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Weißrussland-Experte: EU muss Opposition unterstützen

Stephan Raabe, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Weißrussland, hat die Europäische Union zur Zusammenarbeit mit der Opposition gegen Präsident Alexander Lukaschenko aufgerufen. Die Kontakte hätten auch eine Schutzfunktion, sagte Raabe. Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch sei durchaus von der Festnahme bedroht.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Nicht nur die Tatsache, dass der ehemalige polnische Botschafter unter den Verhafteten sein soll, sorgt beim Nachbarn in Polen für Unmut. Polen hat nämlich auch schon vorher in der EU besonders darauf gedrängt, gegenüber der Regierung in Minsk und Lukaschenko entschiedener aufzutreten. In Warschau begrüße ich nun Stephan Raabe. Er leitet dort das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung für Polen und Weißrussland. Guten Tag, Herr Raabe!

    Stephan Raabe: Guten Tag, Herr Meurer!

    Meurer: Was sagt man in Polen dazu? Ist der ehemalige Botschafter überhaupt unter den Verhafteten dabei?

    Raabe: Ich habe das jetzt auch nur der Presse entnommen, habe auch die direkte Nachricht aus Belarus bekommen, dass er in der Tat dabei sein soll. In Polen erfährt diese ganze Entwicklung in Belarus natürlich eine riesige Aufmerksamkeit. Sie hat auch selbst innenpolitisch bei den Präsidentschaftswahlen eine Rolle gespielt, seit dem Sommer. Die polnischen Politiker sind eng verbunden mit der Entwicklung in Belarus, mit der polnischen Minderheit in der Gegend um Grotno herum, im Westen von Belarus. Sie sind sehr engagiert dort. In den letzten Tagen war auch ein Abgeordneter des Sejms dort in Minsk und hat an den Protesten teilgenommen. Er wurde festgenommen und ausgewiesen.

    Meurer: Wie ist grundsätzlich das Verhältnis zwischen den beiden Regierungen in Warschau und Minsk? Ziemlich frostig?

    Raabe: Man kann es durchaus als frostig, distanziert bezeichnen, sehr kritisch, weil mit einem gewissen Recht natürlich vom Regime in Belarus wahrgenommen wird, dass Polen dort versucht, die Demokratiebewegung zu unterstützen, Lobby-Arbeit für diese Demokratiebewegung zu machen in Brüssel. Diese Lobby-Arbeit hat auch Erfolg, wie der prominente Besuch von Milinkewitsch und der Oppositionspolitiker Ende Januar in Brüssel und in Berlin gezeigt hat.

    Meurer: Begrüßen Sie diese Lobby-Arbeit der polnischen Regierung in Brüssel zu Gunsten der weißrussischen Opposition?

    Raabe: Sie ist eminent wichtig. Wenn man sich vorstellt, das war ja schon beim Fall der Ukraine im letzten Jahr zu sehen, dort haben dann Länder wie Polen, aber auch die baltischen Staaten, Litauen voran, sehr stark sich eingesetzt und für Aufmerksamkeit gesorgt in Brüssel. Das hat jetzt auch nach und nach positive Folgen. Bis vor kurzem war ja Belarus und früher auch die Ukraine überhaupt nicht auf den Bildschirmen vieler Politiker im Westen. Das hat sich geändert. Das wird jetzt wahrgenommen, die Entwicklung. Und man sieht halt eben auch, dass dort ein Handlungsbedarf besteht: außenpolitisch für die EU, auch was die Politik gegenüber Russland angeht.

    Meurer: Bei der Ukraine war es so, dass erst die US-Amerikaner Druck auf die alte Regierung in Kiew gemacht haben und dann die EU so langsam wach wurde. Ist das auch im Falle Weißrusslands Ihrer Ansicht nach so?

    Raabe: Die US-Amerikaner sind dort auch mit ihren politischen Stiftungen sehr stark engagiert und versuchen, dort die Demokratiebewegung, die Zivilgesellschaft zu fördern. Sie waren da in einem sehr viel größeren Ausmaß bisher engagiert als die EU. Das liegt auch an den strukturellen Schwierigkeiten, dass die EU Schwierigkeiten hat, jetzt angemessen auf die Situation zu reagieren, das heißt nicht regierungsamtlich mit der Regierung zusammen zu arbeiten, was man mit einem Regime wie dem von Lukaschenko schlechterdings eben in vielen Bereichen nicht machen kann. Es fehlen die geeigneten Instrumente und Mittel, um dort zivilgesellschaftlich anzusetzen, sozusagen an der Regierung vorbei, und die Demokratie zu fördern und zu stärken.

