zukünftige Regierung belastet. Insofern: wenn man das hinbekommt, fände ich das klasse, und ich glaube, auch die Leute fänden es gut."

    Dirk Müller: Haben Sie ihn erkannt? Er bleibt Sozialdemokrat und Gewerkschafter, Walter Riester, ehemals Arbeitsminister, Erfinder der Riester-Rente. Er fühlt sich jetzt bestätigt, seitdem klar ist, dass Altersarmut längst Wirklichkeit ist und diese noch weiter zunehmen könnte.

    Geht es seit Wochen, seit Tagen um eine bessere Altersversorgung, oder um persönliche Animositäten innerhalb der Koalition? Ursula von der Leyen kontra FDP, vielleicht sogar kontra Angela Merkel, vielleicht sogar darum, eine Große Koalition vorzubereiten, weil auch die SPD nun ein Konzept vorlegt, das den Vorstellungen der Arbeitsministerin jedenfalls sehr, sehr nahe kommt.
    Bei uns am Telefon hier im Deutschlandfunk begrüße ich nun den CDU-Politiker Peter Weiß, rentenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Tag!

    Peter Weiß: Guten Tag!

    Müller: Herr Weiß, sind Sie auch für die Große Koalition?

    Weiß: Also wir koalieren als CDU/CSU mit der FDP und werden diese Koalition auch erfolgreich bis zur Bundestagswahl fortsetzen, und danach entscheidet der Wähler, was an Koalitionsmöglichkeiten vorhanden ist. Es geht also derzeit nicht um eine Große Koalition. Aber was sicherlich sinnvoll ist, dass bei einem so wichtigen Thema wie der Rente, dem Kernstück unseres Sozialstaates und der sozialen Sicherheit, man parteiübergreifend zusammenarbeitet. Übrigens war das über viele Jahrzehnte in Deutschland so, dass Opposition und Regierung gemeinsam die Rentengesetzgebung gestaltet haben, und das war, glaube ich, eine gute Erfahrung, zu der man ja auch wieder mal zurückkehren kann.

    Müller: Und Sie haben jetzt, in der jetzigen Situation – Sie haben das Interview mit Patrick Döring heute Morgen ja auch gehört, der sehr, sehr scharf die Arbeitsministerin kritisiert hat -, da haben Sie das Gefühl, dass Sie da mit der FDP noch einmal einen Konsens finden können?

    Weiß: In den wesentlichen rentenpolitischen Fragen sind wir uns ja einig. Es gibt einen Dissens mit der FDP über die Frage, wie wir auch in Zukunft Altersarmut verhindern können. Die FDP schlägt vor, dass es Freibeträge in der Grundsicherung, also der Sozialhilfe für ältere Menschen geben soll – dann, wenn sie eine Riester-Rente oder eine Betriebsrente angespart haben. Unser Problem damit ist: damit erhöht man die Zahl der Grundsicherungsempfänger. Und es gibt umgekehrt den Vorschlag, die Rentenansprüche höher zu werten für Geringverdiener, sodass sie das, was sie in einer Riester-Rente oder in einer Betriebsrente angespart haben, tatsächlich zusätzlich haben und nicht auf die staatliche Grundsicherung angerechnet erhalten. Diese Diskussion werden wir weiter miteinander ausfechten müssen. Klar ist: auch FDP ist wie CDU/CSU der Auffassung, dass derjenige, der fürs Alter vorgesorgt hat, mehr haben sollte als derjenige, der nichts vorgesorgt hat.

    Müller: Ist das, Herr Weiß, sozialpolitisch motivierend, über Jahrzehnte regelmäßig zu arbeiten und dann hinterher nicht genügend zum Leben zu haben?

    Weiß: Nein! Unsere Alterssicherung lebt davon, dass sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine klare Zusage macht: wer ein Leben lang arbeitet, Beiträge in die Sozialversicherung zahlt, der wird auch seinen Lebensunterhalt im Alter aus eigenen, ihm zustehenden Mitteln bestreiten können.

    Müller: Aber reden wir nicht über die Fälle, wo es nicht reicht, trotz jahrzehntelanger Arbeit?

    Weiß: Bei den Vollrentnern, die wirklich auf volle Rente kommen, sind zurzeit 1,8 Prozent auf Unterstützung aus der Grundsicherung angewiesen. Das zeigt, das System funktioniert nach wie vor. Wenn aber in Zukunft das Rentenniveau sinkt, dann besteht die Gefahr, dass das mehr werden, und deswegen, glaube ich, muss das gemeinsame Ziel einer Reform des Rentenrechts sein, dass die Zusage weiter gilt, wer ein Leben lang gearbeitet hat und in die Rente einbezahlt hat, der bekommt zumindest so viel, dass er nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen ist und dass das, was er zusätzlich an Altersvorsorge betrieben hat, ihm auch zusätzlich zur Verfügung steht.

    Müller: Gehört denn nicht zur anderen Seite der Medaille, dass die Unternehmen das bezahlen, was Arbeit wert ist, und das bezahlen, dass man von Arbeit später, wenn man nicht mehr arbeitet, leben kann?

    Weiß: Ja selbstverständlich sorgen gute Löhne auch für eine bessere Rente. Nur auf der Lohnseite allein bekommen Sie das Problem nicht gelöst, wenn das Rentenniveau sinkt, und es sinkt ja deswegen, weil wir die Beiträge zur Rentenversicherung für die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stabil halten wollen und nicht ins Uferlose steigen lassen wollen, was wiederum auch sinnvoll ist. Wer arbeitet schon gern, wenn er plötzlich Sozialversicherungsbeiträge von über 30 oder 40 Prozent zahlen muss.

