Unter gleißender Mittagssonne arbeiten sich Hunderte von Kindern und Jugendlichen langsam durch die weißen hüfthohen Baumwollpflanzen. Die meisten sehen nicht älter als 14 aus. Einige unterhalten sich und kichern, andere ziehen mechanisch die weiße Watte aus den geöffneten Kapseln.
Von morgens bis abends sammeln sie in gebückter Haltung kleine Wattebäuschchen, die sich später zu großen Baumwollbergen auftürmen werden. Bisweilen fordert die Lehrerin sie auf, schneller zu arbeiten. Am Rand der Plantage patrouillieren Einsatzwagen der Polizei. Nach Sonnenuntergang fahren die Polizisten die erschöpften Schüler zu ihren Schlaflagern, wo sie sich selbst eine dünne Suppe kochen müssen.
Obwohl die Kinderarbeit so sichtbar ist, bleibt sie ein Tabuthema in Usbekistan. Einige Kilometer entfernt, in einem Hotelzimmer in der Wüstenstadt Khiva nahe der turkmenischen Grenze wagt es dennoch ein Schüler über die Zwangsarbeit zu sprechen. Der 17-Jährige möchte Jamshid genannt werden.
"Jeden Tag erhalten die Lehrer und Aufseher eine Vorgabe, wie viel Kilogramm jeder sammeln muss. Man beginnt mit 30 Kilogramm, später werden es 20, dann 15 oder 10 kg pro Tag. Es ist kein guter Job, aber sie geben einem 3 Cent pro Kilo, was genug ist, um das Essen und die Übernachtung zu bezahlen."
Wenn Jamshid die Zielvorgabe nicht erfüllen konnte, mussten seine Eltern das Essen und die Übernachtung in der Lagerhalle bezahlen, erzählt er, sobald das Mikrofon ausgeschaltet ist. Und von den Schlägen, die er häufig bekommen hat, oder dass er häufig nachts noch aufs Feld zurückgeschickt wurde.
Seit seinem 13. Geburtstag muss er jedes Jahr zwei Monate lang Baumwolle pflücken, wie alle Schulkinder in Usbekistan. So will es Präsident Islam Karimov. Knapp 5000 Kilo hat Jamshid bisher mit seinen Händen geerntet, seine Fingerkuppen sind vollständig vernarbt.
""Dieses Jahr möchte ich nicht aufs Feld, weil ich einen Job habe, ich möchte auch nicht dorthin wegen der Sonne, dem schlechten Essen und der Narben an den Fingern. Dieses Jahr kann ich bezahlen, um zu Hause zu bleiben.”"
Die Lehrer haben ihm deswegen mit schlechten Noten gedroht, auch die Polizei war schon da. Weil er sich weigert, Baumwolle unter unwürdigen Bedingungen zu ernten, muss Jamshid mindestens 80 Euro Bestechung zahlen; für ihn ein Vermögen.
Dass Schüler körperlich und finanziell ausgebeutet werden, hat System. Baumwolle ist der tragende Pfeiler der usbekischen Wirtschaft. Die staatlich organisierte und faktisch kostenlose Zwangsarbeit garantiert dem Regime satte Profite, weiß die Aktivistin Umida Niyazova. Sie war eine der ersten, die in Usbekistan über die Kinderzwangsarbeit berichtete. Dafür saß sie im Gefängnis. Nun leitet Niyazova das usbekisch-deutsche Forum für Menschenrechte in Berlin:
""Es ist wichtig zu wissen, dass Usbekistan das einzige Land der Welt ist, in dem die Regierung die Schulen schließt, um die Schüler zur Baumwollernte zu schicken. Diese Kinder arbeiten nicht für sich, sondern allein für den Staat. Das ist Zwangsarbeit für Kinder. Unseren Beobachtungen zufolge müssen sogar neun- oder zehnjährige Kinder auf den Feldern Baumwolle pflücken.”"
