"Es wird zweifelsohne das wichtigste gesellschaftspolitische Ereignis in der Geschichte des unabhängigen Weißrusslands sein", so die Erwartungen des weißrussischen Präsidenten, Alexander Lukaschenko, vor einigen Wochen über die Europäischen Spiele in Minsk.
Nach Aserbaidschan kommt der europäische Sport nun erneut zu Gast in ein autoritäres Regime. Nach Weißrussland, dem einzigen Land in Europa, das noch immer die Todesstrafe führt und den Ruf der "letzten Diktatur Europas" hat. Nicht zuletzt, weil die Regierung besonders hart gegen Oppositionelle und Andersdenkende vorgeht.
Nach Aserbaidschan kommt der europäische Sport nun erneut zu Gast in ein autoritäres Regime. Nach Weißrussland, dem einzigen Land in Europa, das noch immer die Todesstrafe führt und den Ruf der "letzten Diktatur Europas" hat. Nicht zuletzt, weil die Regierung besonders hart gegen Oppositionelle und Andersdenkende vorgeht.
Menschenrechtler erwarten verschärfte Repression
Kritik am Staat wird in Weißrussland hart geahndet, erzählt Ales Bjaljazki, Gründer von Wiasna, einer der wenigen Menschenrechtsorganisationen im Land: "In den letzten Jahren wurden die demokratischen Rechte der Bürger immer weiter eingeschränkt. Wenn Menschen demonstrieren oder irgendeine andere Meinung als die der Regierung äußern, kann das sehr schlecht für sie enden. Das kann Probleme für die ganze Familie haben – wir haben Hunderte solcher Fälle registriert. Menschen verlieren ihre Arbeit, soziale Leistungen werden gestrichen, andere müssen das Land verlassen. Es gibt viele politische Prozesse, in erster Linie gegen Journalisten. Aber die gab es auch gegen Menschenrechtsorganisationen, ich rede von Diskreditierungen, Gefängnisstrafen, Ausweisungen".
Bjaljazki saß selbst mehrere Jahre wegen angeblicher Steuerhinterziehung im weißrussischen Gefängnis. Die Europäische Union nannte den Prozess gegen den Menschenrechtler klar politisch motiviert. Die Spiele, sagt er, seien vor allem ein Instrument für den weißrussischen Präsidenten sich im besten Licht zu zeigen, innen- und außenpolitisch. Auch deshalb schließt er bestimmte vorbeugende Maßnahmen durch die Regierung nicht aus: "Wir erwarten verschärfte Repressionen von der Polizei und den Sicherheitsapparaten im Vorfeld der Spiele. Auch währenddessen wird die Regierung mit allen Mitteln versuchen, die öffentliche Meinung komplett zu kontrollieren."
Während der Spiele dürfen Internetseiten blockiert werden
Präsident Lukaschenko hat bereits entsprechende Vorkehrungen getroffen und per Erlass seinem Sicherheitsapparat erlaubt, während der Spiele alle Internetseiten sofort zu blockieren, auf denen zu Versammlungen oder Demonstrationen aufgerufen wird. Laut einem erst kürzlich veröffentlichtem Bericht von Human Rights Watch nehmen Verhaftungen und Repressionen vor allem gegen Journalisten in Weißrussland zu.
"Die Situation der Menschenrechte, besonders in Bezug auf die Pressefreiheit, ist alarmierend. Allein 2018 wurden 26 Wohnungen und Büros von Journalisten durchsucht, es gab eine Rekordanzahl von Kriminalklagen gegen Journalisten, in 131 Fällen wurden Geldstrafen verhängt", so Rachel Denber von Human Rights Watch.
Allein letztes Jahr wurden mindestens elf Journalisten verhaftet. Jetzt müsse das Europäische Olympische Komitee (EOC) aktiv werden, fordert Denber: "Deshalb ist es so wichtig, dass das EOC alles dafür tut, damit die Pressefreiheit während der Spiele garantiert wird. Das ist nicht verhandelbar."
Organisator: "Es wird alles ruhig bleiben."
Im Organisationskomitee der Europäischen Spiele sieht man die Menschenrechte und die Pressefreiheit, vor und besonders während der Spiele, nicht in Gefahr. Pressesprecher Aliaksei Bogdanovich, sagt im Interview mit dem Deutschlandfunk: "Es wird alles ruhig bleiben. Es gibt die Botschaft, dass während der Europäischen Spiele und vorher keine Rede von Einschränkung der Menschenrechte und vor allem der Meinungsfreiheit sein darf und kann. Das ist auch die Haltung der einzelnen Seiten – des Europäischen Olympischen Komitees und des Organisationskomitees. Unsere Aufgabe ist es, das freundliche Weißrussland zu zeigen. Wenn nötig, die Einstellungen zu unserem Land zu ändern und dafür sind die europäischen Spiele meiner Meinung nach eine gute Möglichkeit."
Die Spiele als politische Imagepolitur. In Weißrussland geht man damit ganz offen um. Das sei bei der Bewerbung so gewesen. Die Europaspiele - für das EOC eigentlich ein Ladenhüter. Als sich kein Ausrichter finden ließ, sprang kurzerhand Minsk als Gastgeber ein.
Für Weißrussland sind die Spiele eine Herausforderung
Bogdanovich: "Weißrussland hat damals dem EOC seine Schulter angeboten und hat seine Kandidatur für die Ausrichtung der Europäischen Spiele vorgeschlagen, als die Niederlande abgesprungen sind." Die Kosten für die Spiele in Weißrussland seien zwar weniger als in Aserbaidschan, doch offizielle Zahlen will man beim Organisationskomitee nicht nennen. Dennoch: für das wirtschaftlich stark angeschlagene Land, ist das Sportgroßereignis eine Herausforderung. Auch deshalb, weil die Suche nach internationalen Sponsoren noch immer ein Problem darstellt. Hauptsponsoren und Partner sind bisher fast ausschließlich weißrussische Konzerne.
Das liegt auch an der fehlenden Marketingkompetenz des EOC, kritisiert Aliaksei Bogdanovich und wird besonders deutlich: "Ehrlich gesagt haben wir erst letztes Jahr im Dezember die Erlaubnis vom Europäischen Komitee bekommen, Verträge mit internationalen Sponsoren abzuschließen. Da sehen wir ein Problem. Und das hatte nichts mit uns als Organisatoren zu tun. Wir hatten gehofft, dass unsere Kollegen aus dem EOC viel, viel erfolgreicher in Sachen Marketing und der Akquise ausländischer Sponsoren arbeiten würden, aber leider ist das nicht passiert."
Präsident Lukaschenko bekam vom EOC einen Orden
Die Zeche fürs Sportfest werden wohl Weißrusslands Bürger zahlen. Und: Drei Wochen vor den Spielen scheinen die Fronten zwischen dem Ausrichter Weißrussland und dem Europäischen Olympische Komitee verhärtet. Ungewohnt in der Sportfamilie. Zu dieser gehört der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko schon lange. Er ist gleichzeitig auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Weißrusslands. Für sein "herausragenden Beitrag zur olympischen Bewegung" hat das EOC ihn schon vor Jahren mit einem Orden hoch dekoriert. Bei Autokraten gibt sich der Sport mit seinem Pochen auf Autonomie gern flexibel.