    Müller: Also das Lohnniveau finden Sie in Ordnung?

    Weiß: Nein! Natürlich: gute Löhne sind die Voraussetzung für auch ein gutes Sozialversicherungssystem, das lohnbezogen ist.

    Müller: Schaffen Sie denn, Herr Weiß, die Voraussetzungen für gute Löhne – Stichwort Mindestlohn? Kommt der?

    Weiß: Also erstens: für die Löhne ist nicht der Staat, sondern sind die Tarifpartner zuständig, und das schöne ist, dass wir in dem vergangenen Jahr und wahrscheinlich auch in diesem Jahr tatsächlich mal wieder Reallohnsteigerungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben. Das ist die positive Nachricht. Und dann hat diese Regierung mittlerweile in zehn Branchen durch Rechtsverordnung Mindestlöhne in Kraft gesetzt, mehr als je zuvor, und Sie wissen, dass wir als Union einen Vorschlag gemacht haben, wie wir über die Vereinbarung der Tarifpartner auch zu einer allgemeinen Lohnuntergrenze in Deutschland kommen können, die ein bestimmtes Lohnniveau nach unten absichert.

    Müller: Also für Sie ein ganz klares Plädoyer dafür, flächendeckender Mindestlohn?

    Weiß: Wir wollen eine untere Lohngrenze, die die Tarifpartner miteinander aushandeln und der in der Tat flächendeckend dann in Deutschland gelten soll.

    Müller: Und das für alle?

    Weiß: Ja selbstverständlich für alle!

    Müller: Sie sagen, "selbstverständlich". Ich meine, die Union diskutiert seit zehn Jahren darüber und es ist bis jetzt noch nicht umgesetzt. Warum ist das so schwer, das in die Tat umzusetzen?

    Weiß: Sie wissen, dass wir als Unions-Fraktion ein konkretes Modell für die Festlegung einer unteren Lohngrenze ausgearbeitet haben, das auch öffentlich vorgelegt haben, dass aber unser Koalitionspartner FDP bis zur Stunde glaubt, ein solches Konzept nicht mittragen zu können. Deswegen steht es nicht im Gesetzbuch.

    Müller: Herr Weiß, können Sie mir irgendeinen politischen Punkt nennen, wenn wir die letzten zweieinhalb Jahre Revue passieren lassen, wo Sie mit der FDP noch eine Gemeinsamkeit haben?

    Weiß: Ja in vielen grundsätzlichen Ausrichtungen der Politik haben wir natürlich mit der FDP gemeinsame Auffassungen. Ich denke, dass gerade die zentrale Frage einer auf Haushaltsdisziplin und Haushaltssolidität gründenden Finanz- und Wirtschaftspolitik etwas ist, was CDU/CSU und FDP verbindet und was ja in der derzeitigen Krisensituation, die wir in einigen europäischen Staaten haben, auch unendlich viel wert ist, dass Deutschland so klar und eindeutig sich positioniert und auf die Stabilität der gemeinsamen Währung, des Euro setzt und auf die Stabilität und Solidität der Staatshaushalte.

    Müller: Macht SPD und machen die Grünen ja auch. Die haben immerhin mitgestimmt im Rettungsschirm, im Gegensatz zu Ihrer Koalition, die zumindest keine Mehrheit gefunden hat.

    Weiß: Unsere Koalition hat in allen Abstimmungen eine Mehrheit gehabt und die SPD und die Grünen verfolgen natürlich tendenziell eine Politik, mit der sie einer Schuldenunion das Wort reden, indem sie Eurobonds, also der Vergemeinschaftung der Schuldenaufnahme das Wort reden – alles Themen, bei denen die CDU/CSU und die FDP gemeinsam klar dagegen stehen und wir auch von einer breiten Mehrheit der deutschen Bevölkerung in dieser Auffassung bestärkt und getragen werden.

    Müller: Die Zuschussrente, um da noch mal nachzufragen, die ist definitiv vom Tisch, weil da geht es ja auch um Einsparungen beziehungsweise um weitere soziale Leistungen des Staates?

    Weiß: Richtig ist, dass das Modell Zuschussrente, was Frau Ministerin von der Leyen vorgetragen hat, auf vielfältige Kritik gestoßen ist, und deswegen haben wir uns ja auch vereinbart, dass wir uns noch mal neu zusammensetzen, um ein Modell zu entwickeln, das möglichst auch konsensfähig ist, mit dem wir für die Zukunft Altersarmut vermeiden können und sicherstellen können, dass jeder, der ein Leben lang gearbeitet und in die Rente einbezahlt hat, auch am Schluss von dieser Rente leben kann.

    Müller: Effizientere Betriebsrente – eine Forderung der SPD, um mit Ihnen zusammenzukommen. Können Sie darüber reden?

    Weiß: Wir wollen eine Stärkung der Betriebsrenten. Die Erwartung war ja, dass an ein solches Zusatzrentenmodell verpflichtend geknüpft ist, dass man betriebliche Altersvorsorge betrieben hat, oder auch Riester gespart hat. Das hätte der betrieblichen Altersvorsorge einen deutlichen Auftrieb gegeben. Ja, die Betriebsrente hat eine wichtige Rolle und sie sollte weiter in Deutschland verbreitet werden.

    Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk der CDU-Politiker Peter Weiß, der rentenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Weiß: Ich danke Ihnen auch – auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.