Experten wie Niyazova schätzen, dass gut die Hälfte der usbekischen Baumwolle von Kindern geerntet wird. Und das obwohl Usbekistan bereits im Jahr 2008 die Uno-Konvention gegen Kinderarbeit unterschrieben hat.
In ihrem 'nationalen Aktionsplan' erklärte sich die Regierung vordergründig dazu bereit, die Probleme der Kinderarbeit zu thematisieren. Dennoch wird jedes Jahr eisern geschwiegen, wenn mehrere Kinder bei Arbeitsunfällen auf den Feldern sterben. Wirklich geändert habe sich bislang nichts für die 1,5 Millionen Kinder, meint Niyazova.
Europäische und amerikanische NGOs prangern die systematische Kinderarbeit in Usbekistan schon seit 2007 an. Vor einem Monat haben 60 bekannte Unternehmen - darunter Adidas und C&A - beschlossen, usbekische Baumwolle zu boykottieren. Ob das wirksam ist, bezweifelt Niyazova:
""Bislang hatte das keine Auswirkungen auf den Verkauf der usbekischen Baumwolle. Usbekistan verkauft nun einfach mehr nach Asien, an Bangladesch, Indien, Pakistan und China. Schwierig ist, dass die meisten der 60 boykottierenden Unternehmen ihre Fabriken in genau jenen Ländern haben, weshalb sich kaum bestimmen lässt, aus welcher Baumwolle ihre Kleidung hergestellt wurde.”"
Denn die Zulieferer aus Bangladesch müssen nicht angeben, woher ihre Baumwolle stammt. Gerade große Firmen wie H&M oder C&A können also gar nicht garantieren, dass ihre Baumwolle nicht von Kinderhand gepflückt wurde.
Von diesem wie auch anderen Boykotts bekommen die usbekischen Kinder auf den Baumwollplantagen nichts mit. In seiner Klasse, berichtet Jamshid, glaubten die meisten, die Arbeit auf den Feldern sei ihre nationale Pflicht. Denn, so gaukeln die Lehrer ihnen vor:
""Wenn wir mehr Baumwolle ernten, werden wir reicher werden.”"
Von morgens bis abends sammeln sie in gebückter Haltung kleine Wattebäuschchen, die sich später zu großen Baumwollbergen auftürmen werden. Bisweilen fordert die Lehrerin sie auf, schneller zu arbeiten. Am Rand der Plantage patrouillieren Einsatzwagen der Polizei. Nach Sonnenuntergang fahren die Polizisten die erschöpften Schüler zu ihren Schlaflagern, wo sie sich selbst eine dünne Suppe kochen müssen.
Obwohl die Kinderarbeit so sichtbar ist, bleibt sie ein Tabuthema in Usbekistan. Einige Kilometer entfernt, in einem Hotelzimmer in der Wüstenstadt Khiva nahe der turkmenischen Grenze wagt es dennoch ein Schüler über die Zwangsarbeit zu sprechen. Der 17-Jährige möchte Jamshid genannt werden.
"Jeden Tag erhalten die Lehrer und Aufseher eine Vorgabe, wie viel Kilogramm jeder sammeln muss. Man beginnt mit 30 Kilogramm, später werden es 20, dann 15 oder 10 kg pro Tag. Es ist kein guter Job, aber sie geben einem 3 Cent pro Kilo, was genug ist, um das Essen und die Übernachtung zu bezahlen."
Wenn Jamshid die Zielvorgabe nicht erfüllen konnte, mussten seine Eltern das Essen und die Übernachtung in der Lagerhalle bezahlen, erzählt er, sobald das Mikrofon ausgeschaltet ist. Und von den Schlägen, die er häufig bekommen hat, oder dass er häufig nachts noch aufs Feld zurückgeschickt wurde.