    Meurer: Was sollte denn Ihrer Meinung nach die EU tun?

    Raabe: Ganz konkret – das ist ja jetzt auch in Angriff genommen worden – ist der wichtigste Punkt, dass unabhängige Informationen in das Land hinein kommen müssen. Das wird jetzt versucht durch Radiosender, die aber nur eine begrenzte Reichweite haben. Da muss man entschiedener und stärker auch ansetzen. Der zweite Punkt ist, dass man wie gesagt die zivilgesellschaftlichen Organisationen in Belarus in ihrer Arbeit unterstützen sollte. Das bedarf eben einer langfristigeren Arbeit und einer Arbeit, die in die Breite geht. Der dritte Punkt ist, dass man mit der jetzt geeinten, oder weitgehend geeinten, Opposition zusammenarbeiten muss. Das ist ja auch schon geschehen durch den Besuch von Alexander Milinkewitsch in Brüssel und Berlin. Diese Kontakte gilt es, weiter zu pflegen. Die haben auch eine Schutzfunktion. Im Moment sitzen zwei der Führer unserer Partnerparteien im Gefängnis. Und Milinkewitsch ist auch durchaus bedroht, dass er festgesetzt wird. Das sind die drei wichtigsten Punkte.

    Meurer: Ja. Sie haben nicht Wirtschaftssanktionen genannt. Warum nicht?

    Raabe: Selbst die Opposition, Milinkewitsch, hat hier auch bei seinen Besuchen im Rahmen der Wirtschaftskontakte klar gesagt und davon abgeraten, weil sie doch eher das Volk treffen und wenig zielgerichtet sind. Er hat dazu geraten, dass man natürlich die Verantwortlichen auf dieser schwarzen Liste benennt und daraus Folgen zieht, was Visa in den Westen angeht und den Umgang mit diesen Verantwortlichen im Westen. Bei Wirtschaftssanktionen müsste man aber schon sehr genau überlegen, was an welcher Stelle geschieht, damit man eben nicht die Falschen trifft.

    Meurer: Morgen soll es eine große Kundgebung geben. Mit welchem Szenario rechnen Sie für morgen in Minsk?

    Raabe: Das ist für mich unabsehbar. Manche sagen, jetzt könnte eine Trotzreaktion entstehen, jetzt erst recht, wir lassen uns nicht unterbuttern und gehen auf die Straße. Aber insgesamt ist natürlich auch die Frustration relativ groß. Es gab einen positiven Impuls, weil doch sehr viel mehr als man eigentlich vorher erwartet hat nach den Wahlen auf die Straße gegangen sind. 15.000 bis 20.000 Menschen, solche großen Demonstrationen gab es sehr lange nicht. Aber zuletzt waren eben dann 400, 500 Leute auf dem Oktoberplatz in Minsk, und es gab eben doch keine größere Unterstützung vom Westen. Die Leute haben sich in eine große Gefahr begeben. Sie sind jetzt erst mal größtenteils festgenommen worden. Es geht also auch darum, dass man dort in dieser schwierigen Situation Solidarität zeigt.

    Meurer: Sie glauben also nicht, dass die Oppositionsbewegung in Weißrussland grundsätzlich kleiner ist als damals in der Ukraine?

    Raabe: Doch, sie ist ohne Zweifel kleiner. Es ist keine solche Massenbewegung. Leider Gottes muss man sagen, dass das Regime Lukaschenko, aber auch Putin und Russland aus den Geschehnissen in der Ukraine und anderswo gelernt hat, Konsequenzen gezogen hat und mit allen möglichen Instrumenten vorgebaut hat, um eine Entwicklung wie in der Ukraine zu verhindern.

    Meurer: Das war Stephan Raabe. Er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau, das dort für Polen und Weißrussland zuständig ist. Herr Raabe, besten Dank und Auf Wiederhören.

    Raabe: Ich bedanke mich, Herr Meurer. Wiederhören.