Seit seinem 13. Geburtstag muss er jedes Jahr zwei Monate lang Baumwolle pflücken, wie alle Schulkinder in Usbekistan. So will es Präsident Islam Karimov. Knapp 5000 Kilo hat Jamshid bisher mit seinen Händen geerntet, seine Fingerkuppen sind vollständig vernarbt.
""Dieses Jahr möchte ich nicht aufs Feld, weil ich einen Job habe, ich möchte auch nicht dorthin wegen der Sonne, dem schlechten Essen und der Narben an den Fingern. Dieses Jahr kann ich bezahlen, um zu Hause zu bleiben.”"
Die Lehrer haben ihm deswegen mit schlechten Noten gedroht, auch die Polizei war schon da. Weil er sich weigert, Baumwolle unter unwürdigen Bedingungen zu ernten, muss Jamshid mindestens 80 Euro Bestechung zahlen; für ihn ein Vermögen.
Dass Schüler körperlich und finanziell ausgebeutet werden, hat System. Baumwolle ist der tragende Pfeiler der usbekischen Wirtschaft. Die staatlich organisierte und faktisch kostenlose Zwangsarbeit garantiert dem Regime satte Profite, weiß die Aktivistin Umida Niyazova. Sie war eine der ersten, die in Usbekistan über die Kinderzwangsarbeit berichtete. Dafür saß sie im Gefängnis. Nun leitet Niyazova das usbekisch-deutsche Forum für Menschenrechte in Berlin:
""Es ist wichtig zu wissen, dass Usbekistan das einzige Land der Welt ist, in dem die Regierung die Schulen schließt, um die Schüler zur Baumwollernte zu schicken. Diese Kinder arbeiten nicht für sich, sondern allein für den Staat. Das ist Zwangsarbeit für Kinder. Unseren Beobachtungen zufolge müssen sogar neun- oder zehnjährige Kinder auf den Feldern Baumwolle pflücken.”"
Experten wie Niyazova schätzen, dass gut die Hälfte der usbekischen Baumwolle von Kindern geerntet wird. Und das obwohl Usbekistan bereits im Jahr 2008 die Uno-Konvention gegen Kinderarbeit unterschrieben hat.
In ihrem 'nationalen Aktionsplan' erklärte sich die Regierung vordergründig dazu bereit, die Probleme der Kinderarbeit zu thematisieren. Dennoch wird jedes Jahr eisern geschwiegen, wenn mehrere Kinder bei Arbeitsunfällen auf den Feldern sterben. Wirklich geändert habe sich bislang nichts für die 1,5 Millionen Kinder, meint Niyazova.
Europäische und amerikanische NGOs prangern die systematische Kinderarbeit in Usbekistan schon seit 2007 an. Vor einem Monat haben 60 bekannte Unternehmen - darunter Adidas und C&A - beschlossen, usbekische Baumwolle zu boykottieren. Ob das wirksam ist, bezweifelt Niyazova:
""Bislang hatte das keine Auswirkungen auf den Verkauf der usbekischen Baumwolle. Usbekistan verkauft nun einfach mehr nach Asien, an Bangladesch, Indien, Pakistan und China. Schwierig ist, dass die meisten der 60 boykottierenden Unternehmen ihre Fabriken in genau jenen Ländern haben, weshalb sich kaum bestimmen lässt, aus welcher Baumwolle ihre Kleidung hergestellt wurde.”"
Denn die Zulieferer aus Bangladesch müssen nicht angeben, woher ihre Baumwolle stammt. Gerade große Firmen wie H&M oder C&A können also gar nicht garantieren, dass ihre Baumwolle nicht von Kinderhand gepflückt wurde.
Von diesem wie auch anderen Boykotts bekommen die usbekischen Kinder auf den Baumwollplantagen nichts mit. In seiner Klasse, berichtet Jamshid, glaubten die meisten, die Arbeit auf den Feldern sei ihre nationale Pflicht. Denn, so gaukeln die Lehrer ihnen vor:
""Wenn wir mehr Baumwolle ernten, werden wir reicher werden.”"